Эротические рассказы

Der Mann, der aus dem Fenster sprang. Ludwig LugmeierЧитать онлайн книгу.

Der Mann, der aus dem Fenster sprang - Ludwig Lugmeier


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      Ludwig Lugmeier

      Der Mann, der

      aus dem Fenster

      sprang

      Ein Leben zwischen Flucht und Angriff

      Verlag Antje Kunstmann

      Für Maike

      Du darfst den Tod nicht fürchten, denn wenn du ihn fürchtest, stolperst du und schon fällt er über dich her.

       Aus »Nekropolis« von Boris Pahor

      Prolog

      MEINEN 25. GEBURTSTAG FEIERTE ICH IN EINER ZELLE, deren Fenster dreifach vergittert war. Im Inneren befand sich ein Käfig, im Hof liefen Wachen auf und ab und alle halbe Stunde glotzte mich durch den Spion ein Auge an. Ich lag auf dem Bett und überlegte. Ich lief hin und her und dachte nach. Ich knabberte an einer Salami und zermarterte mir das Hirn. Verdammt, wie war es gekommen, daß sie mich gekriegt hatten?

      Vor ein paar Monaten noch war ich an der Golfküste gewesen, in Vera Cruz und Tampíco, und hatte nach einer Spur von B. Traven gesucht. Auf der Fahrt zurück nach Mexiko-Stadt war in den Bergen ein Erdrutsch niedergegangen. Die Straße war verschüttet gewesen und vor der Lehmlawine hatten Campesinos gestanden. Ich hatte ein paar von ihnen mitgenommen und einer hatte mich zu sich nach Hause eingeladen. Aber das Haus gefiel mir nicht, es war nur eine Hütte, auf der Straße liefen Schweine umher und ich wollte weiter.

      »Ich hab keine Zeit, meine Katze wartet«, sagte ich.

      »Katze?« fragte er.

      »Ich hab eine Katze«, sagte ich, »die wartet seit zwei Tagen. Es ist noch weit nach Mexiko-Stadt.«

      »Hombre«, sagte er, »du hast eine Katze in Mexiko?«

      »Ja«, sagte ich, »es ist weit.«

      Er brachte mir einen Wecken Pan Dulce und ich biß ab.

      Ich sagte: »Das Brot ist gut.«

      »Das hat meine Mutter gebacken.«

      »Deine Mutter macht gutes Brot«, sagte ich.

      Als ich weiterfuhr, warf ich den Rest aus dem Fenster. Das Brot war trocken, süß, machte Durst und ich hatte kein Wasser. Ich hielt an einer Raststätte, aber die Scheibe war eingeschlagen und vom Inventar nur ein dreibeiniger Tisch geblieben. Es stank nach Müll und Aas, neben der Straße lag ein totes Pferd. Der Bauch war aufgetrieben und darauf stand ein Zopilote. In einer Baumgruppe hockten die Geier wie schwarze Früchte. Ich ging zum Auto, nahm die Pistole aus dem Handschuhfach und schoß auf einen. Er plumpste auf die Straße. Eine schwarze Wolke aus Geschrei stob hoch. Ich hatte schlecht getroffen, denn der Vogel kam plötzlich mit ausgebreiteten Flügeln auf mich zugesprungen. Panik überkam mich, ich rannte zum Auto und fuhr davon.

      Die Straße war schmierig und kurvig. Ich überholte Tankwagen, die von den Erdölfeldern kamen, aber schon waren die nächsten vor mir. Ich schlich hinter ihnen her und wartete auf eine neue Gelegenheit. Es fing an zu regnen, leicht und nieslig. Dann wurde es dunkel. Die Scheibe war verschmiert und ich fuhr jetzt schneller. Den Tankwagen vor dem Mauthäuschen sah ich erst, als ich nicht mehr ausweichen konnte. Eine Sekunde lang wußte ich, daß der Tod ein Lastwagen mit Christbaumbeleuchtung ist, daß ich nicht älter als vierundzwanzig werden sollte, ein paar Geschichten geschrieben und zwei Geldtransporte ausgeraubt hatte. Und daß das wenig war, verglichen mit einem Tankwagen. Dann flog ich gegen die Scheibe. Als ich wieder zu mir kam, zog mich ein Mann aus dem Schrott und schleppte mich über den Asphalt. »Glück gehabt«, sagte er, »buena suerte, Señor«, und sprudelte mir eine Flasche Wasser ins Gesicht.

      Nachts fiel das gelbe Licht des Nebelscheinwerfers in die Zelle. Wenn ich mich am Gitter hochzog, sah ich die Mauer, den Wachturm und den Hof, auf dem am Tag die Gefangenen ihre Runden drehten. Ich schlief schlecht, immer nur ein, zwei Stunden. Dann lag ich wieder wach. Manchmal stand ich auf und ging in der Zelle auf und ab. Es waren nur ein paar Schritte in die eine und in die andere Richtung. Ich dachte an die Journalisten vom Stern, die ein paar Wochen nach meinem Unfall aufgetaucht waren, an den Arzt, der mich zusammengeflickt hatte, an den gelbgesichtigen Alten im Bett des Rotkreuzkrankenhauses neben mir und wieder an die verlassene Raststätte, wo ich den Geier vom Baum geschossen hatte. Und da fiel mir auf einmal der Vogel aus meiner Kindheit ein. Ich erinnerte mich ganz deutlich an ihn. Ich hatte nie bemerkt, wie er angeflogen kam. Immer wenn es dunkel wurde, hatte er plötzlich auf einem Ast des Kastanienbaums vor dem Balkon des Schlafzimmers gesessen. Er war dunkel und groß gewesen und manchmal hatte er den Kopf bewegt oder einen Flügel gespreizt. Angst hatte ich keine vor ihm gehabt. Ich hatte ihn beobachtet, dann war ich eingeschlafen und am Morgen war er verschwunden. Ich hatte niemandem etwas davon gesagt, auch meiner Großmutter nicht, obwohl ich ihr vertraute.

      eins

      MEINE GROSSMUTTER HIESS MARIE HAVLITSCHEK. Wenn sie nach Kesselberg kam, stand ich am Fenster und hielt nach ihr Ausschau. Unten waren der Hof, die Brücke und der Wald, der sich den Jochberg hochzog. Wenn sie zur Brücke kam, hörte ich das Klappern des Messers in ihrer Milchkanne und lief die Treppe hinunter. Dann gab sie mir die Kanne. Ich nahm den Deckel ab und hielt das Messer in der Hand. Es war ein schönes Messer. Ich hielt es gerne in der Hand. Es hatte einen hölzernen Griff und eine lange Klinge. Neben der Haustür befand sich die Küche der Hausherrin. Darin stand ein gemauerter Herd mit einer Kupferstange außen rum und in der Ecke am Fenster ein Tisch. Frau Miele trocknete sich die Hände ab und stellte meiner Großmutter Suppe hin. Sie beugte sich über den Teller, blies auf den Löffel und aß. Dann nahm sie Spielkarten aus der Rocktasche.

      »Das ist der König, das die Dame und das der Bube«, sagte sie. »Am stärksten ist der Tod. Gegen den kommt keiner an.«

      Der Tod hielt in der einen Hand eine Sense und in der anderen eine Sanduhr. Sie mischte ihn unter die Karten und dann lauerte Frau Miele, bis er hervorkam. Sie beugte sich weit über den Tisch und wenn er auftauchte, rief sie: »Oh je! Da ist er!« Aber meine Großmutter schob ihn zur Seite und sagte: »Da hast gerade noch Massl gehabt.«

      »Also der ist weg.«

      »Fürs erste.«

      Da brachte ihr Frau Miele nochmals einen Teller Suppe und erzählte vom Krieg. Ich hörte gern zu. Ich setzte mich neben den Ofen und lutschte an einem Entenei. Das Entenei war glatt und ich wollte gerne hineinbeißen, aber dann wäre es nicht mehr glatt gewesen.

      »Die Amis haben gedacht, daß im Haus Soldaten sind«, sagte sie. »Sie haben hinter der Brücke gelegen und geschossen und wir haben im Keller gesessen, die Frau Zislow, ihre Kinder und die Frau Unenkel. Ihr Mann hat das Hakenkreuz nicht abnehmen wollen und wie auf München die Bomben gefallen sind, ist im Norden eine rote Glocke gewesen und im Boden hat es gerollt, grrrmmm, grrrrmmm…«

      Frau Miele gab meiner Großmutter Geld und Enteneier. Dann stiegen wir nach oben. Die Treppe hatte ein weißes Geländer und die Gänge waren lang. Durch die Türen hörte ich, wie geschimpft und geredet wurde. Manchmal blieb sie vor einer stehen und malte das Malheur auf die Schwelle. Es sah aus wie ein Stern mit einem spitzen Kopf.

      »Jetzt sollen sie schauen«, sagte sie.

      Wir gingen zu Frau Zislow und zu Frau Hase. In jeder Wohnung roch es anders. Am besten roch es bei Fräulein Rosemarie. Dort duftete es nach Parfüm und Bohnenkaffee. Am Fenster hing eine Gardine mit roten Blumen und aus der Uhr kam zu jeder vollen Stunde ein Kaminkehrer. Über dem Bett hing ein Bild von einem amerikanischen Soldaten.

      »Er hat versprochen, daß er mich heiratet«, behauptete Fräulein Rosemarie.

      Meine Großmutter schaufelte sieben Löffel Zucker in die Kaffeetasse. Dann zog sie dem Fräulein Rosemarie die Wäsche hoch und legte das Ohr auf ihren Bauch. Er war rund und Fräulein Rosemarie weinte.

      »Amerika«, sagte meine Großmutter, »das Kind will nach Amerika.«

      »Ich auch«, heulte Fräulein Rosemarie.

      »Das wird schon werden«, tröstete meine Großmutter.

      Sie gab ihr ein Hexenei.

      »Das


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