Lausbubengeschichten & Tante Frieda - Teil 2. Ludwig ThomaЧитать онлайн книгу.
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Ludwig Thoma
Lausbubengeschichten & Tante Frieda - Teil 2
Das bekannteste Werk von Ludwig Thoma
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Inhaltsverzeichnis
Lausbubengeschichten & Tante Frieda - Teil 2
Lausbubengeschichten & Tante Frieda - Teil 2
Inhaltsverzeichnis
1. Tante Frieda
2. Die Indianerin
3. Franz und Cora
4. Das Waldfest
5. Coras Abreise
6. Hauptmann Semmelmaier
Hinweis: Der Text ist nach alter deutscher Rechtschreibung verfasst. Auf Grund der überwiegend dialektischen
Niederschrift wurden keine Änderungen vorgenommen.
Tante Frieda
Meine Mutter sagte: »Ach Gott ja, übermorgen kommt die Schwägerin.«
Und da machte sie einen großen Seufzer, als wenn der Bindinger da wäre und von meinem Talent
redet.
Und Ännchen hat ihre Kaffeetasse weggeschoben und hat gesagt, es schmeckt ihr nicht mehr,
und wir werden schon sehen, daß die Tante den Amtsrichter beleidigt und daß alles schlechtgeht.
»Warum hast du sie eingeladen?« sagte sie.
»Ich hab sie doch gar nicht eingeladen«, sagte meine Mutter, »sie kommt doch immer ganz von
selber.«
»Man muß sie hinausschmeißen« sagte ich.
»Du sollst nicht so unanständig reden«, sagte meine Mutter, »du mußt denken, daß sie die
Schwester von deinem verstorbenen Papa ist. Und überhaupt bist du zu jung.«
»Aber wenn ihr sie doch gar nicht mögt«, habe ich gesagt, »und wenn sie den Amtsrichter
beleidigt, daß er Ännchen nicht heiratet, und sie freut sich schon so darauf. Vielleicht sagt sie
ihm, daß er schielt.«
Da hat Ännchen mich angeschrien: »Er schielt doch gar nicht, du frecher Lausbub, und jetzt
spricht er, daß ich heiraten will, und die Leute reden es herum. Nein, nein, ich halte es nicht mehr
aus, ich gehe in die Welt und nehme eine Stellung.«
Da ist meine Mutter ganz unglücklich geworden und hat gerufen: »Aber Kindchen, du darfst
nicht weinen. Es wird alles recht werden, und, in Gottes Namen, der Besuch von der Tante wird
auch vorübergehen.«
Das ist am Montag gewesen, und am Mittwoch ist sie gekommen. Wir sind alle drei auf die Bahn
gegangen, und meine Mutter hat immer gesagt: Ȁnnchen, mache ein freundliches Gesicht! Sonst
haben wir schon heute Verdruß.« Da hat der Zug gepfiffen, und sie ist herausgestiegen und hat
geschrien: »Ach Gott! ach Gott! Da seid ihr ja alle! Oh, wie ich mich freue! Helft mir nur, daß
ich mein Gepäck herauskriege!«
Sie hat in den Wagen hineingerufen, die Schachtel gehört ihr, und der Koffer unter dem Sitz
gehört ihr, und die Tasche oben gehört auch ihr und hinten der Käfig mit dem Papagei. Ein Mann
hat ihr alles herausgetan, und sie hat es mir gegeben, aber ich habe gesagt, der Koffer ist zu
schwer, ich kann ihn nicht tragen. »Ännchen hilft dir schon«, hat sie gesagt, »ihr seid jung und
stark. Aber mein Lorchen trage ich selber.« Dann ist sie zu meiner Mutter hingegangen und hat
sie geküßt und hat gerufen: »Ich bin froh, daß ich dich gesund sehe, ich habe oft so Angst wegen
deinem Herzleiden, aber gib acht, daß du nicht an den Käfig kommst, mein Lorchen kann das
Schütteln nicht vertragen. «.
Meine Mutter hat den großen Koffer angesehen und hat gemeint, es ist vielleicht besser, wenn ihn
der Stationsdiener trägt, aber die Tante hat gesagt: »Nein, ich gebe es nicht zu, daß du Auslagen
hast; die Kinder werden schon fertig damit.«
Ännchen hat es probiert. Es ist nicht gegangen, weil er zu schwer war. Da ist der Alois gelaufen
gekommen, das ist der Stationsdiener, und er hat den Koffer genommen.
Die Tante hat wieder zu meiner Mutter gesagt, es ist ihr nicht recht, daß wir Auslagen haben, und
sie hat nicht gedacht, daß Ännchen so schwächlich ist. Aber es fällt ihr ein, daß sie schon als
Kind zart war. Vielleicht hat sie etwas geerbt von dem Herzleiden von meiner Mutter.
»Ich bin aber, Gott sei Dank, gesund«, hat meine Mutter gesagt, »und der Arzt findet nichts
mehr.«
»Ja, die Ärzte!« hat die Tante gerufen. »Bei meinem armen Josef haben sie auch nichts gefunden,
bis er tot war, und oft wollen sie es einem nicht sagen.«
Dann sind wir heimgegangen. Unterwegs hat Ännchen zu mir gewispert: »Du wirst sehen,
Ludwig, sie bleibt die ganze Vakanz.«
»Das glaube ich nicht«, habe ich gesagt. »Wenn sie bleiben möchte, finde ich schon etwas, daß
sie geht.«
Da hat Ännchen heimlich gelacht, und sonst ist sie doch immer unglücklich, wenn etwas von mir
herauskommt.
Aber diesmal hat sie gelacht und hat gefragt: »Was willst du denn machen?« Ich habe gesagt:
»Das weiß ich nicht. Vielleicht mache ich einen Speiteufel in dem Papagei seinen Käfig, oder ich
rupfe ihn, daß er nackt wird, oder ich tue sonst was. Man kann es nicht vorher sagen, was man
tut, weil man erst studieren muß, was sie am meisten ärgert.«
Ännchen hat gewispert: »Wenn du etwas findest daß sie geht, schenke ich dir zwei Mark.«
»Das ist recht«, habe ich gesagt. »Aber du mußt mir zuerst eine Mark geben, weil ich vielleicht