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Waldröschen IV. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 2. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Waldröschen IV. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 2 - Karl May


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      WALDRÖSCHEN IV. MATAVESE, DER FÜRST DES FELSENS. TEIL 2

      1. Kapitel

      Die Jacht dampfte nun dem Punkt der Küste entgegen, den der Kapitän bezeichnet hatte, und erreichte denselben binnen einer Viertelstunde. Da Sternau sich von den anderen die Spuren nicht verderben lassen wollte, stieg er allein aus, um den Ort sorgfältig abzusuchen, aber die Küste bestand aus hartem Korallenfelsen, und da gestern, als der Kampf stattgefunden hatte, gerade Ebbe gewesen war, so hatte die Flut inzwischen die Spuren verwaschen. Man mußte also unverrichteter Sache wieder abfahren.

      Die Fahrt nach Verakruz war eine sehr schnelle und glückliche. Als man dort anlangte, wurde beschlossen, daß Sternau und Helmers die beiden Liebenden nach Mexiko begleiten sollten. Die Jacht blieb unter der Obhut der Matrosen zurück.

      Da Mariano an so großer Schwäche litt, so war es unmöglich, zu Pferd zu reisen. Es wurde also die Postdiligence benutzt, die zwischen Mexiko und dem Hafen regelmäßig hin- und hergeht. Die drei Männer bewaffneten sich, versahen sich mit Proviant, da man in jenen Gegenden von unseren wohleingerichteten Restaurationen nichts weiß, und dann verließen sie die Hafenstadt.

      Eine Fahrt mit der mexikanischen Diligence ist nichts Bequemes und Erfreuliches. Ein solcher Wagen ist für zwölf bis sechzehn Personen eingerichtet und wird von acht halbwilden Maultieren gezogen. Vorn sind zwei, in der Mitte vier und an der Deichsel wieder zwei angespannt. Die Tiere weiden Tag und Nacht im Freien und müssen vor dem Gebrauch immer erst mit dem Lasso eingefangen werden. Sie lassen sich das Geschirr nur mit höchster Widerspenstigkeit anlegen, aber einmal im Zug, sind sie auch kaum aus ihrem rasenden Galopp herauszubringen.

      Die Gegend, die man durchfährt, ist beinahe ganz unbevölkert, der Weg geht durch öde Felsenstrecken, tiefe Schluchten, finstere Urwälder, und selten bemerkt man einmal eine einsame, armselige Indianerhütte, die von einem herabgekommenen Nachkommen der einstigen Beherrscher des Landes bewohnt wird. Kein Europäer kann sich einen Begriff von den Hindernissen machen, die der Reisende zu überwinden hat! Oft ist die Straße weiter nichts als das ausgetrocknete, mit Felsbrocken bedeckte Bett eines im Frühjahr reißenden Bergstroms, oft führt sie an Abgründen vorüber, in die man beim geringsten Fehltritt stürzt. Und dabei braust die Diligence in einem rasenden Galopp immer weiter. Der Kutscher sitzt auf dem Dock, die sechzehn Zügel in der Hand, und neben ihm sein Adjutant, der Mauleselbube.

      Dieser hat keine Minute Ruhe. Er springt mitten im Galopp vom hohen Bock, um die Tiere zu richten oder den Wagen zu halten, dabei sammelt er sich die Taschen voller Steine, springt mitten im Lauf wieder auf, ohne daß dem Tempo im geringsten Einhalt getan wird, und bombardiert nun mit seinen Steinchen diejenigen Tiere, die sich faul oder unlenksam zeigen.

      Dies ist die Schule, durch die er gehen muß, um später Kutscher werden zu können. Ein guter Diligencekutscher ist eine geschätzte Persönlichkeit, und zwar mit Recht. Er wird von jedermann »Señor« genannt. Wenn er die Strecke zwischen Mexiko und Verakruz versieht, so bezieht er eine Gage von hundertzwanzig Peseta pro Monat, das sind nach unserem Geld ungefähr fünfhundert Mark. Dabei wird er beköstigt und hat am Ende des Jahres, wenn er kein einziges Mal umgeworfen hat, noch Anspruch auf eine Extrabelohnung von tausend Mark zu machen. Er steht sich also besser als ein deutscher Postillion.

      Eine große Plage ist die Unsicherheit des Weges. Jeder Mexikaner ist mehr oder weniger ein Freibeuter, zuweilen tun sich mehrere zusammen, und so ist es kein Wunder, wenn man eine Reise nur wohl bewaffnet unternimmt. Und dennoch kommt es häufig vor, daß die Passagiere ihr Ziel nicht unberaubt, vielleicht auch gar nicht erreichen, weil sie getötet werden.

      Am Abend gelangten unsere Reisenden an eine Art von Gehöft, wo sie gezwungen waren zu übernachten. Dasselbe bestand aus einer niedrigen, schmutzigen Hütte, an die eine Umzäunung stieß, die von stachligem Kaktus hergestellt worden war. Innerhalb dieser Umzäunung weideten einige magere Pferde und Maultiere. Die Hütte bewohnte der »Postmeister«, ein hagerer Mexikaner, der einem Raubmörder ähnlicher sah als einem ehrlichen Mann.

      Er führte neben der »Posthalterei« einen Pulque-Schank, das heißt, er sammelte den Saft einer Agavenart, ließ denselben in schmutzigen Töpfen gären und verkaufte ihn gegen so hohes Geld an diejenigen Insassen der Diligence, die sich nicht ekelten, ihren Durst mit dieser Brühe zu stillen.

      Amy behauptete, sich vor diesem Mann zu fürchten, sie scheute sich überdies vor dem gräßlichen Schmutz seiner Wohnung, und so wurde ihr in der Diligence ein Lager zubereitet. Die drei Männer wollten in der Nähe derselben im Freien schlafen.

      Der Abend war ein herrlicher. Die Sterne leuchteten wie glühende Funken vom Himmel hernieder, und balsamische Lüfte fächelten die ruhende Erde. Amy und Mariano hatten sich von den anderen getrennt und wandelten unter dem Schutz der Umzäunung auf und nieder. Sie führten sich am Arm; das Herz war ihnen voll, und doch fanden sie keine Worte, um die Größe ihres Glücks zu beschreiben. Endlich sagte Amy mit leiser Stimme:

      »Welch eine Zeit zwischen jetzt und Rodriganda!« – »Eine Zeit schwerer Trübsale für mich«, antwortete er. – »Und für mich eine Zeit bitterer Sorge um dich, mein Alfred.«

      Da ließ er ihren Arm fahren, blieb stehen und sagte:

      »Nenne mich nicht mehr Alfred, sondern Mariano, denn so ist mein Name.« – »Mariano?« – »Ja. Alfred de Lautreville war nur ein angenommener Name.«

      Amy blickte überrascht zu ihm empor und sagte nach einer kleinen Pause:

      »War es das, was dich so sehr bedrückte?« – »Ja, das war es. Komme, laß uns niedersetzen, ich muß wahr gegen dich sein.« – »Hat dies nicht noch Zeit, mein Geliebter?« – »Nein. Es lastet schwer auf meiner Seele, und diesen Druck will ich loswerden.« – »Aber du bist krank. Du wirst dich aufregen!« – »Trage keine Sorge, Amy. Das Bewußtsein, unredlich zu handeln, schadet mehr als die Erinnerung an eine Zeit, von der ich wünsche, daß sie nicht gewesen wäre.«

      Ein Felsblock gab ihnen einen bequemen Sitz. Sie nahmen Platz, und nachdem Mariano einige Zeit lang trübe vor sich hingeblickt hatte, begann er:

      »Du hast von Sternau einiges über meine mutmaßliche Abstammung gehört?« – »Ja, bereits in Rodriganda gab er mir einige Andeutungen, und später schrieb er mir darüber.« – »Nun wohl. Ich bin das Opfer eines Verbrechens, das aufzudecken meine Lebensaufgabe ist. Ich wurde meinen Eltern geraubt und kam in eine Räuberhöhle.«

      Amy stieß einen Ruf der Überraschung aus.

      »Ist‘s möglich! In eine Räuberhöhle?« – »Ja. Ich bin ein Brigant, ein Räuber.«

      Das hatte Amy allerdings nicht erwartet, das stürmte mit voller Wucht auf sie ein. Sie holte tief Atem, aber sie vermochte nicht, ein Wort zu sprechen.

      Er bemerkte das mit unendlichem Schmerz, rückte von ihr fort und sagte:

      »Du schweigst. Du verachtest mich. Das war es, was ich fürchtete.«

      Da faßte sie ihn bei der Hand und fragte:

      »Du konntest nicht dafür, daß du an diesen schauerlichen Ort kamst?« – »Nein, denn ich war noch ein Kind.« – »Und du wurdest ohne deine Schuld als Brigant erzogen?« – »Ich lebte unter den Briganten, aber ich wurde nicht als solcher erzogen. Ich habe nie das Geringste getan, was mich mit dem Gesetz hätte in Konflikt bringen können.« – »Gott sei Dank!« sagte sie. »Da ist ja alles gut. Aber wie konntest du unter den Räubern der Mann werden, der du geworden bist?« – »Weil der Kapitän höhere Absichten mit mir verfolgt zu haben scheint. Er ließ mich ganz nach dem Stand erziehen, dem ich eigentlich angehöre. Das einzige Unrecht, das ich beging, war, daß ich in Rodriganda einen falschen Namen trug.« – »Du konntest nicht anders, mein Mariano.«

      Es war das erste Mal, daß sie diesen Namen aussprach. Er preßte ihre Hand an sein Herz und erwiderte:

      »Ich danke dir, mein Leben! Du machst mir das Herz leicht, und nun habe ich auch den Mut, dir alles, alles zu erzählen, was mich so lange und so schwer bedrückte.«

      Er zog sie nun an sich, legte leise ihr Köpfchen an seine Brust und begann zu erzählen. Er berichtete von den Erinnerungen an die ersten Tage seiner Kindheit, von seinem Leben unter den Briganten, und von allem, was später gekommen war. Es dauerte lange, ehe er fertig wurde, aber als er geendet und ihr dann auch all die scharfsinnigen Kombinationen Sternaus berichtet hatte, da schlang


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