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Mumu. Иван ТургеневЧитать онлайн книгу.

Mumu - Иван Тургенев


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      Mumu

      Mumu

      In einem grauen, mit Säulen und windschiefem Balkon verzierten Hause, umgeben von einer zahlreichen Dienerschaft, eine Wittwe, eine Barynja. – (Edelfrau, Herrin, Gutsbesitzerin).

      Ihre Söhne dienten in Petersburg, ihre Töchter waren verheirathet. Selten ging sie aus und verbrachte in Einsamkeit und Langeweile die letzten Jahre ihres geizigen, freudlosen Alters. Der Tag ihres Lebens war weder glücklich noch heiter gewesen, aber der Abend war finsterer als die Nacht.

      Unter ihren Dienern war das bemerkenswertheste Individuum Garassim, ein Mann von herkulischer Gestalt und Kraft; von Geburt an taubstumm, versah er das Amt des Pförtners.

      Er stammte von einem der Güter der Barynja und lange hatte er dort als einer der pünktlichsten Frohnbauern in seiner abgelegenen Hütte gelebt.

      Mit ungewöhnlicher Kraft begabt, arbeitete er soviel wie vier Andere und ein Vergnügen war es zu sehen, mit welcher Geschwindigkeit ihm Alles von der Hand ging. Bearbeitete er ein Feld, so hätte man glauben sollen, wenn man seine riesigen Hände gegen den Pflug gestemmt sah, er reiße ohne Hilfe des Pferdes den elastischen Busen der Erde auf. Es war eine Freude, ihn um Petri-Pauli zu sehen, wenn er mit seiner breiten Sense so verheerend über die Wiesen fuhr, daß selbst ein junger Birkenwald von den Wurzeln geflogen wäre, oder wenn er mit einem drei Ellen langen Dreschflegel rasch und ohne Unterbrechung auf die Garben schlug und dabei die länglichen, harten Muskeln an seinen Schultern wie ein Hebebaum auf und nieder gingen. Seine Stummheit gab seiner unermüdlichen Arbeit eine Art von feierlichem Ernst. Uebrigens war er ein prächtiger Kerl und ohne sein unglückliches Gebrechen würde ihn jedes Mädchen des Dorfes gern geheirathet haben.

      Aber eines Tages wurde Garassim auf Befehl seiner Herrin nach Moskau berufen. Dort kaufte man ihm ein Paar Stiefeln und einen Kaftan für den Sommer und einen Schafpelz für den Winter. Man gab ihm Besen und Schaufel in die Hand und er wurde als Pförtner eingesetzt.

      Diese neue Lebensweise behagte ihm Anfangs durchaus nicht. Seit seiner Kindheit war er das Landleben und die Arbeiten desselben gewohnt gewesen. Ausgeschlossen von der Gesellschaft anderer Männer durch seine Taubheit und Stummheit, war er in der Einsamkeit aufgewachsen, einem starken Baume gleich in fruchtbarer Erde. In die Stadt verpflanzt, wußte er nicht wie ihm geschah und fühlte sich gehemmt, unbehaglich. Er hatte Langeweile und starrte befremdet und unsicher um sich wie ein junger, gesunder Stier, der plötzlich von der Weide genommen, wo er bis an die Kniee im saftigen Grase stand, in einem Transportwagen auf die Eisenbahn gebracht wird, wo man ihn im Wirbel von Dampf und Funken, unter Zischen, Knarren und Pfeifen hinwegführt, immer weiter – Gott weiß wohin! Im Vergleich zu seinen ehemaligen Arbeiten war die neue Beschäftigung, welche man ihm auferlegt, nur ein Spiel; in einer halben Stunde war er damit fertig. Dann blieb er im Hofe des Hotels, mit offenem Munde die Vorübergehenden betrachtend, gleichsam als erwarte er von ihnen die Erklärung seiner Lage, welche für ihn ein Räthsel war. Dann zog er sich zuweilen in einen Winkel zurück und legte sich, Besen und Schaufel bei Seite werfend, mit dem Gesichte auf die Erde und brachte so stundenlang unbeweglich wie ein wildes in die Gefangenschaft geführtes Thier zu.

      Indeß der Mensch gewohnt sich an Alles, und auch Garassim gewöhnte sich endlich an sein Stadtleben.

      Seine Pflichten waren sehr beschränkt: sie bestanden im Reinigen des Hofes, im Herbeischaffen des Holz- und Wasserbedarfs für Zimmer und Küche; er hatte die Landstreicher vom Haus ferne zu halten und Nachts gut zu wachen. Er füllte seine Stellung mit der pünktlichsten Sorgfalt aus; kein Kehricht, kein Strohhälmchen lag je auf seinem Hofe umher. Wenn in regnerischer Zeit das elende Pferd, welches zum Fortschaffen der Wassertonne gebraucht wurde, sich in einem Geleise festfuhr, so brachte er mit einem Ruck der Schulter Wagen und Gaul wieder in Bewegung, und wenn er Holz spaltete, so klirrte ihm das Beil in der Hand wie Glas, und Scheite und Späne flogen nach allen Seiten hin. Den Landstreichern wußte er großen Schrecken einzuflößen. Eines Abends hatte er zwei Diebe gefaßt, und sie dergestalt aneinander gerieben, daß er nicht mehr nöthig hatte, sie auf die Polizei zu schicken, und ihnen andere Züchtigung aufzuerlegen. Nicht allein die Gauner, sondern auch die harmlos Vorübergehenden konnten diesen schrecklichen Wächter nicht ohne Furcht ansehen.

      Die Nachbarn achteten ihn und die Leute im Hans machten es sich zur Aufgabe, wenn auch gerade nicht freundschaftlich, doch friedfertig mit ihm zu leben. Garassim unterhielt sich mit ihnen durch Zeichen; er verstand sie und richtete getreulich die Befehle aus, welche ihm ertheilt waren. Aber er kannte auch seine Rechte und Niemand würde es gewagt haben, ihm nur seinen Platz bei Tisch zu nehmen. Mit seinem festen, ernsten Charakter liebte er die Ordnung und Ruhe. Die Hähne selbst wagten es nicht, sich in seiner Gegenwart zu bekämpfen, und wenn sie dennoch einmal aneinander geriethen, so nahm er sie im Augenblick bei den Pfoten, drehte sie zehn, zwölf Mal in der Luft herum und warf sie rechts und links auseinander. Auf dem herrschaftlichen Hofe hielt man auch Gänse. Allein die Gans ist bekanntlich ein ernstes, nachdenkendes Thier. Garassim hatte eine gewisse Hochachtung vor diesen Zweifüßlern und pflegte und fütterte sie; hatte er doch selbst etwas von der Natur der Feldgans.

      Eine Art von Verschlag über der Küche war ihm zur Wohnung angewiesen. Er richtete sich dieselbe nach eigenem Geschmack ein. Er baute sich von Eichenbrettern ein auf vier starken Balken ruhendes Bett, ein wahres Hünenlager, von solcher Festigkeit, daß es keine Last von mehreren tausend Pfund gebeugt haben würde. Unter dem Bett stand ein massiver Koffer; in der Ecke ein Tisch von gleich starkem Bau, und daneben ein Stuhl auf drei Beinen, aber so plump und schwer, daß zuweilen Garassim selbst, wenn er ihn aufhob, ihn wieder fallen ließ und lächelte. An der Thür seiner Zelle hing ein ungeheures Vorhängschloß, dessen Schlüssel er stets in seinem Gürtel trug, da es ihm nicht behagte, wenn man in seine Behausung kam.

      Es war ungefähr ein Jahr, daß Garassim in Moskau war, als das Haus, welches er bewohnte, von den kleinen Begebenheiten, die wir erzählen werden, bewegt wurde.

      Seine alte Barynja unterhielt den ehemaligen Gewohnheiten des russischen Adels getreu, wie wir bereits erwähnt, in ihrem Hotel eine große Anzahl Dienerschaft. In ihrem Dienste hatte sie nicht allein Wäscherinnen, Näherinnen, Tischler, Schneider und Schneiderinnen, sie hatte sogar einen Sattler, der zugleich als Arzt bei dem Vieh und bei den Dienstboten fungirte, außerdem einen Arzt für ihre eigene Person und einen Schuster, welcher Klimof hieß und ein ganz ausbündiger Trunkenbold war. Dieser Klimof betrachtete sich als ein Wesen besonderer Art, zurückgesetzt, nicht nach Verdienst gewürdigt, da er seiner Bildung nach berufen sei, in der Residenz, nicht aber in einem verborgenen Winkel Moskau's zu leben, und er betheuerte oft, indem er sich an die Brust schlug, daß er nur trinke, um seinen Kummer zu ertränken.

      Als ihm eines Tages seine Herrin in solchem Zustande begegnet war, sprach sie über ihn mit ihrem Haushofmeister Gawrilo, einem Manne, welcher, nach seinen falben Augen und seiner Nase, die aussah wie ein Entenschnabel, zu urtheilen, augenscheinlich vom Schicksal selbst zum Haushofmeister bestimmt war.

      Sie beklagte die sittliche Verkommenheit Klimof's, den man Tags zuvor betrunken irgendwo auf der Straße gefunden hatte.

      »Gawrilo« sagte die Wittwe, »was meinst Du? Wenn man Klimof verheirathete, vielleicht brächte ihn das von feinen üblen Angewohnheiten ab.«

      »Ja,« erwiderte der Haushofmeister »warum sollte man ihn nicht verheirathen? Das kann geschehen. . . es wird sogar sehr gut sein.«

      »Aber mit wem?«

      »Mit wem? ich weiß nicht. Das hängt von dem Willen der gnädigen Frau ab. Er ist doch immer, so zu sagen, zu irgend etwas tauglich. Im Dutzend läuft er mit.«

      »Ich denke, man gibt ihm Tatiana. Sie scheint ihm zu gefallen.«

      Bei diesen Worten war Gawrilo auf dem Punkte, einen Gedanken zu verrathen, aber er biß sich in die Lippen und schwieg.

      »Ja, es ist entschieden,« begann von Neuem die Barynja, eine Prise Tabak schlürfend; »Tatiana muß es sein, verstehst Du?«

      »Zu Befehl, gnädige Frau,« erwiderte Gawrilo und zog sich in sein in einem Anbau gelegenes Zimmer zurück, welches fast ganz vollstand von eisenbeschlagenen Koffern. Dort begann er damit seine Frau wegzuschicken, dann setzte er sich sinnend an das Fenster; die rasche Entscheidung seiner Herrin verwirrte ihn. Endlich erhob er sich und ließ Klimof rufen.

      Indeß


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