Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 5 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
Inhalt
Die Wirklichkeit sieht anders aus
Denke daran, was du versprochen hast
Böse Geister haben keine Chance
Wirklich nicht von schlechten Eltern
Wenn Inge Hendriks zu Dr. Norden in die Praxis kam, machte sie immer einen gestreßten Eindruck, obgleich sie sich um nichts kümmern mußte als um den Haushalt. Sie hatte keine finanziellen Sorgen und nur eine wohlgeratene Tochter, die gerade ihr Abitur als beste bestanden hatte.
Dr. Norden wußte das schon, denn Beate hatte es ihm selbst strahlend erzählt.
Das schien für Inge Hendriks allerdings selbstverständlich zu sein, denn etwas anderes war für sie jetzt wichtiger.
»Ich will Sie ja nicht damit belästigen, Herr Doktor«, sagte sie hektisch, »aber Sie und Ihre Frau haben doch in der Schule einen gewissen Einfluß. Ist es denn nötig, daß die Abschlußfahrt ins Ausland gehen muß? Sogar nach Griechenland, wo man ja auch nicht gerade großen Wert auf Hygiene legt. Sie wissen doch, wie empfindlich Beate ist, wie allergisch sie auch auf bestimmte Speisen reagiert. Ich würde es gern sehen, wenn Sie ein Attest schrieben, daß sie solchen Gefahren nicht ausgesetzt werden darf.«
Dr. Norden war aus der Fassung gebracht.
»Aber Beate ist doch gesund und freut sich auf die Reise! Ich denke, es wäre ein Schock für sie, wenn sie nicht mitfahren dürfte. Zu oft schon wurde sie ausgeschlossen. Sie ist jung und gern mit ihren Freundinnen zusammen.«
»Was sind denn das für Freundinnen! Jede hat einen anderen Spleen, und ich möchte nicht wissen, was sie auf einer solchen Reise alles anstellen! Mein Mann ist natürlich dafür, daß sie mitfährt, aber ich habe nun mal meine Bedenken und bitte Sie um Ihre Unterstützung.«
»Das kann ich Beate nicht antun, Frau Hendriks. Da Ihr Mann auch dafür ist, würde ich mich sowieso nicht in familiäre Angelegenheiten einmischen. Sie dürfen nicht gleich immer so schwarzsehen und überall Gefahren wittern. Beate ist ein sehr vernünftiges Mädchen und ein gutes Beispiel für andere.«
»Wenn die sie nur nicht gar zu gern in eine peinliche Situation bringen würden.«
Was bildet sie sich nur alles ein, fragte sich Dr. Norden.
So waren jedoch manche Frauen, die sich um nichts sorgen mußten, sie schufen sich ihre Probleme selbst. Bei Inge Hendriks nützte auch gutes Zureden nichts. Sie verließ die Praxis mit beleidigter Miene und verabschiedete sich auch nicht von Wendy, die überhaupt nicht wußte, worum es ging.
Dr. Norden tat Beate leid. Sie würde wieder einiges auszuhalten haben, und die Vorfreude auf die Klassenfahrt würde getrübt werden.
Fee Nordens Kommentar dazu war, daß Einzelkinder es eben immer schwerer hätten und Frau Hendriks sei eine überängstliche Mutter.
»Bei der Elternversammlung hat sie sich schon genug aufgeregt«, meinte Fee, »und sie hat es vor allem bemängelt, daß diese Fahrten auch zuviel kosten würden, was wiederum denen gegenüber, deren Eltern sich solche Ausgaben nicht leisten könnten, ungerecht sei.«
»Womit sie allerdings nicht unrecht hat«, sagte Daniel. »Es wird vieles übertrieben.«
Fee mußte ihm recht geben, aber die Hendriks gehörten zu denen, die wirklich nicht sparen mußten.
»Wer das Geld nicht aufbringt, wird unterstützt«, erklärte sie dann aber doch, »mir tun die Kinder leid, die nicht mit dürfen.«
Daniel warf ihr einen schrägen Blick zu. »Ich kenne eine Mutter, die acht Nächte kaum schlafen kann, wenn ihre Kinder nur mal im Landschulheim sind«, sagte er so ganz nebenbei.
»Das mußte ja kommen«, konterte Fee, »aber ich würde ihnen die Freude nicht verderben.«
»Für Felix war es noch nie eine reine Freude.«
»Weil er anderes Essen gewöhnt ist und für sein Wohlbefinden viel davon abhängt. Na ja, Griechenland ist wirklich ein bißchen weit.«
»Frau Hendriks hat immer etwas auszusetzen. Ich bin ehrlich gespannt, wie das noch wird, wenn sich Beate verliebt, aber wahrscheinlich traut sie sich gar nicht, mal einen Mann ins Haus zu bringen.«
Das war im Hause Hendriks auch so ein Thema, seit Beate Tanzstunde gehabt hatte. Da hatte Inge Hendriks auch zuerst die jungen Herren begutachten müssen, und kaum einer von ihnen hatte Gnade vor ihren Augen gefunden. Darüber war Beate allerdings nicht unglücklich gewesen, denn für sie war die Tanzstunde mehr ein Muß gewesen. Sie war eine ganz gute Sportlerin, aber mit dem Tanzen auf Tuchfühlung hatte sie es gar nicht.
Inge Hendriks kam in gereizter Stimmung nach Hause, und völlig unerwartet traf sie ihren Mann an, obgleich er mittags nie nach Hause kam.
»Wo warst du denn so lange?« fragte er.
»Beim Friseur, aber das siehst du ja gar nicht, und dann bei Dr. Norden, weil ich noch mal wegen der Klassenfahrt mit ihm sprechen wollte.«
»Er teilt deine Meinung hoffentlich nicht. Beate macht einen glänzenden Abschluß, und du willst ihr alles verderben«, warf er ihr vor.
»Bist du nach Hause gekommen, um mir das vorzuwerfen?« fragte sie aggressiv.
»Nein, um dir zu sagen, daß ich für ein paar Tage nach Frankreich muß.«
»Schon wieder? Das gibt mir aber langsam zu denken.«
»Frag den Boß, warum er mich schickt, aber reg dich dann nicht auf, wenn er sagt, daß er mir am ehesten zutraut, mit diesen schwierigen Geschäftspartnern klarzukommen. Und ich darf dich erinnern, wie sehr du darauf bedacht warst, daß ich Karriere mache.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Ich meine nur, daß du in letzter Zeit sehr oft verreisen mußt.«
Ihm lag auf der Zunge zu sagen, daß er dann wenigstens ihre ständigen Nörgeleien nicht ertragen müßte, aber er ließ es lieber bleiben, als er ihren etwas mißtrauischen Blick auf seinen Koffer bemerkte.
»Du fährst nicht mit dem Wagen?« fragte sie.
»Nein, ich fliege. Ich werde in einer Stunde abgeholt und zum Flughafen gebracht.«
»Dann könnte ich in der Zeit deinen Wagen nehmen und meinen zur Inspektion bringen«, sagte sie.
Recht war es ihm nicht, aber er gab nach. »Gib aber nicht zuviel Gas«, sagte er warnend.
»Beate lasse ich nicht ans Steuer«, sagte sie sofort.
»Sie fährt aber vorsichtiger als du, und sie sollte öfter fahren.«
»Womit du natürlich sagen willst, daß ich ihr meinen Wagen überlassen soll.«
»Ich denke, sie sollte selbst einen bekommen, wenn sie mit dem Studium anfängt.«
»Dann kann sie meinen bekommen, und du kaufst mir einen neuen, der ist schon lange fällig.«
Sie verstand es immer wieder, bei allem einen Vorteil für sich herauszuschlagen und um des lieben Friedens willen gab Helmut Hendriks meistens nach. Er fragte sich oft nur, wie sich ein Mensch so verändern konnte, wie es bei Inge der Fall war, denn bis vor fünf Jahren war es harmonischer zwischen ihnen zugegangen. Hatte es vielleicht damit zu tun, daß sich Beate von einer grauen Maus zu einem sehr aparten Mädchen entwickelte