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Fürstenkinder 8 – Adelsroman. Regine KönigЧитать онлайн книгу.

Fürstenkinder 8 – Adelsroman - Regine König


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ction> Fürstenkinder – 8 –

      »Ein Unfall? Autozusammenstoß? Wie bitte?«

      Angela fuhr sich über die Augen; sie war noch ganz verschlafen.

      Weshalb läutete das Telefon auch nur immerzu in der Nacht! Es war, als würden gerade nach Mitternacht die Telefone ringsum ausgerechnet Dr. Kilian bemühen, ihn, der nun auch schon nicht mehr der Jüngste war, aus dem Schlaf herausläuten.

      Dr. Wilhelm Kilian hatte eine Landpraxis, war aber gleichzeitig Unfallarzt auf der Strecke der großen Bundesstraße, die zur Landeshauptstadt führte.

      Man sollte Papa auch mal schlafen lassen! durchfuhr es Angela, die nur mit einem kurzen Morgenrock bekleidet vor dem Apparat stand.

      »Sicher wieder Betrunkene«, murmelte sie, »und da soll mein Vater…«

      Weiter kam sie nicht mit ihrer moralischen Standpauke, die einem unsichtbaren Zuhörer galt.

      Da schon stand der Vater hinter ihr.

      »Unfall!« erklärte Angela nur, während sie den Hörer dem Vater weiterreichte. »Denen solltest du mal sagen…«

      Dr. Wilhelm Kilian aber sprach kaum etwas in den Apparat, sagte nur ein paarmal »jaja«, und »hmhm«, und endlich: »Ich komme sofort.«

      »An dich denkt auch keiner, Paps!« Angela sah in das übermüdete Gesicht des Vaters.

      »Wir sollten in die Stadt ziehen!« hatte Angela einmal gesagt, kurz nach Mutters Tod vor fünf Jahren. »Da hast du es einfacher, Paps!«

      Sie war damals schon die große, verständige Tochter. Dr. Kilian aber hatte den Kopf geschüttelt, nur ganz einfach gesagt: »Wo kämen wir hin, wenn wir uns alle die leichteste Arbeit suchten. Und auf den Dörfern braucht man Ärzte, gerade uns ältere. Jüngere wollen eben tatsächlich nicht mehr aufs Land ziehen. Und ist es nicht eigentlich auch sehr hübsch hier bei uns in unserer kleinen Kreisstadt?«

      Wie heimelig diese kleine Kreisstadt selbst mitten in der Nacht war, spürte Angela, als sie die Freitreppe des alten Arzthauses auf dem Markt hinabging, um den Wagen aus der Garage zu holen.

      Das volle Mondlicht traf das Doktorhaus, in dem schon seit Generationen Ärzte wohnten, und warf auch einen Schein auf die gegenüberliegende Apotheke, über deren Tür ein goldener Elefant würdig thronte.

      Und mitten auf dem Platz strahlte das vergoldete kleine Holzweiblein, das Wahrzeichen der kleinen norddeutschen Stadt. Das Wasser des Brunnens darunter plätscherte leise und glucksend.

      Ein schrecklicher Brunnen übrigens!

      Angela lachte, während sie jetzt langsam und sicher den Wagen bereits aus der Garage neben dem Doktorhaus herausfuhr.

      Wie viele Generationen von Schulkindern hatten schon Aufsätze über ihn schreiben müssen!

      »He, du…!«

      In diesem Augenblick öffnete sich im weißen, breit im Mondlicht dahingelagerten Doktorhaus ein Fenster im obersten Stockwerk. Ein Jungengesicht schaute heraus.

      »Du, he, Schöpfle, darfst du jetzt noch Auto fahren?«

      Angela hatte den Wagen gerade verlassen, um des Vaters Tasche zu holen. Seit kurzem war sie seine Helferin.

      Das war ein gelernter Beruf, vor dem sehr viele im Ort richtig Respekt hatten.

      »Nun schrei doch nur nicht diesen blöden Namen mitten in der Nacht durch die ganze Stadt!«

      Angela hob empört die Augen zu dem Bruder, der sich jetzt noch weiter aus dem Fenster beugte. Im Mondlicht leuchtete des zwölfjährigen Till borstenartig geschnittenes Haar ein wenig rötlich.

      Unwillkürlich fuhr sich das Mädchen an den Kopf.

      Anders frisieren sollte ich mich, dachte sie, ja, völlig anders. Ein Knoten sähe überhaupt besser aus für eine Arzthelferin. Aber es war nun einmal praktisch, die kurzen goldroten Locken mit einer runden Spange einfach ein wenig am Hinterkopf hochzuschieben, ein Tüchlein darumwickeln oder manchmal auch ein Schleifchen zu binden. Die naturgewellten weichen Locken wirkten dann aber eben wie ein Schopf.

      Schopf war praktisch!

      Und »Schöpfle« war der Kosename gewesen, den die leider früh verstorbene süddeutsche Mama ihr gegeben hatte.

      Aber auch eine Mama tut nicht immer das Richtige!

      Angela schüttelte den Kopf ein wenig.

      Wenn ich einmal Mutter sein werde…

      »Mach, daß du ins Bett kommst!« rief sie dem Bruder zu, der grinsend von oben herabschaute.

      »Denkste!« Till machte es sich allem Anschein nach behaglich auf der Fensterbank. »Es passiert was mitten in der Nacht, und ich soll nicht dabeisein? Wo ich doch Reporter werden will!«

      »Aber das dauert noch eine Zeit!« Jetzt war Angela die Überlegene. »Wenn du nächsten Ostern noch mal sitzenbleibst, dann…«

      In diesem Augenblick unterbrach Dr. Kilian die geschwisterliche Auseinandersetzung.

      »So, komm, Angela, wir wollen fahren!«

      *

      »Tot!« sagte der Wachtmeister, als Dr. Kilian den Wagenschlag aufriß. »Hier kommt wohl jede ärztliche Hilfe zu spät, Herr Doktor!«

      Angelas Augen starrten durch die Windschutzscheibe auf das vor ihr liegende Straßenstück.

      Es war ihr bekannt wie ihr Vaterhaus. Rechts bog die breite Kastanienallee nach Schloß Hallermünde ab, geradeaus ging es weiter nach Waldhagen, wo der größte Teil von Paps’ Patienten wohnte.

      Angela zitterte. Sie fühlte selber nicht, wie ihre Lippen flatterten, als sie jetzt ausstieg. Vielleicht brauchte Paps seine Tasche.

      Doch Dr. Kilian hatte sich schon über zwei leblose Körper gebeugt, die auf der Straße lagen. Als erfahrener Unfallarzt konnte er nur das Urteil des Wachtmeisters bestätigen.

      Aber…

      Angela traute ihren Augen nicht. Da hockten doch – ein wenig verstört und mit weit aufgerissenen Augen – zwei Kinder am Straßenrand!

      Angela trat auf die Kinder zu. »Was tut ihr denn hier?«

      »Wir leben!« erklärte da der Junge, der wenig jünger als Till sein mochte, jetzt aber einen sehr kindlichen Eindruck machte. Sein Gesicht war nicht nur vom Mondlicht so entetzlich bleich.

      »Wir leben!« piepste die Stimme des neben ihm sitzenden kleinen Mädchens, das mit schwarzen Augen Angela ins Gesicht starrte.

      »Und wie kommt ihr hierher?«

      »Na, von dorther!« Der Junge wies auf den zertrümmerten Wagen.

      »Aus dem Wagen mit…« Angela fuhr sich über die Augen.

      »Daddy und Mummie sind tot!« erklärte der Junge fast ungerührt, obgleich sein Gesicht noch immer verstört wirkte.

      »Ja, aber…«

      Angela kniete sich jetzt zwischen die beiden Kinder, legte um jedes von ihnen einen Arm und zog sie so dicht zu sich, daß die Kinder nicht sehen konnten, wie man die Toten jetzt auf Tragen bettete und sie in den Unfallwagen schob.

      »Na ja!« Angela spürte plötzlich, wie sich der helle Bubenkopf hob, den sie gegen die Schulter gepreßt hielt. »Das ist natürlich schrecklich, wenn sie nicht mehr leben. Aber…« Der Junge zuckte die Achseln – »eigentlich kennen Micky und ich sie gar nicht richtig. Das waren doch nur auf dem Papier unsere Eltern!«

      »Ja, auf dem Papier!« echote das kleine Mädchen mit den schwarzen Augen.

      Was Eltern, die nur auf dem Papier standen, bedeuteten, konnte Angela nicht ganz ermessen. Als Mama starb, war es schrecklich für sie alle gewesen. Und der schönste Kosename, den Paps ihr geben konnte, war ›Kleine Mama‹ oder auch ›meine kleine Doktorin‹! Ja, das war schon etwas, wenn Paps das sagte!

      Und nun gab es hier Kinder, deren Eltern ›nur auf dem Papier standen‹ und deren Tod man deshalb nicht so tragisch zu nehmen


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