Dracula. Bram StokerЧитать онлайн книгу.
Bram Stoker
Dracula
Aus dem Englischen übersetzt von Ulrich Bossier
Nachwort von Elmar Schenkel
Reclam
2012, 2020 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Covergestaltung: Anja Grimm Gestaltung
Coverabbildung: © shutterstock.com / Channarong Pherngjanda (Fledermaus); © shutterstock.com / Golden Shrimp (Hand)
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2020
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-961699-5
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020352-1
Inhalt
Meinem lieben Freund Hommy-Beg
Wie diese Blätter entstanden und warum sie gerade so angeordnet sind, ergibt sich aus der Lektüre. Alles nicht zur Sache Gehörige wurde getilgt. Das Geschehen erscheint in treustmöglicher Wiedergabe, denn sie fußt auf den Berichten Beteiligter. Die üblichen Veränderungen und Verzerrungen, welche eine größere zeitliche Distanz zum Erlebten mit sich bringt, dürften sich so in engen Grenzen halten. Es handelt sich durchweg nicht um ein Erinnern an weit zurückliegende Dinge, das sich ja sehr leicht irrt. Alle Personen, die hier zu Worte kommen, haben ihre Aufzeichnungen unter dem noch frischen Eindruck der Ereignisse gefertigt – aus ihrer damaligen Sichtweise und ihrem damaligen Wissensstand heraus.
Erstes Kapitel
Jonathan Harkers Tagebuch
Stenogramm
3. Mai. Bistritz. – Abfahrt München 1. Mai, 8.35 abends. Ankunft Wien in den frühen Morgenstunden. Planmäßige Ankunft 6.46, hatten aber eine Stunde Verspätung. Budapest scheint eine herrliche Stadt zu sein; das wenige, das ich aus dem Zugfenster und dann auf einem kurzen Spaziergang sah, sprach jedenfalls dafür. Ich mochte mich nicht gar zu weit vom Bahnhof entfernen; wir waren spät eingetroffen und wollten so pünktlich wie möglich weiterfahren. Einen Eindruck immerhin gewann ich: Wir verließen den Westen und kamen in den Osten. Über die westlichste der prächtigen Brücken, welche die hier geradezu majestätisch breite und tiefe Donau queren, gelangten wir in Gebiete, die erkennen ließen, dass sie einmal unter türkischer Herrschaft standen.
Wir fuhren einigermaßen pünktlich los und erreichten nach Einbruch der Nacht Klausenburg. Ich nahm Quartier im Hotel Royal. Zum Diner oder vielmehr Souper servierte man mir ein Huhn in besonderer Zubereitung, gewürzt mit rotem Pfeffer. Es schmeckte großartig, machte aber gewaltigen Durst. (NB: Rezept für Mina besorgen.) Ich fragte den Kellner, und er sagte, man nenne es Paprikahendl; es sei ein Nationalgericht und in den Karpaten außerordentlich verbreitet. Meine paar Brocken Deutsch kamen mir jetzt sehr zustatten; ohne sie hätte ich wohl ziemlich hilflos dagestanden.
In London hatte ich vor meiner Abreise noch etwas Zeit zur Verfügung gehabt, die ich nutzte, um mich ein wenig kundig zu machen über Transsilvanien. Ich besuchte das Britische Museum und studierte Bücher und Karten. Schließlich müsste ich bald mit einem Edelmann jenes Landes verkehren, und da konnte, so dachte ich bei mir, eine gewisse Kenntnis der Landeseigenheiten nicht schaden. Der Distrikt, den er mir genannt hatte, lag nun im äußersten Osten des Landes: dort, wo sich die Grenzen dreier Provinzen – Transsilvanien, Moldau und Bukowina – treffen, mitten in den Karpaten; also in einer der wildesten und am wenigsten bekannten Bergregionen Europas. Leider hatten die vorliegenden Materialien nicht die Exaktheit unserer Generalstabskarten; kein Wunder also, dass man aus ihnen nicht ersehen konnte, wo Schloss Dracula genau liegt. Immerhin aber erfuhr ich, dass Bistritz, wohin Graf Dracula sich seine Post senden lässt, ein ziemlich bekannter Ort