Wir bauen eine Krise. Rainer RunzerЧитать онлайн книгу.
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Rainer Runzer, Christian Bernadotte
Wir bauen eine Krise
© 2015 Rainer Runzer, Christian Bernadotte
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN
Paperback: | 978-3-7323-7771-8 |
Hardcover: | 978-3-7323-7772-5 |
e-Book: | 978-3-7323-7773-2 |
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BAUANLEITUNG TEIL I
Wir bauen eine Krise
Vorwort
Wer hätte nicht gern eine Krise? Mächtig ist schon das Wort. Wer es Ausspricht und somit für sich in Anspruch nimmt, macht unmissverständlich klar, dass in seinem Leben etwas von immenser Bedeutung vorgeht. Es macht aus einem normalen Menschen eine Person die Beachtung findet, weil die Sache um die es geht von Außerordentlichkeit geprägt ist. Eine Krise durchbricht die Normalität und ist nicht einfach mit einem Federstrich erledigt. Die Energie, die sie fordert ist mindestens mit einem Halbmarathon zu vergleichen. Sie bringt alle Varianten an Gefühlen hervor.
Vom erhitzten Gemüt über den feuerroten Kopf mit Schweißausbruch bis hin zur blutleeren Variante mit Todesstarre ist alles enthalten.
Wer in einer Krise steckt, der mobilisiert sämtliche Ressourcen. Die eigenen wie die von Sympathisanten und Mitstreitern. Je größer diese Gruppe der Krisenanhänger ist, desto bedrohlicher wird das Szenario. Sollte die Gefolgschaft ebenso der bedrohlichen Situation ohne Lösungsansatz gegenüberstehen, wird das Ganze zu einem gemeinsamen Großprojekt. Jeder kann nun seine eigenen Befürchtungen mit einbringen. Das Ergebnis ist eine Bedrohung, die so gewaltig zu sein scheint, dass sie sich jeglicher Überprüfung entzieht.
Eine Krise zeichnet sich durch hohe Brisanz und Dringlichkeit aus, eine sogenannte Deadline ist im Anmarsch, die immer schneller näher kommt. Die fatalen Folgen rücken immer näher und scheinen unausweichlich. Ein Lösung muss her: Schnell. Am besten Vorgestern. Wenn jedoch alle gängigen Lösungsansätze versagen, folgen Angst, Panik, Todesstarre. Die Krise ist perfekt.
Was ist also eine Krise?
Eine dringende Problem-Situation, in der unsere bekannte Lösungsstrategien nicht zum gewünschten Ergebnis führen.
Was ist der Auslöser?
Ein Wunsch, Ziel oder ganz einfach eine Vorstellung vom Leben. Ob es nun darum geht, etwas zu verhindern, zu beseitigen oder es zu erreichen, spielt für diese Definition vorerst keine Rolle.
Was macht eine Krise so grauenvoll?
Zum einen die Tatsache, dass wir alles versucht haben und unser Ziel trotzdem nicht erreichen. Zum anderen die immer näher kommende Klarheit des definitiven Versagens. Ob menschlich, körperlich, wirtschaftlich oder einfach das Ende an sich.
Für was ist die Krise nützlich?
Ist sie eine Laune der Natur, ein menschliches Fehlverhalten oder sogar eine Anomalie? Steckt dahinter ein größerer Plan?
Ja, eine Krise ist nützlich. Tatsächlich ist sie ein Mittel zum Zweck, nämlich der Veränderung. Um etwas philosophischer zu werden: Veränderung ist die einzige sichere Konstante unserer Realität. Alles ist in Bewegung. Selbst Gebirge wachsen und schrumpfen mit den Jahrtausenden. Ab einem bestimmten Alter kann man dies Selbst im Spiegel beobachten, da ist plötzlich eine Falte da, die gestern noch nicht existierte, oder für Männer ein blanke Stelle wo gestern noch ein Haar war.
Leben heißt Veränderung und den eigenen Standpunkt zu verlassen gelingt über zwei unterschiedliche Möglichkeiten. Die Krise ist eine davon.
Eine Vermeidungsstrategie
Wie häufig hören wir Klagen von anderen, die sich über Ihr Leben beschweren und dennoch nichts ändern? Sie haben Probleme. Aber Probleme zwingen uns noch nicht, uns zu verändern. Wir können sie ertragen und aussitzen. In der Hoffnung, dass sie sich irgendwann von selbst lösen. Erst eine Krise, die Königin aller Problem-Situationen, zwingt uns zur Veränderung.
Wie?
In meinen Seminaren benutze ich dafür folgendes Bild:
Problem-Situationen sind wie ein Becken, das mit Gülle gefüllt ist. Wir stehen mit beiden Füßen mitten in dieser unangenehmen Flüssigkeit. Der Gestank stört uns, doch steigen wir nicht aus. Warum? Weil diese Position zwei Vorteile hat: Die Gülle wärmt und bietet einen festen Stand.
Mit anderen Worten: Problem-Situationen geben uns eine gewisse Form von Sicherheit, denn wir wissen, mit ihnen umzugehen. Wir sind sozusagen gewohnt mit der Unwegsamkeit zu leben.
Eine Krise hingegen drückt uns tiefer in das Becken. So tief, dass der Unangenehme über die Nasenspitze steigt und wir nicht mehr atmen können. Die Situation wird unerträglich und lebensbedrohlich. Erst jetzt bieten wir unsere ganze Kraft auf, um aus dem Becken zu steigen. Wenn es nicht mehr anders geht.
Ich durfte eine interessante Beobachtung machen: ein Großteil der Menschen, die ich fragte, was sie von ihrem Leben erwarten, sagten mir:
„Ich möchte zufrieden sein“ und dies meist mit einem Gesichtsausdruck, der klar zu Verstehen gibt, dass sie dort noch nicht angekommen sind. Ob sie jetzt nur Probleme haben oder schon eine Krise, ist nicht von Belang.
Ist Zufriedenheit wirklich schon das Ende der Fahnenstange? Oder ist sie nicht ein anderer Ausdruck dafür, sich mit seiner Situation abzufinden und das Mögliche auf die realistische Größe zu minimieren? Frage ich nach den Lebensträumen und -vorstellungen (am besten aus der Kindheit), so werden diese mit pseudorealistischen Argumenten in die Tonne getreten oder auf den „St. Nimmerleinstag“ verschoben.
„Ich will Spaß und Freude haben, erfolgreich sein, mit Begeisterung und Leidenschaft leben.“ Warum? Verdiene ich das? Ist ein solches Leben vorstellbar?
Es erscheint uns als eine Utopie, eine romantische, alberne, naive und egoistische Wunschvorstellung. Von Sorgen, Problemen und Krisen des Alltags getrübt, erscheinen uns diese Wünsche als Utopien.
Sollte aber die Verwirklichung unserer Lebensträume- und Vorstellungen nicht der dringendste unserer Wünsche sein? Wollen wir wirklich in unseren Problemen und tägliche Sorgen stecken bleiben? Ihre Wärme und den festen Stand genießen, bis sie zur Krise angewachsen sind? Wie viel Zeit haben wir, wenn es um unser Leben geht? Wann ist der beste Zeitpunkt, unsere Probleme zu lösen? Sie ahnen es: Heute. Denn was morgen ist, wissen wir alle nicht.
Wie kann uns nun die Krise dabei helfen, an diesen Punkt zu kommen?
Ganz einfach: Wir kreieren uns eine Krise, die uns zur Veränderung zwingt. Wir tricksen unser Unterbewusstsein aus, welches permanent den leichtesten Weg sucht. Indem wir tief in unsere Probleme eintauchen, erhöhen wir den Druck, auszusteigen. Wie häufig haben wir schon gehört, dass jemand nach der Krise sein Leben wieder in Hand genommen hat und es jetzt bewusst genießt?
Also auf in die Krise!
Klang das gerade logisch? Sicher. Aber ich fürchte, es ist totaler Schwachsinn.
Immerhin leben viele Menschen nach der Maxime: „Ohne Schweiß kein Preis.“ Das ist natürlich ein Weg, den man zu seinem Glück nehmen kann. Sicher müssen wir auf unserem Weg zum Glück auch schwierige