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Die vermauerte Frau. Henner KotteЧитать онлайн книгу.

Die vermauerte Frau - Henner Kotte


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      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek registriert diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten im Internet unter http://d-nb.de.

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      2012

      © mdv Mitteldeutscher Verlag GmbH, Halle (Saale)

       www.mitteldeutscherverlag.de

      Gesamtherstellung: Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale)

      1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014

      ISBN 9783954620524

      Inhalt

       Cover

       Titel

       Impressum

       Über den Autor

       „Ein Schauspiel ohnegleichen“

       „Wem sie just passieret …“

       Ein Hauch im Nacken

       Operationen am offenen Buch

       Hermes, Freund und Kupferstecher

       Der Zehnminutenraub

       Buntmetall

       Die Grimmaer Massenvergiftung

       Fridolin! Die Frauen streiken

       Ein Stein, ein Schuh, ein Strumpf, ein Kind

       Die vermauerte Frau

       Quellen

      Henner Kotte, geb. 1963 in Wolgast, Germanist und Autor, lebt seit 1984 in Leipzig und ist Kulturredakteur beim Stadtmagazin Blitz und seit 2001 Moderator der kriminalliterarischen Talkshow „Schwarze Serie“ in der Leipziger Moritzbastei.

      Der Dank des Autors gilt Christine Enderlein, Sächsisches Staatsarchiv, sowie Petra Hesse, Leipziger Universitätsarchiv.

       „Der Mensch ist ein Abgrund, es schaudert, wenn man hinabblickt“, schrieb Georg Büchner. Woyzeck ist der erste deutsche Dramenheld, der ein Asozialer war. Büchners Theaterstück gehört zum Kanon der Weltliteratur. Es ist Zufall, dass der Schriftsteller vom Mörder aus Leipzig erfuhr. Die Mediziner stritten: War Woyzeck zurechnungsfähig oder nicht? Eine Frage, die auch heute in Prozessen beantwortet werden muss. Der Kannibale von Rothenburg, die Mörder von Mitja und Michelle, Anders Breivik – sind sie für ihre Taten voll verantwortlich? War es Johann Christian Woyzeck?

      

Just am Morgen des Tattages, dem 2. Juni 1821, war auf dem Titel des Leipziger Tageblatts eine „Liebeserklärung im Geist der Zeit“ zu lesen: „Wer hätte Ihrem Grazienwuchs, Ihrer junonischen Haltung, Ihrem schmachtendgebietenden, bezaubernden Auge widerstehen, wer dem unbeschreiblich sanften Wallen Ihres Lockenreichthums, Ihrer Lilien- und Rosenblüthe und dem unbeschreiblichen Wohllaut Ihrer Stimme unempfindlich und vernünftig bleiben können? Ich konnte es nicht! Ich war ganz Empfindung, und mein Verstand war dahin, und mit ihm zugleich mein ganzes eigentliches Ich. Sie sind meine Göttin, meine Königin, mein Alles! Sie sind die magische Spindel, um welche sich für mich das Weltall dreht! O ziehen Sie mich vollends an sich, und ich bleibe meinem Magnet getreu bis zum letzten Hauche meines Lebens …“ Johann Christian Woyzeck hatte nicht widerstanden. Am Abend des 2. Juni nach neun Uhr stach er mit einem reparierten Messer seine Woostin nieder.

      „Er traf dieselbe Abends halb zehn auf dem Heimgange in ihre Wohnung auf der Sandgasse (heute Seeburgstraße); wurde von ihr zu derselben mitgenommen, im Eingange des Hauses aber durch einige beleidigende Worte von ihr zur Wuth gereizt, und in dieser unglückseligen Stimmung vollbrachte er die beschlossene Mordthat mit sieben Stichen mittelst des schon genannten Werkzeugs, von welchen Wunden die eine dergestalt gefährlich war, daß der Tod der Unglücklichen darauf erfolgte.“ Es ist Zufall, dass dieser Mord zu Leipzigs berühmtesten avancierte und Woyzeck zum Dramen- und zum Opernheld.

      „Johann Christian Woyzeck wurde im Jahre 1780 hier in Leipzig geboren, wo sein Vater, Stephan Majorewsky Woyzeck, aus Polen stammend, Friseur war, und so wie seine Gattin einen unbescholtenen Ruf hatte, denn beide haben den Namen rechtlicher und braver Leute mit ins Grab genommen. Woyzeck verlor seine Mutter bereits im achten, seinen Vater aber im dreizehnten Jahre seines Alters, und dieser frühe Verlust seiner Aeltern hat höchst wahrscheinlich einen nicht unbedeutenden Einfluss auf seine sittliche Bildung und sein nachmaliges Leben gehabt. Der Vater, dessen Metier zur damaligen Zeit noch in besonderen Schwunge war, und der demselben, als sorgsamer Hausvater, mit ausgezeichnetem Fleiße oblag, konnte sich zwar die Erziehung seines Sohnes nicht als eigenes Geschäft angelegen sein lassen, aber er that, was in solchen Fällen die Pflicht jedes braven Vaters ist, er sorgte für den Unterricht desselben, und brachte ihn in die damals zum Wohl begründete Raths-Freischule, und sowohl er selbst, als auch seine Gattin, hatten dem Knaben durch ihr sittliches Verhalten keine schlimmen Vorbilder gegeben, ihn auch überhaupt, so viel sie vermocht, auf eine gute Bahn zu leiten gesucht, so daß, wenn er das Glück gehabt hätte, bis in seine reiferen Jünglingsjahre unter ihren Augen zu leben und von ihnen auf dem betretenen Wege fortgeführt zu werden, sein Wandel vielleicht in vieler Hinsicht besser geworden seyn und ihn wenigstens nicht am Abgrund des Verderbens geführt haben würde. Der Beweis, daß seine empfangene frühere Richtung gut und wünschenswerth gewesen seyn müsse, tritt daraus zur Genüge hervor, daß er sich während seiner Lehrzeit – er widmete sich dem Metier seines verstorbenen Vaters – noch ziemlich vorwurfsfrei betragen, wiewohl ihm der Umstand, daß er seinen ersten Lehrherren, ohne ihn hinlänglich entschuldigende Gründe, von selbst verlassen, zu keinem Lobe gereichen kann. Einen widerspenstigen, wild aufbrausenden Charakter, der dem Guten widerstrebt hätte, oder ein herrschendes Hinneigen zu irgend einem Laster, wollen glaubhafte Personen, die ihn in jener Zeit gekannt und beobachtet, durchaus nicht an ihm bemerkt haben.

      In seinem achtzehnten Jahre begab sich Woyzeck in die Fremde, conditionirte, bald als Friseur, bald als Bedienter, in Wurzen, Berlin, Breslau,


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