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Schloss Gripsholm. Eine Sommergeschichte. Kurt TucholskyЧитать онлайн книгу.

Schloss Gripsholm. Eine Sommergeschichte - Kurt  Tucholsky


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      Kurt Tucholsky

      Schloss Gripsholm

      Eine Sommergeschichte

      Herausgegeben von Sabina Becker

      Reclam

      2020 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

      Covergestaltung: Anja Grimm Gestaltung

      Coverabbildung: © akg-images

      Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

      Made in Germany 2020

      RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

      ISBN 978-3-15-961778-7

      ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020612-6

       www.reclam.de

Schloss Gripsholm

       Wir können auch die Trompete blasen

      Und schmettern weithin durch das Land;

      Doch schreiten wir lieber in Maientagen,

      Wenn die Primeln blühn und die Drosseln schlagen,

      Still sinnend an des Baches Rand.

       Storm

       Für IA 47407

      Erstes Kapitel

      1

       ERNST ROWOHLT VERLAG

      BERLIN W 50

       PASSAUER STRASSE 8/9

       8. Juni

       Lieber Herr Tucholsky,

       schönen Dank für Ihren Brief vom 2. Juni. Wir haben Ihren Wunsch notiert. Für heute etwas andres.

       Wie Sie wissen, habe ich in der letzten Zeit allerhand politische Bücher verlegt, mit denen Sie sich ja hinlänglich beschäftigt haben. Nun möchte ich doch aber wieder einmal die ›schöne Literatur‹ pflegen. Haben Sie gar nichts? Wie wäre es denn mit einer kleinen Liebesgeschichte? Überlegen Sie sich das mal! Das Buch soll nicht teuer werden, und ich drucke Ihnen für den Anfang zehntausend Stück. Die befreundeten Sortimenter sagen mir jedes Mal auf meinen Reisen, wie gern die Leute so etwas lesen. Wie ist es damit?

       Sie haben bei uns noch 46 RM gut – wohin sollen wir Ihnen die überweisen?

       Mit den besten Grüßen

       Ihr

       (Riesenschnörkel) Ernst Rowohlt

       10. Juni

       Lieber Herr Rowohlt,

      Dank für Ihren Brief vom 8. 6.

       Ja, eine Liebesgeschichte … lieber Meister, wie denken Sie sich das? In der heutigen Zeit Liebe? Lieben Sie? Wer liebt denn heute noch?

       Dann schon lieber eine kleine Sommergeschichte.

       Die Sache ist nicht leicht. Sie wissen, wie sehr es mir widerstrebt, die Öffentlichkeit mit meinem persönlichen Kram zu behelligen – das fällt also fort. Außerdem betrüge ich jede Frau mit meiner Schreibmaschine und erlebe daher nichts Romantisches. Und soll ich mir die Geschichte vielleicht ausdenken? Phantasie haben doch nur die Geschäftsleute, wenn sie nicht zahlen können. Dann fällt ihnen viel ein. Unsereinem …

       Schreibe ich den Leuten nicht ihren Wunschtraum (›Die Gräfin raffte ihre Silber-Robe, würdigte den Grafen keines Blickes und fiel die Schlosstreppe hinunter‹), dann bleibt nur noch das Propplem über die Ehe als Zimmer-Gymnastik, die ›Menschliche Einstellung‹ und all das Zeug, das wir nicht mögen. Woher nehmen und nicht bei Villon stehlen ?

       Da wir grade von Lyrik sprechen:

      Wie kommt es, dass Sie in § 9 unsres Verlagsvertrages 15 Prozent honorarfreie Exemplare berechnen? So viel Rezensionsexemplare schicken Sie doch niemals in die Welt hinaus! So jagen Sie den sauern Schweiß Ihrer Autoren durch die Gurgel – kein Wunder, dass Sie auf Samt saufen, während unsereiner auf harten Bänken dünnes Bier schluckt. Aber so ist alles.

       Dass Sie mir gut sind, wusste ich. Dass Sie mir für 46 RM gut sind, erfreut mein Herz. Bitte wie gewöhnlich an die alte Adresse. Übrigens fahre ich nächste Woche in Urlaub.

       Mit vielen schönen Grüßen

       Ihr

       Tucholsky

      ERNST ROWOHLT VERLAG

      BERLIN W 50

      PASSAUER STRASSE 8/9

       12. Juni

       Lieber Herr Tucholsky,

      vielen Dank für Ihren Brief vom 10. d. M.

      Die 15 % honorarfreien Exemplare sind – also das können Sie mir wirklich glauben – meine einzige Verdienstmöglichkeit. Lieber Herr Tucholsky, wenn Sie unsre Bilanz sähen, dann wüssten Sie, dass es ein armer Verleger gar nicht leicht hat. Ohne die 15% könnte ich überhaupt nicht existieren und würde glatt verhungern. Das werden Sie doch nicht wollen.

       Die Sommergeschichte sollten Sie sich durch den Kopf gehn lassen.

      Die Leute wollen neben der Politik und dem Aktuellen etwas haben, was sie ihrer Freundin schenken können. Sie glauben gar nicht, wie das fehlt. Ich denke an eine kleine Geschichte, nicht zu umfangreich, etwa 15–16 Bogen, zart im Gefühl, kartoniert, leicht ironisch und mit einem bunten Umschlag. Der Inhalt kann so frei sein, wie Sie wollen. Ich würde Ihnen vielleicht insoweit entgegenkommen, dass ich die honorarfreien Exemplare auf 14 % heruntersetze.

       Wie gefällt Ihnen unser neuer Verlagskatalog ?

       Ich wünsche Ihnen einen vergnügten Urlaub und bin mit vielen Grüßen

       Ihr

       (Riesenschnörkel) Ernst Rowohlt

       15. Juni

       Lieber Meister Rowohlt,

       auf dem neuen Verlagskatalog hat Sie Gulbransson ganz richtig gezeichnet: still sinnend an des Baches Rand sitzen Sie da und angeln die fetten Fische. Der Köder mit 14 % honorarfreier Exemplare ist nicht fett genug – 12 sind auch ganz schön. Denken Sie mal ein bisschen darüber nach und geben Sie Ihrem harten Verlegerherzen einen Stoß. Bei 14 % fällt mir bestimmt nichts ein – ich dichte erst ab 12 %.

       Ich schreibe diesen Brief schon mit einem Fuß in der Bahn. In einer Stunde fahre ich ab – nach Schweden . Ich will in diesem Urlaub überhaupt nicht arbeiten, sondern ich möchte in die Bäume gucken und mich mal richtig ausruhn.

      Wenn ich zurückkomme, wollen wir den Fall noch einmal bebrüten. Nun aber schwenke ich meinen Hut, grüße Sie recht herzlich und wünsche Ihnen einen guten Sommer! Und vergessen Sie nicht: 12 %!

       Mit vielen schönen Grüßen


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