Perry Rhodan Neo Story 6: Im System des Roten Riesen. Alexander HuiskesЧитать онлайн книгу.
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NEO-Story 6
Im System des
Roten Riesen
Eine PERRY RHODAN NEO-Erzählung
von Alexander Huiskes
Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Tatjana Michalowna ist ein besonderer Mensch: Die junge Russin kann die Gedanken von anderen Menschen lesen, ebenso von fremden Lebewesen. Sie zählt zu jenen Personen, die im Jahr 2036 mit Perry Rhodan ins All vorstoßen und auf kosmische Geheimnisse stoßen. Auf der Jagd nach dem ewigen Leben trifft sie auf seltsame Lebewesen.
Als sie mit dem sogenannten Weltenspalter konfrontiert wird, einer monströsen Vernichtungswaffe, schleudert dieser ihr körperloses Bewusstsein hinaus in Zeit und Raum. Sie stürzt in die Vergangenheit und strandet in einem fremden Körper.
Während sie mehr über uralte Sternenkriege erfährt, will sie nur noch eines: zurück in ihren Körper und in die Gegenwart. Doch die Mauern der Zeit scheinen massiv und tödlich zu sein ...
Prolog
Gleißende Funken rasten um den Rand des Weltenspalters, berstend vor Energie; es wurden immer mehr. Alles war wie in der Simulation und doch vollkommen anders.
Tatjana Michalowna krümmte sich zusammen. Sie keuchte vor Schmerz.
»Es ...«
Kapitel 1
Milchhaut
Es war vollkommen überwältigend, und das nicht im positiven Sinne.
Tatjana Michalowna sah den Weltenspalter und spürte plötzlich eine ungeheure Kraft, die davon ausging und die weit jenseits dessen lag, was sie sich vorzustellen vermocht hatte. Sie wollte schreien, die anderen warnen ... aber ihr Mund gehorchte ihr nicht mehr.
Gedanken drangen auf sie ein, ferne, fremde Gedanken, die so unverständlich im Einzelnen, aber so unverstellt machtvoll in der Gesamtaussage waren: Finde! Sieh! Hilf!
Sie spürte, wie die Gedanken sie einspannen und dann mit einem einzigen Ruck wegrissen. Sie dachte an ihre Kindheit zurück, an die kalten Winter, in denen Vater ihr immer heiße Milch gegeben hatte, wenn sie kalt gefroren hereinkam. Und sie erinnerte sich genau daran, wie sie stets angeekelt die dünne Haut abgezogen und weggeworfen hatte, welche stets die Milch bedeckte.
Genau wie jener Haut erging es nun ihrem Bewusstsein: Es lag auf ihrem Gehirn wie die Haut auf heißer Milch, aus dieser hervorgegangen und dazu gehörig, aber jemand – oder etwas – zerrte sie davon herunter und schleuderte sie weg. Sie fragte nicht, wie so etwas sein konnte, weil sie wusste, dass es darauf keine einfache Antwort geben würde, nicht einmal eine beruhigende, und so beschloss sie, ihr Schicksal in diesen Augenblicken einfach hinzunehmen.
Ihr Bewusstsein trennte sich vom Körper. Ihre Milchhaut wurde einfach so abgezogen und fortgeschleudert. Aber von wem ... und wohin?
Sie sah nichts. Sie hörte nichts. Sie roch nichts.
Nichts, das eines Körpers bedurfte.
Aber sie wusste, dass etwas mit ihr passierte, von dem sie bisher nicht gewusst hatte, dass es überhaupt ging.
Fassungslos bemerkte sie, wie sich ihr körperloses Bewusstsein immer weiter von dem entfernte, was andere als Tatjana Michalowna kannten und das in diesem Moment nicht mehr als eine Hülle war.
Was geschieht mit mir?
Sie rauschte durch ein Meer von Gedanken, die nur von den Orgh stammen konnten, so fremdartig und doch mittlerweile vertraut klangen sie in ihren Ohren – dabei hatte sie doch gar keine Ohren mehr. Aber sie sprachen auch nicht mit Mündern, und all das schien ihr auf geradezu bizarre Art normal.
Primus ... Bestand des Volkes ... Sekundus ... Sicherheit ... Tertius ... Wohlstand, Nahrung, Besitz ... Aktierier ... Quartus ... Fortschritt ... Ruhm und Anerkennung ... Quintus ... Quinquagesimus ... Exekutale ... Die Begriffe umwirbelten sie, manchmal klangen sie beinahe sinnvoll im Zusammenspiel – wie eine Hierarchie.
Maslows Bedürfnispyramide kam ihr in den Sinn, die sie in jungen Jahren hatte lernen müssen und von der sich nur Erinnerungsfetzen gehalten hatten. Das Denken der Orgh funktionierte ebenso hierarchisch, aber war komplett anders aufgebaut.
Moment ... Wie war das noch bei Maslow gewesen? Sie erinnerte sich an die physiologischen Bedürfnisse, die das Fundament der Pyramide bildeten. Sobald sie erfüllt waren, öffneten sich andere Zielebenen. Was war es noch gewesen? Sicherheit kam als Nächstes, glaubte sie, und ganz oben stand ... Selbstverwirklichung? Die Orgh hatten garantiert noch nie von Maslow gehört; sogar Tatjana hatte ihn lange für einen Russen gehalten, bis sie erfahren hatte, dass er US-Amerikaner gewesen war – was ihn im Ansehen der russischen Volksseele wieder fallen ließ.
Tatjana erinnerte sich gut daran ... an ...
Es war weg.
Woran hatte sie gerade gedacht?
Ein leiser, kristalliner Ton glitzerte in der Ferne und kroch an ihr empor. Finde uns! Sieh! Hilf!
Was wollt ihr von mir?
Die Schwärze ringsum wurde dunkler, obwohl das weder möglich war, noch von ihr wahrgenommen werden konnte, aber es war das, was sie dachte.
Komm! Finde uns! Hilf!, klingelte die Kristallstimme.
Es war so ... stark. Es verlockte und verstieß.
Wo war sie? Wo war ihr Körper, und wo hielt sich ihr Bewusstsein auf? Konnte beides getrennt voneinander existieren, oder erlebte sie gerade den eigenen Tod mit? Ob es irgendwo im Universum eine Spezies wie die Fantan gab, die mit Bewusstseins-Besun handelten? Nichts schien sich ausschließen zu lassen, seit sie diese schreckliche, wundervolle Reise mit Crest und Trker-Hon angetreten hatte, und erst recht, seit sie auf diesem Planeten gelandet und auf den Weltenspalter gestoßen waren.
Sie spürte mit Sinnen, die körperlos waren, wie die Milchhaut, die sie war, davongeschleudert wurde, energisch, trudelnd, ziellos. Sie versuchte sich zu konzentrieren: Es musste doch möglich sein, zumindest ein wenig Kontrolle zurückzugewinnen! Wenn es die körperliche Tatjana geschafft hatte, ihren Geist zu fokussieren, konnte es doch für das reine Bewusstsein keine Herausforderung sein.
Sie visualisierte eine Kerzenflamme in der Finsternis, und tatsächlich glomm plötzlich im Nichtsehen ein Licht auf. Der Geist war imstande, sich selbst zu betrügen und eine Vorstellung von Wahrnehmung zu erzeugen. Sie ließ das Licht näher rücken, versuchte Farbe, Struktur und Bewegung der Flamme zu erkennen und spürte, wie sie ruhiger wurde.
Ihr Geist entspannte sich, sodass sie ihn wieder fühlte. Etwas kehrte zurück, wie ein Fussel, der sich verfangen hatte.
Maslow.
Maslow, Abraham.
Was sollte dieser Name?
Nach einigen Momenten, in denen sie ihre ganze Milchhaut ertastete, begriff sie, wie trügerisch ihre Reise war: Etwas – die vermutete Bewegung, die Zeit, das Fehlen des Körpers, sie wusste es nicht und hatte auch keinerlei Möglichkeit, es herauszufinden – fraß sie von den Rändern her auf, wie ein Stoff, dem man den Kettelfaden herauszog. Es geschah langsam, aber sie konnte spüren, wie ihr Bewusstsein ausfranste, wie Gedanken und Erinnerungen zunächst vage wurden und dann verschwanden.
Wer war Abraham Maslow?
Panik ergriff sie, und im gleichen Moment erlosch auch die Kerzenflamme. Es wurde erneut finster.
Hilfe!, schrie sie mit ihrer körperlosen Stimme. Hilfe!
Dann, ob als Reaktion darauf oder als Laune des Schicksals, spürte sie, wie etwas ewigkalt – ein passenderer Begriff dafür kam ihr nicht in den Sinn – nach ihr schnappte. Was immer es sein mochte, es war groß und fremd und gefährlich, so viel begriff sie. Sie bot alle Konzentration auf, zu der sie noch fähig war, und