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Nichts gegen Iren. Ralf SotscheckЧитать онлайн книгу.

Nichts gegen Iren - Ralf Sotscheck


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      Ralf Sotscheck

      Nichts gegen Iren

      Psychogramm eines komischen Volkes

      Mit Illustrationen von

      © TOM

      FUEGO

      - Über dieses Buch -

      Wie hat es dieses rothaarige, sommersprossige und ständig betrunkene Volk am Rande Europas bloß geschafft, zu einer der reichsten Nationen der Welt zu werden? Anfang der neunziger Jahre begann Irlands Wirtschaftsboom, 2008 war es damit wieder vorbei. Irland sei eine Art Schlaraffenland, schrieb die polnische Presse, und das haben mehr als 200.000 Polen geglaubt. Der Schrei des keltischen Tigers, wie das irische Wirtschaftswunder genannt wird, hat sie auf die Grüne Insel gelockt. Dort machen sie nun fünf Prozent der Bevölkerung aus und wundern sich, auf was sie sich eingelassen haben.

      Der Dichter G. K. Chesterton schrieb einmal: »Die großen Gälen von Irland sind die Menschen, die Gott verrückt gemacht hat, denn alle ihre Kriege sind fröhlich und alle ihre Lieder sind traurig.« Und Sigmund Freud hat behauptet, dass die Iren das einzige Volk seien, dem durch Psychoanalyse nicht zu helfen sei. Sie seien voller Widersprüche und immun gegen rationale Denkprozesse.

      Während sich die Iren vehement und zu recht dagegen wehren, mit den Briten in einen Hut geworfen zu werden, vereinnahmen sie gerne erfolgreiche Ausländer und machen sie zu Iren wider Willen. Der bisher letzte in dieser Reihe ist der neue US-Präsident Barack Obama: Die Iren haben herausgefunden, dass sein Ur-Ur-Urgroßvater aus dem winzigen Nest Moneygall in der vergessenswerten Grafschaft Offaly stammte und haben ihn prompt adoptiert - ebenso wie 21 seiner Vorgänger.

      Es ist Zeit, die Wahrheit über die Iren zu erzählen. Der Autor ist einer von ihnen. Ralf Sotscheck, ein Berliner mit irischen Pass.

      Ein komisches Volk

      Der Ire an sich

      Eine Vorbemerkung

      Irland ist eine Insel und liegt westlich von Großbritannien. Soweit sind sich alle einig. Doch die Insel besteht aus dem Staat Irland und aus Nordirland, das zum Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland gehört. Wenn die Nordiren von ihrer Heimat sprechen, weiß man sofort, welcher Religion sie angehören: Unionistische Protestanten, die für den Verbleib bei Großbritannien sind, sprechen von Ulster. Das ist eine der vier irischen Provinzen, aber sie umfasst neben den sechs nordirischen Grafschaften auch drei Grafschaften, die zur Republik Irland gehören. Katholische Nordiren, die für die Wiedervereinigung beider Teile Irlands sind, nennen Nordirland deshalb »die sechs Grafschaften« oder einfach nur »The North«.

      »Eire« ist der irische Name für die Republik Irland, er steht auch auf den Briefmarken. »Die pro-britische Mehrheit Nordirlands verwendet aus naheliegenden Gründen den Terminus ›Irland‹ für die Republik Irland nicht gerne«, schreibt Frank McNally in seinem Xenophobe´s Guide To The Irish. »Obwohl sie keine besonderen Sympathien für die irische Sprache hegen, benutzen sie oft den Namen ›Eire‹ im Englischen. Das wird von den Menschen in der Republik Irland als Beleidigung aufgefasst, und als solche ist es von den Unionisten auch gemeint, obwohl beide Seiten große Schwierigkeiten hätten, die Gründe dafür zu erklären.« Manchmal sagen die Nordiren auch einfach »The South«, wenn sie die Republik Irland meinen, obwohl der nördlichste Punkt des Südens – nämlich die Grafschaft Donegal – nördlicher liegt als der nördlichste Punkt des Nordens.

      Möglicherweise hat Sigmund Freud also recht mit seiner Behauptung, dass die Iren das einzige Volk seien, dem durch Psychoanalyse nicht zu helfen sei. Sie seien voller Widersprüche und immun gegen rationale Denkprozesse. Und der englische Dichter G. K. Chesterton schrieb einmal: »Die großen Gälen von Irland sind die Menschen, die Gott verrückt gemacht hat, denn alle ihre Kriege sind fröhlich und alle ihre Lieder sind traurig.«

      Ob jemand Ire oder Brite ist, hängt manchmal von anderen Dingen als dem Geburtsort ab. Als die Schauspielerin Brenda Fricker mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, war über Nacht vergessen und vergeben, dass sie Irin ist. Sie wurde von den britischen Medien als Britin vereinnahmt. »Wenn du sturzbesoffen auf einem Flughafen herumlümmelst, bist du Ire«, stellte sie fest. »Gewinnst du aber einen Oscar, bist du Brite.« Und Seamus Heaney fand sich, nachdem er den Literatur-Nobelpreis gewonnen hatte, plötzlich in einer Anthologie britischer Dichtung wieder. Er schrieb prompt ein Protestgedicht.

      Noch unverfrorener funktioniert das im Sport. Der englische Sportkommentator Harry Carpenter machte sich über den irischen Golfspieler Christy O’Connor lustig, der nach der ersten Runde bei den britischen Open auf dem vorletzten Platz lag. Nach einer sensationellen letzten Runde war der flugs naturalisierte »britische Golfer O’Connor« plötzlich vorne. Und als die englische Fußball-Nationalmannschaft bei den Europameisterschaften 1988 in Deutschland gegen das irische Team ausschied, wurden die Iren umgehend zur »englischen B-Mannschaft« erklärt.

      Andererseits neigt auch der Ire dazu, berühmte Ausländer für sich zu vereinnahmen – zum Beispiel Regierungschefs. Charles de Gaulle war eigentlich Ire, denn er hatte eine irische Urgroßmutter, und die Hälfte aller US-Präsidenten hat ebenfalls irische Wurzeln, von Washington und Jackson über Roosevelt und Kennedy bis hin zu Nixon, Reagan, Clinton und den Bushs. Natürlich ist auch Barack Obama im Grunde Ire. Der Pfarrer von Moneygall, einem Kaff in der Grafschaft Offaly, hat herausgefunden, dass ein Fulmuth Kearney in Moneygall geboren ist. Sein Vater war Schuhmacher. Mitte des 19. Jahrhunderts herrschte in Irland eine furchtbare Hungersnot. So wanderte Fulmuth am 20. März 1850 an Bord der S.S. Marmion nach Amerika aus, er war damals 19. Er ließ sich in Ohio nieder und hatte mit seiner Frau acht Kinder. Eine der Töchter, Mary Ann, heiratete einen Jacob Dunham 1890 in Kansas. Deren Sohn Ralph Dunham hatte einen Sohn, Stanley Dunham, der wiederum eine Tochter hatte: Ann Dunham. Die heiratete einen Kenianer, der in Hawaii studierte und Barack Obama Senior hieß. Deren Sohn, der US-Präsident, ist also der Ur-Ur-Urenkel von Fulmuth Kearney aus Moneygall. Nun nennen sie ihn O’Bama in Irland.

      Nur der Herzog von Wellington, der in Dublin geboren ist und später Napoleon besiegte, wehrte sich gegen die Zwangsirisierung. Als er in einer Zeitung als Ire bezeichnet wurde, empörte er sich: »Wer in einem Stall geboren ist, muss noch lange kein Pferd sein.« Aber 45 Millionen US-Ame­ri­kaner berufen sich freiwillig auf irische Wurzeln. »Das weist entweder auf einen phänomenalen Erfolg bei der Vermehrung hin«, schreibt Frank McNally, »oder es liegt wahrscheinlicher daran, dass sie aus ihren weit verstreuten Vorfahren sich die armen, unterdrückten Iren aussuchen, weil die ein günstiges soziales Prestige haben.«

      Das ist auch einer der Gründe für die Beliebtheit der Iren bei den Deutschen. Sie hatten in Deutschland den Ruf, bemitleidenswert arm zu sein, ihre wenige Habe zu vertrinken und dabei melancholische Lieder zu singen. Heinrich Böll hat das in seinem »Irischen Tagebuch« festgehalten. Aber das Irland, das er beschrieb, gab es schon damals nicht so ganz, einiges hat er erfunden. Zum Beispiel die junge Arztfrau, die bangend am Fenster wartet, weil ihr Mann bei Sturm und Regen unterwegs zu einer Entbindung war. Als er zurückkam, hatte er einen Kupferkessel bei sich – sein Honorar. Die junge Arztfrau ist inzwischen über 70. »Den Kupferkessel hat sich der gute Heinrich ausgedacht«, sagt sie. »So rückständig waren wir damals nicht, es gab schon Geld in Irland.«

      Aber rückständig waren sie trotzdem, und das machte für viele Deutsche den Reiz aus. »Das war es vielleicht, was wir an Irland so liebten«, schreibt der Journalist Christian Kranz. »Dass es eine Reise in die Vergangenheit war, dass Irland damals zwanzig Jahre hinter Deutschland zurück war, dass es so war wie bei uns, als noch nicht jeder ein Auto hatte und einen Fernseher.« Menschliches war wichtiger als Materielles. Und die Iren hatten Zeit.

      Die Sympathien haben sich die Iren gründlich verscherzt. Anfang der neunziger Jahre zettelten sie hinterrücks einen Wirtschaftsboom an, Irland verzeichnete Wachstumsraten von bis zu zehn Prozent. Irland sei eine Art Schlaraffenland, schrieb die polnische Presse immer wieder, und das haben mehr als 200.000 Polen geglaubt. Der Schrei des keltischen Tigers, wie das irische Wirtschaftswunder genannt wird, hat sie auf die Grüne Insel gelockt. Dort machen sie nun fünf Prozent der Bevölkerung aus.

      Irland hat sich durch den Aufschwung verändert – sehr zum Verdruss der alteingesessenen Irlandfans, die ihre Grüne Insel gerne in einer Zeitschleife bewahrt hätten. In den einschlägigen


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