Tabu Keine Küsse in der Nacht. Ute DombrowskiЧитать онлайн книгу.
sowas“, sagte eine Stimme hinter ihr, „wo ist denn die Prinzessin?“
Katja drehte sich um und sah Arne in die Augen.
„Die Prinzessin ist im Kindergarten und jetzt hole ich sie wieder ab. Wir üben nun immer mal, in den Kindergarten zu gehen, aber nur stundenweise.“
„Sehr gut“, lobte Arne, „Kinder brauchen einander, dann hast du ja vielleicht einmal Zeit, um dir mein Haus anzuschauen.“
„Damit du mich wieder ungestört küssen kannst, oder was? Nein, lass mal, ich bin nicht interessiert.“
„Ach, komm schon, nur einen Kaffee und ein nettes Gespräch. Wir stellen einen Tisch dazwischen. Da bist du sicher vor meinen Küssen. Aber eins muss ich sagen: Du bildest dir ganz schön was ein. Wer sagt dir denn, dass ich dich überhaupt nochmal küssen will?“
Damit drehte er sich um und ging. Katja schaute ihm verdattert nach. Er hatte recht: Vielleicht wollte er sie gar nicht küssen.
*
Sie hatte die Chorstunden mit einem kleinen Konzert vor den Eltern beendet. Jetzt war Weihnachten in Sicht. Der Baum war geschmückt, Kaffee und Kuchen standen auf dem Tisch. In wenigen Minuten würden Benjamin und Christian kommen. Sie waren am Abend zuvor in der kleinen Ferienwohnung angekommen und hatten sich für heute Vormittag verabredet. Übermorgen war Heiligabend und sie wollten gemeinsam den Tag verbringen. Für den ersten Feiertag war ein Besuch von Cora und Michel geplant, der zweite Feiertag gehörte wieder Benjamin und Christian.
Am Tag nach Weihnachten hatte Katja für sich und Nelly einen Flug nach Südfrankreich gebucht. Marie freute sich sehr auf die beiden.
Es klingelte und Nelly hob den Finger.
„Papa!“
Dann rannte sie zur Tür. Katja folgte ihr und öffnete. Benjamin hob Nelly auf den Arm und küsste sie auf die Nase. Die Kleine umarmte ihn, aber jetzt sah sie hinter ihm Christian stehen und wollte sofort herunter. Benjamin und Katja sahen fasziniert zu, wie sich Nelly an Christians Bein schmiegte, bis er sie hoch hob. Dort schlang sie die Arme um seinen Hals und strahlte. Sie küsste ihn auf die Wange.
„Komm spielen!“
Es war, als wären Katja und Benjamin nicht vorhanden. Sie setzten sich an den gedeckten Tisch und Nelly schob ihren Stuhl wieder ran, weil sie auf Christians Schoß sitzen wollte.
„Das ist ja ein Ding“, sagte Benjamin. „Du bist anscheinend ihr Lieblingsbesuch. Mensch, Katja, sie ist so gewachsen seit dem Herbst. Schade, dass wir uns nicht öfter sehen.“
„Ja“, erwiderte Katja, „das ist schade. Aber so ist es nun mal. Was hast du denn mit Benni gemacht? Du hättest ihn doch mitbringen können.“
„Er ist bei Frau Heunbach. Wir hatten auch gar keinen Platz im Auto wegen Nellys Weihnachtsgeschenk.“
„Ach du meine Güte. Da bin ich aber gespannt, was ihr da mitgebracht habt.“
Christian hatte sich bisher nicht am Gespräch beteiligt. Er aß mit Nelly Kuchen und ließ sie auf seinem Schoß hüpfen und hob sie hoch in die Luft, wobei das kleine Mädchen fröhlich lachte.
„Nochmal! Fliegzeug!“, rief sie und Christian machte geduldig weiter.
Katja und Benjamin schauten sich verwundert an. Nelly sagte vor lauter Vorfreude auf Marie jeden Tag mehrmals „Fliegzeug“. Christian strahlte.
„Komm, Maus, der Papa geht mal mit dir in dein Zimmer. Zeigst du mir dein Spielzeug? Onkel Christian hilft der Mama beim Aufräumen.“
Nelly rutschte von Christians Schoß und lief voran. Katja und Christian blieben sitzen. Es war, als wäre eine unsichtbare Wand zwischen ihnen.
„Wie war das Fliegen im Herbst?“
„Es hat Spaß gemacht. Die Sicht war gut und die Herbstfarben sehen von oben noch besser aus.“
Wie herrschte Schweigen. Katja begann, den Tisch abzuräumen. Christian stand plötzlich direkt hinter ihr, als sie sich wieder umdrehte. Sie sahen sich sekundenlang in die Augen, aber keiner sagte etwas. Dann ging er aus der Küche.
„Ich gehe mal nach Benjamin und Nelly sehen.“
Katja lehnte sich gegen den Schrank. Sie fühlte eine Welle von Trauer über sich kommen, aber das wollte sie nicht zulassen. Christian sollte, musste den ersten Schritt tun. Aber anscheinend hatte er ihr noch nicht verziehen. Sie wusste ja nicht, dass Christian aus dem Zimmer gegangen war, weil er sie sonst in den Arm genommen und geküsst hätte.
Katja atmetet tief ein und aus, dann klappte sie den Geschirrspüler zu und schaltete ihn an. Sie lief die Treppe hinauf und setzte sich an die Seite, um Nelly und den Männern beim Spielen zuzusehen. Benjamin hatte einen kleinen Schrank umgestellt. Bei Katjas fragendem Blick winkte er nur ab.
Die nächsten Besucher waren Kirsten und Frank-Peter, die einen kleinen Sessel für Nelly mitbrachten. Weil die beiden an Weihnachten bei ihrem Enkelkind waren, hatte Katja sie vorher eingeladen. Sie setzten sich nun alle ins Wohnzimmer, wo Nelly ihren kleinen Sessel neben Katjas Lesesessel stellte. Sie holte ein Bilderbuch vom Tisch und setzte sich hinein.
Kirsten und Katja redeten über das Weihnachtsessen, die Männer über Sport und Werkzeuge, alles war entspannt. Katjas Trauer war weg, ab und zu sah sie zu Christian, der dann sofort den Blick abwendete. Benjamin spürte, wie weh es ihm tat, Katja zu sehen. Katja hatte Nelly, aber sie und Christian hatten ihre Liebe verloren.
Irgendwann war Nelly mit dem Buch in der Hand eingeschlafen. Katja trug sie ins Bett, die Besucher verabschiedeten sich.
Den Großeinkauf am kommenden Tag wollten Katja und Benjamin übernehmen, während Christian auf Nelly aufpasste.
Im Auto fragte Benjamin: „Wie geht es dir denn damit, dass er da ist?“
„Ach, hör auf. Ich bin ganz durcheinander. Christian ist so kühl und abweisend, aber dann schaut er mich ab und zu so an, dass mir ganz anders wird. Was ist denn mit ihm los?“
„Ich haben dir das schon einmal gesagt: Christians Herz ist zerbrochen. Ich glaube, er hat dir auch schon längst vergeben, aber er ist zu stolz, einen Schritt auf dich zuzugehen. Ich persönlich finde das ja vollkommen bescheuert, aber er ist nun mal so. Wenn ich nicht zu ihm gegangen wäre, hätten wir uns nie wieder gesehen. Er erwartet wohl immer, dass der andere den ersten Schritt geht.“
„Das kann ich nicht.“
Benjamin war kurz stehengeblieben und stand auf einem Bein neben dem Auto. Sie hatten einen Parkplatz in der Nähe der Tür des Supermarktes gefunden, hier war die Hölle los, denn es war die letzte Chance zum Einkaufen.
Katja runzelte die Stirn, als sie Benjamins ernstes Gesicht sah.
„Was ist mit dir? Hast du immer noch Schmerzen in deinem Knöchel?“
„Ja, ab und zu meldet sich der Schmerz. Es geht gleich wieder. Und ehe du fragst: Nein, es ist weder eine Prellung noch eine Zerrung. Die Ärzte haben nichts gefunden. Aber egal. Lass uns an Weihnachten nicht darüber reden, auf ins Getümmel!“
Nach zwei Stunden fuhren sie endlich heim. Katja hatte aufgeatmet, als sie wieder aus dem Supermarkt heraus war. Dort waren so viele Menschen unterwegs, dass sie manchmal kaum mit dem Wagen durch die Reihen kamen. Zuhause luden sie alles aus und lasen den Zettel, den Christian ihnen hingelegt hatte: „Wir sind auf dem Spielplatz.“
Katja bereitete ein kleines Mittagessen vor.
Christian hatte mit Nelly erst ein anderes Buch angeschaut, dann hatte er gesehen, dass die Sonne hinter den Wolken hervor sah. Wenn es schon kein richtiger Winter war und mit Schnee an Weihnachten wohl eher nicht zu rechnen war, musste man eben die Sonne nutzen.
„Nelly, wollen wir auf den Spielplatz gehen?“
Das kleine Mädchen sprang auf und hüpfte von einem Bein