Der Held unserer Zeit: Kaukasische Lebensbilder. Михаил ЛермонтовЧитать онлайн книгу.
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Michail Jurjewitsch Lermontow
Der Held unserer Zeit: Kaukasische Lebensbilder
Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2020
EAN 4064066116330
Inhaltsverzeichnis
Vorwort.
Der vorliegende Roman wird zu den besten, in russischer Sprache geschriebenen, gezählt. Ich glaube, auch für den deutschen Leser wird er, obgleich in minder vollendeter Form wiedergegeben, nicht ganz ohne Interesse sein, da kaukasische Lebensbilder und so meisterhafte Naturschilderungen, wie sie hier geboten werden, noch keinesweges bei uns zu den Alltäglichkeiten gehören dürften.
Welchen Werth übrigens die Leistungen Lermontoff’s haben, beweist der Umstand, daß einer unserer stilgewandtesten, berühmtesten Schriftsteller, Hr. Bodenstedt, in jüngster Zeit den I. Band einer höchst eleganten Uebersetzung von Lermontoff’s poetischem Nachlasse veröffentlicht hat, deren Fortsetzung alle Freunde der russischen Literatur mit Wunsch und Freude entgegensehen. In demselben Werke theilt Hr. Bodenstedt Aufschlüsse über Lermontoff’s Leben und literarische Stellung mit, was mich jeder ferneren Bemerkung hierüber enthebt.
Als nicht unwesentlich dürfte noch der interessante Umstand hervorzuheben sein, daß der Held der nachstehenden Erzählungen, Petschorin, Niemand anders, als der nach dem Kaukasus verbannte Dichter selbst ist, und daß sein frühes Ende ihn auf dieselbe Weise ereilte, wie er es (S. 227), freilich in Bezug auf eine andere Person, todesahnend niedergeschrieben hatte.
August Boltz.
Bela.
Ich fuhr mit Postfuhrwerk aus Tiflis. Die ganze Ladung meiner Teläga1) bestand aus einem kleinen Koffer, welcher zur Hälfte mit Reisenotizen über Grusien vollgestopft war. Zu Ihrem Glücke ist der größte Theil derselben verloren gegangen, der Koffer hingegen mit den übrigen Sachen blieb zu meinem Glücke unversehrt.
Die Sonne fing bereits an sich hinter den Eisrücken der Berge zu verstecken, als ich in das Koischaurskische Thal hineinfuhr. Mein Postillon, ein Ossete, trieb unermüdlich die Pferde an, um noch vor Nacht den Koischaur-Berg zu erreichen, und sang aus voller Kehle Lieder dazu. Welch’ herrlicher Ort ist dieses Thal! Von allen Seiten unersteigbare Berge, röthliche Felsen mit grünendem Epheu umhängt und von Gruppen des orientalischen Ahorns gekrönt; vergelbte Fragmente ausgespühlter Anschwemmungen, und dort, in lustiger Höhe, die goldige Franse der Schneemassen, und in der Tiefe die Aragwa, die im Verein mit einem andern namenlosen Flüßchen sich mit Geräusch aus der tiefen Finsterniß einer Kluft herauswindet, dann, einem Silberfaden gleich, sich dahinzieht und wie eine Schlange im Glanze ihrer Schuppen schimmert.
Am Fuße des Koischaur angelangt, hielten wir an einem Duchan2) still. Einige zwanzig Grusier und Gorzen3) trieben sich dort lärmend umher; nicht weit davon hielt eine Karawane Kameele zum Nachtlager. Hier sagte man mir, daß ich Ochsen zum Vorspann nehmen müsse, wenn ich meinen Wagen diesen verwünschten Berg hinaufschaffen wollte, denn es war bereits um die Herbstzeit und viel Glatteis, — und der Berg hat eine Länge von ungefähr zwei Werst.4) —
Es blieb mir nichts weiter übrig; ich miethete sechs Ochsen und einige Osseten. Einer von ihnen nahm meinen Koffer auf die Schultern und die andern fingen an den Ochsen, wenn auch fast nur durch bloßes Schreien, zu helfen.
Hinter meiner Teläga zogen vier Stiere eine andere über und über vollgepackte, mit einer Leichtigkeit herauf, daß es eine Freude war sie anzusehen. Dieser Umstand erregte meine Verwunderung. Hinter dem Wagen folgte dessen Eigenthümer, aus einem kleinen Kabardinerpfeifchen, das mit Silber beschlagen war, rauchend. Er trug einen Offiziersrock ohne Epaulettes, und eine verbrämte Tscherkessenmütze. Er mochte in den Fünfzigern sein; seine dunkle Gesichtsfarbe zeigte ganz klar, daß er schon seit langer Zeit mit der kaukasischen Sonne bekannt war; sein zu früh ergrauter Schnurrbart entsprach nicht seinem festen Gange und seinem rüstigen Aussehen. Ich ging an ihn heran und begrüßte ihn; er erwiederte schweigend meine Verbeugung und blies eine ungeheure Rauchwolke in die Luft.
„Es scheint