Schiff der Versuchung. Barbara CartlandЧитать онлайн книгу.
den Eindruck auserlesener Weiblichkeit, noch gesteigert durch die großen Vasen mit Malmaison-Nelken, deren Duft den Raum erfüllte und deren Schönheit sich in den goldgerahmten Spiegeln an den Wänden vielfach wiederfand.
Niemand befand sich in dem Zimmer; als Tarina sich umsah, kam gerade jemand durch eine weitere Tür am anderen Ende.
Zögernd trat Tarina vor, als die eben erschienene Frau auch schon rief: »Tarina! Ich konnte kaum glauben, daß du es seist! Was machst du denn in London?«
Tarina stand vor ihr.
»O Betty ... wie freundlich von dir, mich zu empfangen.«
»Aber natürlich empfange ich dich«, antwortete Lady Bradwell.
Dann hielt sie erstaunt inne.
»Aber du bist in Schwarz! Warum?«
»Papa starb vor einem Monat.«
»Oh, das tut mir leid! Das wußte ich nicht, Liebste. Er wird dir gewiß fehlen.«
»Mehr, als ich dir sagen kann. Aber jetzt, da er tot ist, wirst du verstehen, daß ich mir selbst meinen Lebensunterhalt verdienen muß.«
»Du armes Kind!« rief Lady Bradwell aus. »Komm, setz dich zu mir und erzähl mir alles.«
Sie ließ sich in der Ecke des Sofas nieder, und Tarina nahm daneben Platz.
Dabei dachte sie, daß wohl niemand reizvoller aussehen könne als ihre Kusine Betty.
Mit ihrem blonden Haar und ihren veilchenblauen Augen war sie wie ein Gemälde von Fragonard; Tarina konnte sie nur fassungslos anstarren.
»Du bist so schön, Betty! Viel schöner als früher! Und etwas an dir hat sich verändert.«
Lady Bradwell lächelte wissend.
»Das sagen alle, und es liegt wohl daran, daß ich in Paris war. Oh, Tarina, ich habe solches Glück! Nachdem mein Mann starb, lud mich eine seiner Verwandten, mit der ich immer freundschaftlich verbunden war, zu einem Aufenthalt bei ihr ein.«
»Es tat mir damals sehr leid, von dem Tod deines Mannes zu hören«, sagte Tarina. »Ich weiß, daß Papa dir zu jener Zeit geschrieben hat.«
»Er schrieb mir einen wunderschönen Brief«, antwortete Lady Bradwell, »aber da ich offen zu dir sein kann - ich war gar nicht unglücklich, Witwe zu werden.«
Tarina entfuhr ein überraschter Ausruf.
»Oh, Betty! Warum denn nicht?«
Lady Bradwell seufzte leise.
»Mein Mann war das ganze letzte Jahr unserer Ehe über krank, und es war sehr, sehr eintönig, sich um ihn zu kümmern. Und schon vorher hatte er eine sehr verschrobene Art. Schließlich war er vierzig Jahre älter als ich.«
»Ich weiß wohl«, sagte Tarina. »Aber alle sagten, es sei eine so glänzende Heirat und er sei ein sehr bedeutender Mann.«
»Vermutlich war er auf seine Art nett«, antwortete Betty. »Ich genoß zwar die Dinnerpartys und Bälle, aber wir luden stets nur Arthurs Freunde ein, und die waren ebenfalls alt. Ich hatte bis zu seinem Tode wirklich nicht viel Freude.« Sie stieß einen leisen Jubelschrei aus und rief: »Ich kann dir gar nicht sagen, wie wunderbar es ist, hier in London zu sein! Allein zu sein, mir leisten zu können, in diesem Haus zu leben, und die herrlichsten Kleider zu haben!«
»Und Unmengen von Freunden, die dich bewundern«, fügte Tarina hinzu.
»Aber natürlich«, antwortete Betty. »Ich werde als Schönheit gefeiert, und Tarina, was meinst du wohl...«
Es war wie in alten Tagen, als Betty, da sie die Ältere war, gesprochen und Tarina bloß zugehört hatte.
Jetzt, da Tarina dasaß und die Augen in offensichtlicher Bewunderung nicht von ihrer Kusine wandte, sprach Betty so, wie sie gesprochen hatte, als sie siebzehn war und sich erwachsen fühlte, während Tarina mit fünfzehn in gewisser Weise noch ein Kind war.
»Was hat sich zugetragen?« fragte Tarina, als Betty innehielt.
»Ich bin eingeladen worden«, sagte Betty langsam, »auf eine Kreuzfahrt zu gehen - auf einer Yacht mit dem Marquis von Oakenshaw.«
»Auf einer Yacht?« rief Tarina. »Wirst du nicht seekrank?«
»Das ist belanglos«, sagte Betty rasch. »Er ist der gefeiertste, bestaussehende, am schwersten einzufangende Mann in ganz London, und ich habe das Gefühl, er bemüht sich um mich.«
»Wie phantastisch! Wie aufregend!« rief Tarina aus. »Wird er um deine Hand anhalten?«
Betty lachte leise.
»Das halte ich für ziemlich unwahrscheinlich, denn er ist ein eingeschworener Junggeselle - wie alle Frauen sich beeilt haben, mir zu erzählen.«
Tarina sah verwirrt drein.
»Ich verstehe nicht...«
Betty sah sie an und sagte dann schnell: »Natürlich könnte ich ihn vielleicht dazu bringen, seine Meinung zu ändern, aber inzwischen werde ich sein Gast sein, und alle anderen Frauen die ihn je gekannt haben werden vor Neid platzen!«
Tarina fragte sich, was daran so befriedigend sein mochte, doch gleichzeitig beteuerte sie, aus Liebe zu ihrer Kusine: »Ich freue mich so für dich. Wann wirst du abreisen?«
»Beinahe sofort - in zwei Tagen. Tarina, ich bezweifle, ob ich bis dahin mit allem fertig werde!«
Tarina lächelte.
»Ich bin sicher, du hast zahllose Freunde, die dir helfen.«
»Ich müßte zwar neue Kleider haben, aber das ist in der kurzen Zeit wohl nicht möglich. Gott sei Dank habe ich ein paar fabelhafte Kleider aus Paris mitgebracht. Ich habe ein Vermögen dafür ausgegeben!«
Tarina betrachtete das Kleid, das Betty trug und beim Anblick der reichen Seide und der echten Spitzen, mit denen es besetzt war, erkannte sie, daß sie von dem, was es gekostet hatte, mindestens ein Jahr hätte behaglich leben können.
Sie verdrängte solche Gedanken und sagte: »Ich bin hergekommen, Betty, nicht um dir lästig zu fallen, sondern nur, um dich zu bitten... ob du mir helfen könntest, indem du mir eine... Empfehlung gibst.«
»Eine Empfehlung?«
Das Erstaunen in Bettys Augen ließ Tarina lächeln.
»Liebste, du mußt wissen, daß Papa zu seinen Lebzeiten kein eigenes Geld besaß außer seinem kleinen Gehalt. Jetzt ist er gestorben, und ich muß meinen Lebensunterhalt selbst verdienen.«
»Oh, Tarina, es tut mir so leid!« rief Betty. »Wie schrecklich für dich! Was wirst du nun anfangen?«
»Ich werde als Gouvernante arbeiten«, sagte Tarina ruhig. »Es gibt nichts anderes, für das ich qualifiziert wäre. Vermutlich muß ich anfangs Gouvernante für Kleinkinder sein, da ich selber noch so jung bin.«
»Du beabsichtigst, dein Hirn, von dem dein Vater immer sagte, es sei so fähig wie das eines Jungen, an eine Menge plärrender Kinder zu verschwenden?« fragte Betty. »Tarina, das kannst du nicht wollen!«
»Ich werde schon zurechtkommen«, antwortete Tarina. »Aber wie du weißt, Betty, finde ich nie eine anständige Stellung, wenn ich nicht eine wirklich ausgezeichnete Empfehlung vorweisen kann, und ich habe außer dir niemanden, den ich darum bitten könnte.«
»Meine Liebe, ich werde dir eine Lobrede schreiben, die in jedem den Wunsch erweckt, dich sofort zu engagieren!«
»Vielen Dank!« sagte Tarina erleichtert.
»Aber zuerst möchte ich dir meine Kleider zeigen«, fuhr Betty fort, »die unverkennbar aus Paris stammen, und auch den neuen Kleiderschrank, den ich extra für sie gekauft habe.«
Bei diesen Worten stand sie auf, und Tarina folgte ihr in das angrenzende Schlafzimmer, das noch eindrucksvoller war als das Boudoir.
Das