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im Schlaraffenland - Heinrich Mann


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      Im Schlaraffenland

       Ein Roman unter feinen Leuten

      HEINRICH MANN

      

      

      

       Im Schlaraffenland, H. Mann

       Jazzybee Verlag Jürgen Beck

       86450 Altenmünster, Loschberg 9

       Deutschland

      

       ISBN: 9783849660055

      

       Grundlage dieser Ausgabe ist die Ausgabe des Jahres 1900, die auf Wikisource (https://wikisource.org/wiki/Im_Schlaraffenland) zur Verfügung steht. Der Text wurde überarbeitet und in großen Teilen der neuen, deutschen Rechtschreibung angepasst.

      

       www.jazzybee-verlag.de

       [email protected]

      

      

      INHALT:

       Der Gumplacher Schulmeister 1

       Das Café Hurra. 4

       Die deutsche Geisteskultur 11

       Türkheimers. 19

       Ein demokratischer Adel 31

       Die Mittel mit denen man was wird. 38

       Eine Marotte. 51

       „Rache!“. 68

       Politik und Volkswirtschaft im Schlaraffenland. 90

       Das Vergnügen, die Menschen zu durchschauen. 117

       Die kleine Matzke. 147

       Die leben, die genießen! 164

       Die hohe Korruption. 193

       Familienrat 207

       Liebling. 224

       Das Bedürfnis nach Reinheit 232

      Der Gumplacher Schulmeister

      Im Winter 1893 arbeitete Andreas. Er war fleißig wie ein armer Student, der nicht in alle Ewigkeit auf den Wechsel vom Hause rechnen kann. Als es aber Frühling ward, ging eine Veränderung mit ihm vor. Während der Osterferien, die er aus Mangel an Reisegeld in Berlin verbrachte, musste er immerfort an die Freunde denken und an die Fahrten, den Rhein zu Berge. Ein ausgiebiger Vorrat von des Vaters prickelndem Federweißen befand sich im Boot.

      Das Heimweh veranlasste den jungen Mann zum Nachdenken. Er überlegte sich die große Zahl der Geschwister und die schlechte Ernte des vorigen Jahres. Nun, mit dem Weinberg, der nur noch alle sieben Jahr einmal ordentlich trug, würde er nichts mehr zu tun haben. Sein zukünftiges Erbteil ging bei seinem Studium im Voraus darauf. Merkwürdigerweise schloss Andreas hieraus nicht, dass er umso schneller auf das Examen loszuarbeiten habe, sondern dass seine Anstrengungen gar zu wenig lohnend seien. Als mittelloser Schulamtskandidat war alles, was er tun konnte: nach Gumplach zurückkehren und auf eine Anstellung am Progymnasium warten. War das eine Zukunft für ihn, Andreas Zumsee, dessen Talent, nach Ansicht Aller, zu großen Hoffnungen berechtigt hatte? Mit achtzehn Jahren hatte er Gedichte gemacht, mit denen seine Freunde und sogar er selbst vollkommen zufrieden gewesen waren. Seitdem hatte der „Gumplacher Anzeiger“ eine Novelle von ihm gebracht, die ihm die Gunst des Mäzens von Gumplach eingetragen hatte. Es war der alte Herr, den es in jeder kleinen Stadt gibt, und der bei seinen Mitbürgern als harmloser Sonderling gilt, weil er sich mit Literatur befasst.

      Am Ostersonntag besuchte Andreas das königliche Schauspielhaus, um den ersten Teil des Faust zu sehen. Auf der Galerie zog er sich hinter einen Pfeiler zurück. Er hatte keinen Bekannten in Berlin, schämte sich aber seines billigen Platzes. Seine Eitelkeit legte ihm Opfer auf. Im Zwischenakt stieg er, nicht weil es ihm Freude machte, sondern weil die Selbstachtung es ihm gebot, ins Parquet hinab und drängte sich auf dem Korridor in der guten Gesellschaft umher.

      Einmal staute sich der Zug der Wandelnden, weil Viele gaffend und horchend zwei bedeutend aussehende Herren umdrängten. Den größeren von ihnen erkannte Andreas sofort wieder; es war der Professor Schwenke, ein Akademiker, der sich eine Ausnahmestellung verschafft hatte, dadurch, dass er alles Moderne protegierte. Er trug eine Künstlerlocke auf der Stirn, hielt die Hände in den Taschen seines hellen Jaquets und hatte so große Furcht, pedantisch zu erscheinen, dass er beim Sprechen den Oberkörper stets in einem burschikosen Schwunge erhielt. Sein Gegenüber war einen Kopf kleiner, bartlos, und sein borstiges schwarzes Haar hing über einem Halskragen von zweifelhafter Weiße. Er hatte eine Adlernase und gelblederne Gesichtshaut, und sein zu weiter Gehrock reichte bis unter die Kniee hinab. Andreas war sehr begierig, zu wissen, wer diese Persönlichkeit sei, die äußerlich zwischen Geistlichem und Konzertvirtuosen ungefähr die Mitte hielt. Ein Herr, der von fern dem Kleinen winkte, rief:

      „Herr Doktor Abell!“

      „Sollte das Abell sein?“ dachte Andreas, der Kritiker des ,Nachtkurier‘?“

      Er konnte es kaum fassen, dass man die großen Männer, die im Reich der Begriffe lebten, hier in der Wirklichkeit wiederfand. Sein Herz schlug höher und er schaute sich argwöhnisch um, ob man ihm etwas anmerke. Denn er wollte um keinen Preis naiv aussehen.

      Von seinem Galerieplatze suchte er die beiden Herren wieder auf; sie saßen dicht hinter dem Orchester. Andreas schielte mehrmals hastig nach seinem Nachbarn, einem blonden jungen Manne in bescheidenem schwarzen Röckchen. Endlich hielt er es nicht mehr aus:

      „Entschuldigen Sie,“ sagte er, „ich bin kurzsichtig. Ich meine dort vorn den Doktor Abell zu erkennen?“

      Er bemühte sich, ganz dialektfrei zu sprechen. Der junge Mann erwiderte höflich:

      „Gewiss. Das ist Doktor Abell. Er sitzt neben Doktor Wacheles vom ,Kabel‘. Zwei Reihen hinter den Herren sehen Sie auch Doktor Bär von der ,Abendzeitung‘ und Doktor Tunichgut von der ,Meinen Börse‘.“

      Neben ihnen machte man „Pst!“ und der Vorhang ging auf. Andreas sah nichts anderes mehr als die Rücken der Kritiker. Sie nahmen Plätze ein, denen auch er sich gewachsen fühlte. Mit sanguinischer Phantasie malte er sich schon seinen Eintritt in den Saal aus. Er schritt gelassen, im Gefühl seiner Unentbehrlichkeit, auf den ihm reservierten Sessel zu. Er lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und lauschte nachlässig mit mildem Lächeln den Künstlern, die mehr für ihn als für tausend andere sprachen. Einige Zeilen in


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