Wie Schneeflocken im Wind. Denise HunterЧитать онлайн книгу.
hatte das Gefühl, dass Paige eben erst von Rileys Entschluss erfahren hatte. Irgendwie beneidete sie den Kerl auch ein wenig, weil er so viele Menschen hatte, denen er etwas bedeutete.
Paige schniefte einmal kurz und fragte dann: „Na, wie war dein erster Tag? Hast du Miss Trudy überlebt?“
Eden schnitt ein Gesicht und antwortete: „Sie war wirklich mein kleinstes Problem heute. Ich habe das Abendessen so gründlich vermasselt, dass wir am Ende Chicken Wings aus dem Roadhouse holen mussten.“
Paige lachte lautlos und tupfte sich mit einem Taschentuch die Augen ab.
„Da waren die Jungs doch sicher begeistert. Sie lieben nämlich Chicken Wings.“
Mit ihrem glatten Haar und den großen blauen Augen war Paige eine aparte Erscheinung. Sie war zierlich mit einer sportlichen Figur und Rundungen an den richtigen Stellen. Außerdem war sie auch noch unglaublich nett. Es war jedenfalls absolut nachzuvollziehen, was Beau – und auch Riley – an ihr fanden.
„Dann gehe ich also davon aus, dass du nicht so viel Erfahrung im Kochen hast, was?“
Eden zupfte an der Manschette ihres geliehenen Pyjamaoberteils und antwortete: „Ja, das könnte man wohl so sagen. Aber mit ein bisschen Übung bekomme ich das sicher bald hin.“
„Du hast noch gar nicht gesagt, wo du eigentlich herkommst, oder?“, fragte Paige jetzt.
Eden strich sich das Haar hinter die Ohren und antwortete: „Aus dem Süden.“
„Aber du hast gar keinen Akzent“, bemerkte Paige.
„Du schon, ein bisschen jedenfalls“, sagte Eden darauf. „Ich habe noch nie zuvor den Akzent von Maine gehört.“
„Beau hat gesagt, dass du eigentlich nur auf der Durchreise bist und dir dann deine Sachen gestohlen worden sind“, fuhr Paige unbeirrt fort.
Sie hätte sich auf keinen Fall zu Paige setzen sollen, dachte Eden jetzt und erklärte dann:
„Ja, im Grunde ist alles weg, was ich besessen habe. Und zu allem Überfluss ist auch noch mein Wagen liegengeblieben. Wir bleiben so lange, bis der Wagen repariert und Tante Trudy wieder auf den Beinen ist. Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich für den Job bin … und dafür, dass ich eine Bleibe habe. Beau und seine Familie sind wirklich großartig.“
Paiges Blick schweifte zu ihrem Handy, und ihre Miene wurde traurig.
„Alles in Ordnung?“, fragte Eden.
„Ach, ich habe gerade mit Beau telefoniert … Riley hat sich freiwillig zu den Marines gemeldet“, antwortete Paige und klappte ihren Laptop zu.
Froh über den Themenwechsel, sagte Eden: „Ich habe versehentlich mitgehört, wie sie darüber gesprochen haben. Kennst du die Callahan-Brüder schon lange?“
„Ja, seit Riley und ich vierzehn sind.“ Offenbar dachte sie jetzt an die Zeit damals zurück, denn sie lächelte wehmütig und erzählte: „Er hat mich eines Tages nach der Schule zu einem Basketballspiel herausgefordert, und ich habe ihn geschlagen.“
„Autsch“, bemerkte Eden lächelnd.
„Ja, das kann man wohl sagen. Das hat ihm damals echt zugesetzt, aber er hat es ganz gut weggesteckt. Hilfreich war aber wahrscheinlich auch, dass er mich seitdem Hunderte Male besiegt hat. Als er irgendwann einen gewaltigen Wachstumsschub hatte und richtig muskulös wurde, hatte ich keine Chance mehr gegen ihn. Inzwischen fordere ich ihn beim Poolbillard heraus, da kann ich es immer noch mit ihm aufnehmen.“
Doch dann erstarb ihr Lächeln, und ihre Lippen bebten, als sie bewegt sagte: „Er ist mein bester Kumpel, und ich kann einfach nicht glauben, dass er weggeht.“
Es musste schwer sein für Riley, eine Frau zu lieben, für die er ganz eindeutig nicht mehr als ein Freund war, und mit ansehen zu müssen, wie sie sich in seinen großen Bruder verliebte. Kein Wunder, dass er wegwollte.
„Und wie ist es dazu gekommen, dass du jetzt mit Beau zusammen bist?“, fragte Eden.
„Er ist vier Jahre älter als Riley, deshalb hatte ich ihn eigentlich gar nicht auf dem Schirm. Aber ich war viel mit der Familie zusammen, als der Vater gestorben ist, und eines Abends sind Beau und ich uns dann im Roadhouse über den Weg gelaufen und haben bis zur Sperrstunde miteinander geredet. Uns gehen nie die Gesprächsthemen aus. Er ist wirklich ein toller Kerl. Heute Abend ist er total aufgewühlt, weil Riley schon so bald nach dem Tod des Vaters weggeht … ich weiß auch nicht, was er sich dabei denkt.“
„Es hat vorhin so geklungen, als wären sie auch zuvor schon aneinandergeraten“, bemerkte Eden.
Daraufhin grinste Paige nur schief und sagte: „Folgendes musst du über die Callahan-Männer wissen: Sie haben alle einen starken Willen, sind überbehütend und glauben, dass sie alles wissen. Außerdem sind sie die begehrtesten Junggesellen der Stadt – obwohl Beau ja zurzeit vergeben ist. Es war ein Heulen und Zähneklappern, als wir zusammengekommen sind, aber mittlerweile ist ja auch Zac wieder zu haben. Er ist vor etwa einem Monat von seiner Verlobten sitzengelassen worden. Die drei sind vielleicht alle ein bisschen ungehobelt, aber das liegt daran, dass sie nach dem Tod ihrer Mutter von ihrem Vater großgezogen worden sind, fast ohne weiblichen Einfluss in ihrer Teenagerzeit.“
„Und was ist mit der Tante?“, erkundigte sich Eden.
„Du hast doch Miss Trudy schon kennengelernt, oder?“, fragte Paige feixend.
„Also ich hoffe ja, dass sich die Gemüter bis morgen wieder ein bisschen beruhigt haben. Heute Abend war die Stimmung jedenfalls ziemlich aufgeheizt“, bemerkte Eden.
„Ach, das legt sich schon wieder, wirst sehen“, sagte Paige. „Die Callahan-Brüder sind aufbrausend, aber nicht nachtragend.“
Doch es legte sich nicht. Am nächsten Tag erschien Riley nicht zum Abendessen und ging der Familie offenbar bewusst aus dem Weg.
Eden musste immer wieder ihr Gähnen unterdrücken, denn Micah hatte in der Nacht zuvor wieder einen Albtraum gehabt. Sie war von seinem Schreien aufgewacht, hatte seinen kleinen verschwitzten Körper ganz fest in die Arme genommen und versucht, ihn mit Worten zu beruhigen, aber Paige war anscheinend von dem Lärm aufgewacht, denn sie hatte sich am Morgen nach dem Kleinen erkundigt.
Ein Anruf bei der Autowerkstatt ergab nichts Gutes. Es sei tatsächlich ein defekter Zylinderkopf, sagte der Mechaniker, und der Motor müsse ausgetauscht werden. Etwa tausend Dollar sollte die Reparatur kosten. Den ganzen Nachmittag überlegte Eden, was sie tun sollte, gab dann aber schließlich die Reparatur in Auftrag. Mit einem Austauschmotor würde der Wagen dann wahrscheinlich noch eine ganze Weile durchhalten. Sie teilte dem Mechaniker aber auch gleich mit, dass sie die Reparatur nicht auf einen Schlag würde bezahlen können.
Am Montagabend ging sie zu Fuß in die Stadt, um im Lebensmittelladen ihren Gehaltscheck einzulösen und dann in dem Lokal ihre offene Rechnung zu begleichen. Danach ging sie in den Secondhandladen, den sie entdeckt hatte und der sich als wahre Fundgrube erwies. Sie fand warme Wintersachen für Micah und eine Jeans sowie eine billige Handtasche für sich selbst.
Auf dem Rückweg zu Paiges Haus kamen sie an einem Laden für gebrauchte Bücher vorbei, wo ihr im Schaufenster ein Buchumschlag ins Auge fiel, der ihr bekannt vorkam. Sie blieb stehen und sah, dass es ein Buch von Debbie Macomber war.
„Was ist denn das für ein Schund?“ Er schnappte ihr das Bibliotheksbuch aus der Hand und warf es in den Mülleimer. „Nicht in meinem Haus. Nicht in den Händen meiner Frau.“
Sie schüttelte die Erinnerung ab, raffte ihre ganze Entschlossenheit zusammen, betrat den Buchladen, und als sie kurz darauf wieder herauskam, steckte in ihrer neuen Handtasche ein Exemplar von Twenty Wishes.
Die nächsten paar Tage war Eden vollkommen damit beschäftigt, Miss Trudy in der Gegend herumzufahren, zu putzen und das Thanksgiving-Festessen zu planen. Es war unglaublich wichtig, dass es gelang, denn sie hatte in ihrer ersten Arbeitswoche