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Adrian Plass
Das Wiedersehen
Roman
Aus dem Englischen
von Christian Rendel
„Geister fürchten keine Gesetze
und sie scheren sich nicht um den Applaus der Menge.“
Anonymus, ca. 1600
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
1. Taschenbuchauflage 2010
ISBN 978-3-86506-717-3
© 2002 by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers
First published under the title „Ghosts“ in
Great Britain and in the USA in 2001 by Zondervan
© Copyright © 2001 Adrian Plass
Übersetzung des Gedichtes „The Road Not Taken“ von
Robert Frost: Paul Celan
Einbandgestaltung: Brendow Verlag, Moers
Titelfoto: shutterstock
Satz: Satz & Medien Wieser, Stolberg
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
Inhalt
Vierter Teil - Samstagnachmittag
Erster Teil Verlust
Ich scheine aufzuwachen.
Mein Schlafzimmer ist dunkel, das Rechteck meines vorhanglosen Fensters nur um eine winzige Graustufe weniger schwarz. Ich liege auf dem Rücken und verharre in dieser Stellung wie gelähmt, die Augen weit aufgerissen und hin und her zuckend, während ich gebannt lausche. Mein ängstliches Bestreben ist es, mich der Abwesenheit von Geräuschen zu vergewissern, die in einem sicheren, geschützten Haus bei Nacht fehl am Platze wären. Das lauteste Geräusch ist mein eigenes panisches Atmen. Außerdem bilde ich mir ein, mein Herz pochen und gegen meinen Brustkorb hämmern zu hören. Es ist, als hätte ich in jenem entscheidenden Augenblick vor dem Aufwachen einen überwältigenden, niederschmetternden Schock erlitten.
Ich weiß es noch! Natürlich weiß ich es noch.
Der Lärm, der meinen Schlaf aufstörte, war ein donnerndes Klopfen und Krachen oben und unten an meiner Schlafzimmertür, ein Hagel von Schlägen, der mich mit brutal zerrender Plötzlichkeit ins Bewusstsein katapultierte.
Aber - und das ist die entscheidende Frage - dieses wilde Klopfen, war das in meinem Schlaf? War es der letzte Moment oder der Höhepunkt eines Traums? Das ist möglich. Ich habe so etwas schon erlebt.
Oder nicht?
Konnte es sein, dass tatsächlich in diesem Moment eine oder mehrere Personen vor meiner Tür standen und warteten, dass ich aus der Geborgenheit meines Bettes aufstand, um die Ursache dieses unerklärlichen Ansturms zu ergründen?
Nein, das ist ein dummer, unlogischer Gedanke. Selbst wenn einer oder mehrere Männer irgendwie das Schloss einer Tür zu meinem Haus aufgebrochen und meine Treppe hinaufgestiegen wären, würden sie sich die Mühe machen, mit solch grotesker Heftigkeit gegen meine unverschlossene Schlafzimmertür zu trommeln?
Falls ein Raubüberfall oder Mord ihre Absicht wäre, soll ich etwa ernsthaft glauben, dass sie während der kurzen Reise von der obersten Stufe zu dieser Seite des Treppenabsatzes durch irgendeinen rätselhaften Prozess so von Höflichkeit infiziert wurden, dass sie sich nun verpflichtet fühlen, mich von ihrer Anwesenheit in Kenntnis zu setzen?
Andererseits, sollten sie unbegreiflicherweise aus ganz harmlosen Motiven hier sein, warum kommen sie dann nicht einfach in mein Zimmer und teilen mir mit, welcher Notfall es erforderlich macht, dass sie in mein Haus einbrechen und mich aus dem Schlaf reißen?
Nein, nein, das entsetzliche Klopfen war ein Traum. Es war das Ende eines Albtraums. Ich weiß es genau. Ich bin schon aus vielen Albträumen gefahrlos aufgewacht. Eigentlich aus jedem Albtraum, unter dem ich je gelitten habe. Mein ganzes Leben lang.
Nicht aus jedem.
Aus allen bis auf einen.
Aber aus diesem Albtraum mit dem sinnlosen Klopfen bin ich jedenfalls aufgewacht, und jetzt werde ich weiterschlafen. Genau, so werde ich die Situation handhaben. Ich werde wieder einschlafen. Ich werde die Augen zumachen und einfach wieder eindösen. Und plötzlich wird es Morgen sein.
Ich schließe meine Augen und warte, bis der Schlaf kommt.
Ich warte.
Ich kann nicht schlafen, bis ich diese Tür geöffnet habe. Das geistlose Trommeln und Treten an das hölzerne Türblatt, das mich eben geweckt hat, war mit Sicherheit nichts als ein Albtraum. Doch es bleibt eine Tatsache, dass ich nicht werde schlafen können, bis ich diese Tür aufgemacht habe. Natürlich wird niemand da sein. Es ist niemals jemand da. Aber um meiner inneren Ruhe willen muss ich diese Tür aufmachen und mich mit meinen eigenen Augen vergewissern, dass der Treppenabsatz menschenleer und frei von Eindringlingen ist. Danach wird der Schlaf kommen. Ja, danach werde ich problemlos einschlafen.
Ich schiebe meine Decke zurück. Ich schwinge meine Beine aus dem Bett. Ich stehe auf und taste mich vorsichtig durch die undurchdringliche Schwärze auf die Tür zu. Fast bin ich schon da, als mich ein Schauder der Erkenntnis durchläuft. Wo habe ich eigentlich meinen Kopf? In meinem Schlafzimmer ist es doch nachts nie so dunkel. Die Welt da draußen ist niemals so undurchsichtig, wie sie jetzt erscheint. Und