Heiliger Schein. Adrian PlassЧитать онлайн книгу.
echten Heilungsdienst haben. Um dem entgegenzukommen, ist es wesentlich, sich mit den Grundprinzipien der hohen Kunst des Spendenbriefschreibens vertraut zu machen, einem der einfachsten Wege, sich stetige Einkünfte während des ganzen Jahres zu sichern. Es gibt fünf Hauptprinzipien.
(1) Bitten Sie stets vor allem um Gebetsunterstützung
Machen Sie schon zu Beginn Ihres Briefes deutlich, dass Gebet der erste und Geld der letzte Punkt auf der Liste Ihrer Bedürfnisse ist. Lassen Sie die Tatsache, dass Sie Geld brauchen, nur beiläufig fallen oder sozusagen herausrutschen.
»Ich habe den Ruf erhalten, Gottes heilende Kraft unter den Angehörigen des Matshawake-Stammes im Carrabunda-Gebiet des Amazonasbeckens zu erweisen, und dies wird, vorausgesetzt, die finanziellen Fragen sind bis dahin geregelt, im September geschehen. Bitte beten Sie für die leidende Bevölkerung von Carrabunda, dass in der Zeit bis dahin kleinliches Denken an Miete und Benzinkosten der Linderung ihrer Not nicht im Wege stehen.«
Achten Sie darauf, sich mit pathetischem Optimismus schwärmerisch über die äußerst knappen zur Verfügung stehenden Mittel zu äußern. Das ist in finanzieller Hinsicht erheblich produktiver als Klagen oder Selbstmitleid:
»Ich kann immer wieder nur darüber staunen, wie für alle meine Bedürfnisse gesorgt wird. Es gibt jede Menge Grund zum Danken. Ich bin begeistert, dass ich eines der Zimmer in meinem Haus heizen konnte, nachdem am Donnerstag eine Gabe mit der Post eintraf, und Wunder über Wunder, letzte Woche habe ich in einer Schublade eine ganze, noch ungebrauchte Kerze gefunden! Wer braucht schon elektrisches Licht, wenn jeden Monat aufs Neue solche Wunder geschehen? Dahinter steht Gott. Verzeihen Sie meine kindliche Begeisterung, aber ich habe vor, die Kerze für einen besonderen Anlass aufzubewahren. Welches Vorrecht, dass mir solch überreichliche Versorgung zuteilwird!«
Listen Sie unbedingt Ihre eigenen bevorzugten Hilfsorganisationen auf und fordern Sie die Leute auf, dorthin zu spenden, bevor sie auch nur daran denken, Sie finanziell zu unterstützen. Mit einem genialen Handstreich erbot sich Prentice Basset aus Streatham einmal, seinen Unterstützern Geld zu schicken, falls sie in Not gerieten, und erklärte, er verfüge zwar nur über wenige Mittel, doch für ihn sei es keine Frage, dass »niemand Mangel leiden soll, solange ich etwas dagegen tun kann«. Das Geld strömte nur so herein, und Basset wirkte in jenem Jahr für den Herrn auf Barbados.
(2) Immer schön in die Ferne schweifen
Falls Sie nicht vorhaben zu verreisen, achten Sie darauf, dass die meisten Ihrer scheinbaren Zielorte sich in unbekannten Weltgegenden befinden, also in Ländern, die so fern oder entlegen sind, dass kein Leser Ihres Briefs voraussichtlich je dort hinkommen wird. Fügen Sie in der unteren rechten Ecke der Rückseite eine unscharfe kleine Landkarte ein, mit einem großen Pfeil, der einen ausgefransten rosa Fleck namens »Mandarak« irgendwo in der riesigen, leeren Weite Zentralasiens nahezu vollständig verdeckt (siehe Abbildung). Sollte jemand den Wunsch äußern, einen solchen Ort zu besuchen, veranlassen Sie einfach, dass Mandarak von einem Nachbarland überrannt oder von einer so drastischen Naturkatastrophe oder Epidemie verheert wird, dass die Kosten einer Reise dorthin viel besser für Hilfsleistungen verwendet werden sollten, weitergeleitet durch Ihre kompetenten und fähigen Hände.
Falls Sie vorhaben, über ein konkretes Wunder zu berichten, achten Sie darauf, dass es in einer kleinen, verfallenen Hütte auf halber Höhe am Hang eines gefährlichen aktiven Vulkans in einem entlegenen Winkel von Pakistan passiert ist, wo es weder ein Telefon noch die Möglichkeit gibt, E-Mails zu senden oder zu empfangen.
(3) Sagen Sie über lokale Veranstaltungen immer die Wahrheit
Falls Sie es für nötig erachten, von Ihrem »Wirken« in näherer Umgebung zu berichten, halten Sie sich immer strikt an die Wahrheit. Patrick Gift, ein Absolvent unseres Instituts, ist auf diesem Gebiet seit Langem ein Experte. Betrachten Sie als Beispiel diesen Auszug aus seinem Rundbrief für den Juli 2004:
»Noch etwas Aufregendes habe ich allen meinen Partnern und Unterstützern zu berichten. Am Freitagmorgen erhielt ich einen Anruf mit der Bitte, einen Mann zu besuchen, den ich bereits ein wenig kannte. Nicht nur mir, sondern auch allen Beteiligten war klar, dass dieser Mann (ich werde ihn Mr. Sefton nennen) sterben würde. Ich tat alles, was Mr. Sefton von mir erbat und erwartete, und ging, innerlich bewegt von der Frage, ob ich ihn in dieser Welt je wiedersehen würde. Am Samstagmorgen wurde ich erneut in dasselbe Haus gerufen. Als ich dort eintraf, fand ich Mr. Sefton aus dem Bett aufgestanden, wohlauf und begierig, mir zu zeigen, wozu ein Mann mit kräftigen Gliedern und dem Willen zum Arbeiten imstande ist. Gott sei gepriesen für das, was er in Mr. Seftons Leben getan hat!«
Ein Meisterstück. Es traf vollkommen zu, dass Gift an jenem Morgen kontaktiert wurde. Der Mann namens Sefton, der nicht nur enorm fit war, sondern auch im selben Jahr schon acht Marathonläufe mit Zeiten unter drei Stunden hinter sich hatte, war zeitlich knapp dran und hatte einige Grabearbeiten, die in seinem Garten zu verrichten waren. Er bot sieben Pfund fünfzig pro Stunde dafür an, diese Arbeiten zu erledigen, während er im Büro war. Ebenso traf zu, das Sefton sterben würde. Das trifft für uns alle zu. Gift stocherte ein wenig halbherzig in der Erde herum, steckte das Geld ein, das Sefton fahrlässigerweise auf dem Küchentisch für ihn hinterlegt hatte, und ging nach Haus. Durchaus zutreffend war auch, dass Gift Sefton möglicherweise in dieser Welt nicht mehr wiedersehen würde; freilich war es ebenso möglich, dass dies doch geschehen würde. So war es denn auch. Als Sefton am nächsten Tag erneut anrief, nahm Gift an, es gebe noch mehr Arbeit zu tun, und ging hin, nur um festzustellen, dass Sefton (der aus dem Bett aufgestanden war, weil er das jeden Morgen tut wie jeder andere auch, nur mit mehr Energie, weil er so furchtbar fit ist) außer sich war vor Wut darüber, dass am Freitag nur ein winziges Stück seines Gartens (nachlässig) umgegraben worden war. Sefton beaufsichtigte Gift, bis die Arbeit ordentlich erledigt war, und weigerte sich, ihm dafür noch mehr Geld zu bezahlen.
Man kann nur bewundern, wie Gift diese Katastrophe zu seinem Vorteil verkehrte. Gute Gemeindelebenskunst beruht oft auf Kreativität, und hier im Institut sind sich alle einig, dass Gift damit im Übermaß gesegnet ist.
(4) Perfektionieren Sie die High-Power-Heilungspositur und fügen Sie eine Abbildung ein
Ein Foto von Ihnen, dem Heiler, bei der Arbeit sollte in Ihrem Brief stets augenfällig platziert werden. Für die Anwendung der High-Power-Heilungspositur gelten strikte Richtlinien (siehe Abbildung). Im Idealfall sollte sie folgendermaßen ausgeführt werden:
(a) Legen Sie die linke Hand leicht, aber teilnahmsvoll auf die rechte Schulter des Heilungsuchenden.
(b) Legen Sie den Kopf in einem Winkel von vierunddreißig Grad nach rechts.
(c) Setzen Sie eine Miene konzentrierten Zuhörens auf, verbunden mit einem leichten Lächeln zuversichtlicher Vertraulichkeit, so als würden Ihnen aus einer anderen geistlichen Dimension freundliche Anweisungen übermittelt.
(d) Heben Sie den rechten Arm, bis die Spitze des längsten Fingers den Scheitelpunkt Ihres Kopfes um etwa drei Zoll überragt, und drehen Sie die Handfläche ein wenig nach innen und links.
(e) Hier kann eine leichte, aber rasche Wippbewegung auf den Fußballen angeraten sein; beachten Sie jedoch bitte, dass die FGBMFI für dieses Manöver Patente angemeldet hat.
Zu unserer Freude können wir jetzt denjenigen, die Schwierigkeiten damit haben, die High-Power-Heilungspositur erfolgreich einzunehmen, unser brandneues Produkt anbieten, die HPHP-Schablone (erhältlich beim Institut für Gemeindelebenskunst zum Preis von vierundzwanzig Pfund je Schablone für die Selbstmontage in Minzgrün oder Quietschorange, einschließlich Porto und Verpackung – siehe Abbildung). Dieses etwas mehr als lebensgroße Modell eines High-Power-Heilers ist aus besonders verstärkter Pappe hergestellt und gestattet es dem Anwender, sich regelrecht in die Figur hineinzustellen und so automatisch die korrekte Positur einzunehmen. Untersuchungen weisen darauf hin, dass