Als Odile die Tragik ihres Schicksals erfasste, raffte sie gerade die letzten Lavendelzweige dieses Sommers zusammen. Bernard, dem sie ihre Gefühle nie gestanden hatte, stiefelte zielsicher und eilig davon, in seine frisch «getraute» Zweisamkeit mit Jeannine. Ihr alter Schulfreund und treuer Helfer in der Not, hat nun also Jeannine geheiratet. Dieses alberne Huhn, das sogar jetzt noch mit Mitte zwanzig, kicherte wie ein Teenager. Was er nur an ihr fand? Hätte sie sich ihm auch so dämlich lachend an den Hals werfen sollen, damit Bernard merkt, dass Odile ihn, bereits seit dem Le Collège anhimmelte? Aufdringlichkeit und Lautsein entsprachen nicht ihrem Naturell und ehe sie sich auf so ein Niveau herunterließ, blieb sie lieber ungesehen und steckte diesen Seitenhieb des Schicksals ein. Auch wenn sie sich zeitweise ihrem Ziel immer mal wieder sehr nah gefühlt hatte. Ein kurzer Anflug von Wut über sich selbst, wollte Odile veranlassen, den Lavendel einfach hinzuschmeißen. Doch der Lavendel konnte nichts für Odiles Zurückhaltung. Und es genügte vollkommen, dass sie ihr Liebesleben ruinierte. Es tat nicht not, dass Odile ihre Lebensgrundlage mit Füßen trat. Also atmete sie einmal tief durch, strich die Zweige zärtlich glatt und legte sie in den Erntekorb. Es war Zeit, Feierabend zu machen und sich um das Essen zu kümmern. Heute Abend sollte ein Gast anreisen. Ein Gast, der ihr Leben auf den Kopf stellen und ihr Herz erobern wird. Henri ist Reisebuchautor und recherchiert auf Odiles Lavendelfarm zum Thema Work&Travel in der Lebensmitte. Abgesehen von dem Auftrag, findet er auch die räumliche Distanz zu seiner Familie ganz vorteilhaft. Doch eines Tages sitzen Oma Liesel und der demente Opa Werner in Odiles Küche. Die Großmütter verbünden sich, um dem Glück der beiden auf die Sprünge zu helfen.