Langsam fährt der Wagen über den knirschenden weißen Flusskies der gepflegten Auffahrt. "Du fährst schon nach Hause!", befiehlt Guntram Seidel dem Sohn in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet: «Es wird bei mir heute später. Ich lasse mich dann nach Hause fahren!» Als der Sohn mit dem Auto verschwunden ist, drückt Guntram Seidel auf den Klingelkopf aus Edelstahl neben dem Schlossportal. Theo Ferstner öffnet die Tür. Fragend und widerwillig mustert er Guntram Seidel. "Wer sind Sie? Was wollen Sie?", fragt er unfreundlich und arrogant. "Hauptzollamt Dresden!", sagt Guntram Seidel mit fester Stimme, während seine zitternde rechte Hand bereits in die Tasche der Regenjacke fasst und nach dem Griff der Pistole tastet. "Ich muss sofort mit Ihrer Frau sprechen! Es geht um Straftaten im Zweckverband!" "Um Straftaten…?", stammelt Theo Ferstner jetzt fassungslos. Aber da ist seine Frau schon heran und steht in ihrem roten Kimono zitternd neben ihrem Mann. Alle Selbstsicherheit ist plötzlich von ihr verschwunden. Wortlos zieht Guntram Seidel die Pistole aus der Tasche seiner Regenjacke, entsichert und feuert vierzehnmal auf die Frau, die im Kugelhagel und im Pulverdampf zusammenbricht. Guntram Seidel sieht ihr Blut spritzen, sieht sie die Arme hoch reißen und die Einschusslöcher in Stirn, Hals, Brust und Bauch. Er feuert noch, als die Frau als regloses Bündel auf dem Fußboden neben ihrem Mann liegt. Er will ganz sicher gehen, dass so etwas nicht überlebt. Er will ganz sicher gehen, dass so etwas nie wieder anderen Menschen dasjenige antut, was ihm in den letzten 17 Jahren angetan wurde.