Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können. "Schalk, alter scheinheiliger Schwerenöter, wirst du wohl!" drohte Graf Hellmarck seinem Dackel, der sich ein Vergnügen daraus machte, dem Stallburschen, der den Schnee von dem breiten Kiesweg fegte, mit bewundernswerter Ausdauer und unnachahmlichem Geschick an den Hosenboden zu springen und seine scharfen Zähne daran zu erproben. Langsam, die krummen Beine wie im Tanzschritt übereinandersetzend, begab er sich zu Herrchen, der ihm lachend die langen Ohren zauste, und sah ihm treuherzig in die Augen, wie der bravste, harmloseste Hund von der Welt. Er blieb auch sittsam an Herrchens Seite und sah so aufmerksam zu ihm auf, als verstände er jedes Wort der Unterredung, die Herrchen mit dem Förster hatte. Doch das nur scheinbar – denn in Wirklichkeit schielte er zu seinem Feind hin, dem er den Fußtritt, den er vor Wochen von ihm erhalten, immer noch nicht vergessen konnte. Darum ließ er keine Gelegenheit vorübergehen, sich für diese ihm angetane Schmach zu rächen. Und nun war eine wundervolle Gelegenheit dazu. Herrchen war bei ihm, und der schlaue Dackel wußte genau, daß niemand es wagen durfte, ihm etwas zuleide zu tun, wenn er auch noch so frech war. Außerdem konnte der Stallbursche auf seine Angriffe nicht so achten: unter den Augen des Herrn mußte seine Aufmerksamkeit der Arbeit gelten, die nicht eben leicht war. Denn tagelang hatte es ununterbrochen geschneit. Türme, Erker und Simse des feudalen, ehrwürdigen Schlosses Hohenwerth hatten blendend weiße Käppchen auf. Doch auf dem breiten Weg, der vom Schloß zu dem kunstvoll gearbeiteten schmiedeeisernen Tor führte, durch das man auf die schnurgerade Allee zu sehen vermochte, konnte der Schnee nicht geduldet werden, und es war Arbeit der Stallburschen, ihm zu Leibe zu gehen. Graf Hellmarck wandte sich wieder dem Förster zu, der genauso wie sein Herr über den gerissenen Schalk, der wegen seiner Streiche bekannt war, herzlich gelacht hatte. Der Förster setzte seinen Bericht fort, dem der Gebieter interessiert lauschte. Ruhig, lässig, stand der Graf vor dem Förster, der immer erregter wurde, je länger er sprach. «Ja, mein lieber Förster», entgegnete er mit seiner dunklen, herrischen Stimme, als der Förster seinen Bericht beendet hatte, «da nützt uns alle Empörung nichts. Herr Kose hat es leicht, unverschämt zu sein, er nützt eben meine Zwangslage aus. Jedenfalls bleibt keine andere Wahl – wir müssen das Holz für den Preis abgeben, so leid es mir tut.» Es zuckte in dem wetterharten Gesicht des Försters, und sein Herr legte ihm die Hand auf die Schulter.