Warum tut er das?. Lundy BancroftЧитать онлайн книгу.
wenn alle anderen zuhören
• Aggressiv gegenüber seiner Partnerin oder seinen Kindern, aber ohne Gewalt und nicht bedrohlich gegenüber allen anderen
• Berechtigungsdenken im eigenen Haus, aber kritisch gegenüber anderen Männern, die Frauen respektlos behandeln oder sie angreifen.
Der Schmerz über diesen Gegensatz kann eine Frau auffressen. Am Morgen verletzt er seine Partnerin aufs Übelste, indem er sie eine „hirnlose fette Kuh“ nennt, und ein paar Stunden später sieht sie ihn mit den Nachbarn lachen und ihnen beim Reparieren ihres Autos helfen. Später sagt die Nachbarin zu ihr: „Dein Partner ist so nett. Du hast Glück, mit ihm zusammen zu sein – viele Männer würden das nicht machen, was er tut.“ Sie antwortet mit einem gemurmelten „Ja“ und fühlt sich verwirrt und sprachlos. Als sie wieder zu Hause ist, fragt sie sich wiederholt: „Warum ich?“
Haben misshandelnde Männer eine gespaltene Persönlichkeit?
Eigentlich nicht. Sie fühlen sich zu Macht und Kontrolle hingezogen, und um diese zu erlangen, gehört es zum Teil dazu, in der Öffentlichkeit gut auszusehen. Der Charme des misshandelnden Mannes lässt seine Partnerin zögern, um Unterstützung oder Hilfe zu bitten, weil sie das Gefühl hat, dass die Leute ihre Enthüllungen nur schwer glauben oder ihr die Schuld geben werden. Wenn Freunde mitbekommen, wie er etwas Beleidigendes sagt, oder wenn die Polizei ihn wegen eines Übergriffs verhaftet, legt sein vorheriges angenehmes Verhalten im Umgang mit anderen den Grundstein dafür, dass er damit davonkommt. Wer es mitbekommt, denkt: Er ist so ein netter Kerl, er ist einfach nicht der Typ dafür, missbräuchlich zu sein. Sie muss ihn wirklich verletzt haben.
Die nette Fassade des Täters hilft ihm, sich gut zu fühlen. Meine Klienten berichten: „Ich komme mit allen außer ihr gut aus. Sie sollten sich erkundigen, wie ich so bin. Sie werden sehen, ich bin ein ruhiger, vernünftiger Mensch. Man sieht, dass sie diejenige ist, die ausflippt.“ Währenddessen benutzt er die Schwierigkeiten, die sie in ihren Beziehungen zu anderen Menschen hat – von denen viele durch ihn verursacht sein können – als weiteren Beweis dafür, dass sie diejenige ist, die das Problem hat.
Eine der größten Herausforderungen für einen Berater von misshandelnden Männern besteht darin, sich nicht von der charmanten Persönlichkeit der Männer einwickeln zu lassen. Wenn sie während der Gruppensitzung plaudern und scherzen, scheinen Grausamkeit und Egoismus weit entfernt zu sein. Ich frage mich dasselbe wie die Nachbarn: Konnte dieser Typ wirklich so gemein werden? Und selbst nachdem er zugegeben hat, was er getan hat, ist es immer noch schwer zu glauben. Dieser Kontrast ist ein Hauptgrund, warum Täter mit dem, was sie tun, davonkommen können.
Unter meinen Klienten hatte ich zahlreiche Ärzte, darunter zwei Chirurgen, viele erfolgreiche Geschäftsleute, darunter Inhaber und Direktoren großer Unternehmen, etwa ein Dutzend Hochschulprofessoren, mehrere Anwälte, eine bekannte Persönlichkeit vom Radio – mit sanft klingender Stimme, Geistliche sowie zwei bekannte Profisportler. Einer meiner gewalttätigen Klienten hatte in den letzten zehn Jahren zu jedem Thanksgiving ehrenamtlich in seiner örtlichen Suppenküche gearbeitet. Ein anderer war ein öffentlich in Erscheinung tretender Mitarbeiter einer großen internationalen Menschenrechtsorganisation. Die Grausamkeit und Zerstörungswut, zu denen diese Männer fähig waren, hätten seine Mitstreiter verblüfft, wenn sie davon gewusst hätten.
Obwohl diese Männer ihre missbrauchende Seite normalerweise außerhalb des Hauses gut unter Verschluss halten, gibt es eine Situation, in der sie sich zeigt: wenn jemand sie mit ihrer Misshandlung konfrontiert und sich für die misshandelte Frau einsetzt, was nun einmal meine Aufgabe ist. Plötzlich kommen die Einstellungen und Taktiken, die sie sich normalerweise für zu Hause aufbewahren, ans Licht. Die große Mehrheit der Frauen, die offenbaren, dass sie misshandelt werden, sagt die Wahrheit. Ich weiß, dass dies wahr ist, weil die Misshandelnden mir gegenüber in ihrer Wachsamkeit nachlassen und ihr Leugnen ablegen.
Tatsache Nr. 8:
Er fühlt sich im Recht.
Vor einigen Jahren hatte ich einen Klienten, der seine erste Gruppensitzung mit einer Erklärung begann: „Ich bin hier, weil ich ein Schläger bin.“ Ich war beeindruckt von seiner eigenen Sichtweise seines Problems. In der nächsten Woche milderte er seine Worte jedoch durch die Formulierung: „Ich bin hier, weil ich misshandele“, und in der dritten Woche erklärte er: „Ich bin im Programm, weil meine Frau denkt, dass ich mich missbräuchlich verhalte.“ Nach wenigen Wochen hatte er aufgehört zu kommen, nachdem er es sich wieder mit seinen Rechtfertigungen bequem gemacht hatte.
Missbrauchende externalisieren die Verantwortung für ihre Handlungen, da sie glauben, dass ihre Partnerinnen sie dazu bringen, sich missbräuchlich zu verhalten. Es ist vorhersagbar, dass jeder meiner Klienten einige Variationen der folgenden Aussagen verwendet:
„Sie weiß, welche Knöpfe sie bei mir drücken muss.“
„Sie wollte, dass ich ausflippe, und sie weiß, wie es funktioniert.“
„Sie hat mich zu weit getrieben.“
„Ein Mann kann nur ein gewisses Maß ertragen.“
„Sie erwarten von mir, dass ich sie einfach auf mir rumtrampeln lasse? Was würden Sie tun?“
Viele Klienten äußern Schuldgefühle oder Reue, wenn sie zum ersten Mal zur Beratung kommen, aber sobald ich sie dazu dränge, sich die Geschichte ihres missbräuchlichen Verhaltens anzusehen, gehen sie wieder dazu über, ihre Handlungen zu verteidigen. Sie haben kein Problem, aalglatt zu äußern, „ich weiß, was ich getan habe, war falsch“, doch wenn ich sie bitte, ihre verbalen oder körperlichen Attacken im Detail zu beschreiben, sind sie wieder bei ihren Rechtfertigungen.
Misshandelnde Männer sind Meister der Ausreden. In dieser Hinsicht ähneln sie Drogenabhängigen, die glauben, dass jeder und alles außer ihnen für ihre Handlungen verantwortlich ist. Wenn sie nicht ihre Partnerinnen beschuldigen, geben sie Stress, Alkohol, ihrer Kindheit, ihren Kindern, ihren Chefs oder ihrer Unsicherheit die Schuld. Noch wichtiger ist, dass sie sich berechtigt fühlen, diese Entschuldigungen vorzubringen. Wenn ich darauf hinweise, dass andere Männer, die unter dem gleichen Druck stehen, sich nicht missbräuchlich verhalten, werden sie meist zornig oder verächtlich.
Bedeutet es, dass Missbrauchende Psychopathen sind, denen jegliches Gewissen fehlt, das sie dazu bringen könnte, sich schuldig oder verantwortlich zu fühlen? Im Allgemeinen nicht, obwohl ich eine geringe Anzahl (vielleicht 5 Prozent) unter meinen Klienten hatte. Die meisten Täter haben ein Gewissen in Bezug auf ihr Verhalten außerhalb der Familie. Sie sind meist bereit, sich für ihre Handlungen am Arbeitsplatz, im Verein oder auf der Straße zu verantworten. Zu Hause jedoch übernimmt ihr Berechtigungsdenken die Oberhand.
Der misshandelnde Mann glaubt in der Regel, dass er seine Partnerin für alles die Schuld geben kann, was schiefläuft, nicht nur für seine Misshandlungen. Hat er nicht gerade eine Enttäuschung erlebt? Sie hat sie verursacht. Ist es ihm peinlich, weil er einen Fehler gemacht hat? Sie hätte es verhindern müssen. Befindet sich eines der Kinder in einer schwierigen Phase? Sie ist eine schlechte Mutter. Alles ist die Schuld eines anderen, und „jemand anders“ sind in der Regel Sie.
Tatsache Nr. 9:
Misshandelnde leugnen und bagatellisieren ihre Misshandlungen.
Eines meiner Spezialgebiete ist die gerichtlich verordnete Arbeit mit Tätern, die körperlich gewalttätig sind oder die ihre Kinder misshandeln. Ich begegne häufig Gerichtsangestellten, die sagen: „Nun, sie beschuldigt ihn, sie misshandelt zu haben, aber er leugnet es.“ Dann lassen sie die Angelegenheit fallen, als ob das Leugnen des Mannes den Fall abschließen würde. Sie sagen mir auch: „Er sagt, sie tut ihm dasselbe an, also nehme ich an, dass sie sich gegenseitig misshandeln.“ Das Leugnen und Beschuldigen des anderen sagt nichts darüber aus, ob die Frau die Wahrheit sagt. Wenn der Mann missbräuchlich handelt, wird er es