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Der Pontifex. Karla WeigandЧитать онлайн книгу.

Der Pontifex - Karla Weigand


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Heilige Vater beabsichtigt jedoch keineswegs, sich von di Gasparini die Gesprächsführung aus der Hand nehmen zu lassen.

      „Wie wahr!“ fällt er dem Sprecher ins Wort. „Selbst das angestrebte brüderliche Miteinander mit der Ostkirche ist leider weiter denn je in die Ferne gerückt, nachdem zwischen Russland und Europa längst wieder die politische Eiszeit angebrochen ist.“

      Die Handvoll Vertrauenswürdiger, die der Heilige Vater zur Diskussion in seine Gemächer geladen hat (bei Carlo di Gasparini haben seine Berater allerdings ordentlich danebengegriffen!), stimmen ihm vorbehaltlos zu.

      „Man muss sagen, sowohl die Fronten der verschiedenen Religionen als auch diejenigen der Politik sind im Augenblick stark verhärtet. Die einzelnen Positionen stehen einander feindselig gegenüber und jederzeit ist eine Explosion der Gewalt möglich“, behauptet ein deutscher Kurienkardinal, Dr. Maximilian Werneth, ein gebürtiger Mainzer und einer der „Leo-affinen“ Geistlichen. „Media vita in morte sumus!“ („Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen!“) zitiert er ein wenig affektiert.

      Er gibt damit wiederum dem Papst ein Stichwort. Der Heilige Vater kann sich nun weiter in einem Monolog ergehen, so wie er ihn immer bevorzugt.

      „Besonders dramatisch steht es um die Beziehungen Roms mit dem Islam, gleichgültig ob schiitischer oder sunnitischer Ausprägung. Wenngleich ernsthafte laute Aufrufe zu irgendwelchen Bekehrungszwängen, womöglich mittels Selbstmordattentaten unseligen Angedenkens, derzeit noch unterbleiben! Wie lange noch?“, fragt der Papst und sieht sich dabei im Kreise seiner Vertrauten um, scheint jedoch keine Antwort darauf zu erwarten.

      „Irgendwann werden die islamischen Fanatiker allerdings wieder zuschlagen!“, bricht es jäh aus ihm heraus und es klingt beinah wie eine düstere Prophezeiung. Die Temperatur im Raum scheint auf einmal um etliche Grad gesunken.

      Seine Heiligkeit blickt jetzt dankbar und mit unverhohlener Zärtlichkeit hoch zu Schwester Monique, die ihm gerade frischen Espresso eingießt, ehe er, dieses Mal in normalem Tonfall, fortfährt: „Nebenbei bemerkt kommt es in letzter Zeit auch immer wieder zu ärgerlichen „Missverständnissen“ mit der jüdischen Orthodoxie, jener irgendwie bei uns Katholiken ungeliebten Urmutter des Christentums“, meint der Heilige Vater, wobei er zwar lächelt, seinen Gästen aber zugleich ein bekümmertes Gesicht präsentiert.

      ‚Aha! Längst vorbei die Zeiten des ‚Zweiten Vatikanischen Konzils’, als Papst Johannes XXIII. die Juden noch als unsere älteren Brüder im Glauben bezeichnet hat’, denkt sich Kardinal Carlo di Gasparini ironisch.

      Aber er hält sich mit Bemerkungen zurück. Warum sich als Einziger das Maul verbrennen? Lieber lässt er sich von Schwester Monique von dem köstlichen Wein nachschenken, den Seine Heiligkeit zu dem Imbiss so großzügig spendiert.

      DAS KREUZZEICHEN

      „Im Namen des Vaters …“

      Der neue Papst vom Schwarzen Kontinent zog und zieht die Hoffnungen, trotz seiner bestürzenden Antrittsrede, nicht nur der Katholiken auf sich; von ihm erwarten sich die Menschen aller Erdteile Anstöße in Richtung Humanität und Vernunft. Vor allem ernstzunehmende Anstrengungen für eine Befriedung der Menschheit insgesamt, ob gläubig oder nicht.

      „Maurice Obembe, neuerdings Leo XIV., lautet jetzt also der Name des neuen Messias! Es scheint tatsächlich, als habe man seine erste Predigt im Petersdom bereits vergessen – oder nicht richtig verstanden. Ist in ihr nämlich nicht gerade die Rede von Frieden und Versöhnung zu hören gewesen. Anscheinend ist die Erwartungshaltung gegenüber diesem Papst aus Schwarzafrika so groß, dass man ihn am liebsten schon zu Beginn seines Pontifikats auf ein Heiligenpodest stellen möchte.“

      Carlo di Gasparini, Chef der Katholischen Glaubenskongregation, behält, wie gesagt, seine ketzerischen Gedanken in bestimmten Kreisen für sich. Womit er übrigens keineswegs der Einzige ist. Lediglich in seinen eigenen vier Wänden legt er sich keinen Maulkorb an.

      „Zu einem Heiligen scheinen weder Aufrufe zu Kampf, aktivem Widerstand, noch gar zu Blutvergießen zu passen“, meint auch Monsignore Barillo, als beide im Speisesaal eines römischen Hotels sitzen.

      „Was wiederum nur beweist, mein lieber Giuseppe, wie wenig die Menschen über Kirchengeschichte Bescheid wissen! Sonst wäre ihnen bekannt, dass viele ‚Heilige’, sofern sie den höheren Chargen der weltlichen oder kirchlichen Hierarchie angehörten, Blut an ihren Händen hatten. Manche sind sogar buchstäblich darin gewatet“, behauptete der Kardinal gegenüber seinem Adlatus Giuseppe Barillo, als beide am nächsten Tag ein spätes Mittagsmahl zu sich nehmen. Vor ihm kann er sich offen äußern, ohne Gefahr zu laufen, dass der Monsignore ihn verpetzt.

      Trotz der Verschiedenheit beider Männer überwiegen bei dem Untergebenen die Gefühle von Ergebenheit und Zuneigung. „Es bleibt mir in der Tat ein Rätsel, warum gerade Obembe, dieser bis dato nicht besonders durch zündende Ideen und zielführende Vorschläge zum Frieden oder zu sonst irgendetwas Erfreulichem aufgefallene Kardinal, als Papst auf einmal so riesige Hoffnungen auf sich vereinigt. Aber so eine provokante Frage stellt auch niemand – zumindest nicht laut! Auch ich halte mich mit Kritik wohlweislich zurück!“

      „Sicher scheint nur Folgendes“, wirft Giuseppe Barillo ein: „Die Mehrheit der Menschen aller Rassen, Religionen und Weltanschauungen hat inzwischen genug von Intoleranz, Aufstachelung zu Krieg, zu Mord und Totschlag ‚im Namen Gottes’. Die meisten sind der vielen törichten Hasspredigten überdrüssig – genauso wie der ständigen Verunglimpfung und Diffamierung Andersdenkender.

      Allmählich scheint auch der Dümmste zu bemerken, dass all das Gehetze nicht weiterbringt und die eigenen bescheidenen Lebensumstände um kein Jota verbessern hilft!“

      „Vielleicht ist das auch mit ein Grund, weshalb man weltweit seine geharnischte, diplomatisch ausgedrückt, wenig von Klugheit geprägte Antrittsrede gar nicht weiter kommentiert hat“, vermutet Carlo di Gasparini, während er Barillo beobachtet, der wie immer beim Essen ordentlich zulangt – ohne jemals auch nur ein Gramm an Gewicht zuzunehmen. Beneidenswert.

      „Es ärgert mich immer noch, dass es als Reaktion auf Leos ‚Kriegspredigt’ keinen empörten Aufschrei gegeben hat. Da habe ich mir doch zumindest heftigen verbalen Widerstand erwartet!“

      * * *

      Sooft er künftig in den Räumlichkeiten des Heiligen Vaters verweilt, hält der Kardinal sich bewusst etwas im Hintergrund und widmet sich lieber dem herrlichen Rotwein, den Schwester Monique eigenhändig in die Pokale einzugießen pflegt.

      Die Nonne hat ihre schönen schwarzen Augen überall; niemals entgeht ihr, wenn ein Gast auf dem Trockenen sitzt. Während er seine dunklen, etwas wässrigen Äuglein wohlwollend über die Gestalt der Nonne gleiten lässt, macht sich ein Gefühl von Neid in seinem Herzen bemerkbar: ‚Warum nur hat dieser Kerl so ein unglaubliches Glück? Für ein solches Weibsbild als Geliebte würden manche ‚normal veranlagte’ Kleriker sogar morden …’

      Wie ein Schatten gleitet sie an di Gasparinis Seite, ganz so, als habe sie es gespürt, dass seine Gedanken ihr gelten und versorgt ihn lächelnd erneut mit dem köstlichen Getränk aus dem Burgund, das der Papst nur ganz besonderen Gästen gönnt. Normalerweise werden am Tisch des Pontifex Weine aus Südafrika kredenzt – gewiss auch sie köstliche Tropfen.

      Kurz darauf bemüht sich Schwester Monique erneut um den Kardinal, indem sie ihm auf einer Silberschale vorzügliches Mandelgebäck aus Florenz anbietet. Erneut mustert der ältliche Prälat die rassige Schwarze: ‚Die ‚Fürsorge’ so einer ‚Schwester’ ließe ich mir auch gerne auf Dauer gefallen …’

      Obwohl natürlich nicht alle Anwesenden den gleichen Standpunkt wie der Papst vertreten – egal, zu welchem Thema er sich äußert – provoziert Leos Rede anscheinend niemals jemanden zu offenem Widerspruch.

      ‚Vielleicht ist es tatsächlich so, dass ein echter Konsens des friedlichen Miteinanders aller denkenden Individuen der Spezies homo sapiens gar nicht möglich ist’, denkt der Kardinal mit einer gewissen Ernüchterung, während er verzückt das Bouquet


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