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Der Pontifex. Karla WeigandЧитать онлайн книгу.

Der Pontifex - Karla Weigand


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wie ihr weißer Sahib – ein höherer deutscher Offizier mit Adelstitel, der sich nach Ablauf seiner regulären Dienstzeit mit seiner Frau wie viele andere ebenfalls als Zuckerrohrpflanzer versuchte – sich erlaubt hatte, seine Mutter sexuell zu bedrängen. Er hatte sie in der Scheune beim Stillen ihres zweitältesten Sohnes, seines damals dreijährigen Bruders überrascht.

      Elisa pflegte, wie alle Frauen ihres Stammes, Kindern bis zum fünften Lebensjahr die Brust zu geben. Einem alten Volksglauben zufolge, sollte diese Praxis der Geburtenkontrolle dienlich sein.

      Wie die Geburtenhäufigkeit der Eingeborenenfrauen hinlänglich bewies, war dieser „Kontrolle“ allerdings keine besondere Effizienz zu bescheinigen …

      Maurice selbst wurde des Gestilltwerdens zwar nicht mehr teilhaftig, aber Henri musste sich noch mit der kleinen Greta die Muttermilch teilen.

      Der deutsche Pflanzer zerrte an Elisas Baumwollrock, der dabei zerriss und begann, ihre dünne Bluse zu zerfetzen, da sie sich überraschend heftig zur Wehr setzte. Empört weigerte sie sich, sich auszuziehen und sich ihm freiwillig hinzugeben.

      „Warte, du schwarzes Biest!“, hörte der kleine Maurice, der sich voller Angst hinter einem Bottich versteckt hatte, den Bwana toben. „Ich werd’ dir geben! Es ist mein gutes Recht, dass du die Beine jederzeit für mich breit machst, du dreckiges Luder!“

      Wie ein bösartiger Hund hatte der Weiße mit offenstehender Hose, aus der sein erigierter Penis ragte, geknurrt und ihr einen Faustschlag gegen die Wange versetzt, ehe er nach der an der Scheunenwand hängenden Kiboko griff, jener gefürchteten Flusspferdpeitsche aus Krokodilleder, um Maurices geliebte Mama „Mores zu lehren“, wie der Sahib es wutschnaubend nannte.

      Bei der Kiboko handelte es sich um eine fürchterliche, in aller Regel grässliche Fleischwunden verursachende Waffe, die dazu diente, aggressive Flusspferde abzuwehren; Tiere, denen in Afrika mehr Menschen zum Opfer fielen als Krokodilen oder Löwen.

      Maurice hatte zwar gewusst, dass seine hochgewachsene Mutter Elisa stark und auch sehr mutig war. Aber die Schnelligkeit und vor allem die wilde Entschlossenheit, mit der sie erst ihren kleinen Sohn ein Stück abseits auf den Boden setzte, ehe sie wie eine Leopardin auf ihren „Besitzer“ zusprang, ihm blitzschnell das unter Umständen sogar tödliche Züchtigungsinstrument entriss und stattdessen ihn mit dessen Stiel verprügelte, bis er, schreiend vor Schmerzen und fluchend vor ohnmächtiger Wut, zu Boden ging:

      Das nötigte dem kleinen Jungen gewaltigen Respekt ab! Niemals hat Maurice den geradezu unwirklich anmutenden Anblick vergessen: Elisa mit gespreizten Beinen, die der zerfetzte Rock bis zu den schlanken muskulösen Oberschenkeln frei gibt, die Peitsche mit erhobenem Arm in der Luft schwingend, blickt wie eine wilde Rachegöttin nieder auf den Gedemütigten, dessen Glied sich inzwischen längst klein und schlapp im Hosenschlitz verkrochen hat, und stellt ihm mit bemerkenswert ruhiger Stimme ein Ultimatum.

      „Du kannst es dir jetzt aussuchen, weißer Mann: Entweder du schwörst mir beim Leben deiner eigenen kleinen Tochter, dass du es nie mehr wagen wirst, gegen mich oder einen der Meinen auch nur die Hand zu erheben – oder ich schlage dich augenblicklich tot wie eine Ratte!

      Aber vorher“ – nicht einmal Maurice hat gesehen, woher sie das scharfe Fischmesser, das sie zwar immer bei sich trug, jetzt so urplötzlich hervorgezaubert hat – „würde ich dich noch von deiner verfluchten Männlichkeit befreien! Als Vergeltung für die vielen Übergriffe, die du dir bisher gegen meine schwarzen Schwestern geleistet hast!“

      Blitzschnell greift Elisa ihm zwischen die Beine und umfasst grob seine Hoden.

      „Deine Eier im Futtertrog der Schweine: Das würde denen mit Sicherheit gut gefallen!“

      Unwillkürlich beginnt der Bwana zu wimmern und um Gnade zu betteln. Nach einer Weile lockert Elisa ihren Griff.

      Dem damals Fünfjährigen ist bei den schrecklichen Worten seiner Mutter der Mund vor Schreck offen stehen geblieben. Der dreijährige Henri, der bei dem Geschrei des Plantagenbesitzers fürchterlich erschrocken ist und, als der weiße Mann seine Mutter mit der Faust schlug, zu weinen begonnen hat, versteht noch nicht, worum es eigentlich geht.

      Bei Maurice verhält es sich anders. Der Fünfjährige begreift sehr wohl, was der Bwana von Elisa gewollt hat. In den beengten Sklavenunterkünften kriegen es auch die jüngeren Kinder mit, wenn Männer und Frauen sich „näherkommen“. Aber das geschieht in aller Regel in beiderseitigem Einvernehmen …

      Was seine Mutter gerade wagte, mag zwar bewundernswertes Heldentum sein, grenzte jedoch an hellen Wahnsinn, darüber gibt es für den kleinen Maurice keinen Zweifel.

      Natürlich wird der weiße Mann den geforderten Schwur jetzt leisten und, nachdem Elisa von ihm abgelassen und er sich von dem Schreck erholt hat, sie zur Strafe durch seine Helfershelfer auf der Plantage umbringen lassen. Und ihn und seine Geschwister gleich mit …

      Bestimmt ist sich dessen auch Elisa bewusst. Während der Pflanzer noch den Schwur herunterleiert, steckt sie das Messer in den Bund ihres zerfetzten Rocks, hebt ihren kleinen Sohn Henri von der Erde auf, schiebt sich die Kiboko unter einen Arm und stolziert hoch erhobenen Hauptes aus der Scheune, in der das geerntete Zuckerrohr lagert, bis es abgeholt wird.

      Erst draußen lässt sie achtlos das verabscheuungswürdige und verhasste Züchtigungsinstrument mitten auf den Weg fallen.

      Wie durch ein Wunder waren damals keine neugierigen schwarzen Arbeiter bei dem lauten Getümmel herbeigerannt, wie sie es sonst immer taten, sobald etwas auf der Pflanzung die übliche Routine unterbrach.

      Bereits als sie ihren Herrn hatten kommen sehen, waren sie blitzartig in ihren Hütten verschwunden. Sie ahnten wohl, dass der Sklavenhalter plante, sich mit einer der ihren, dieses Mal mit ihrer ungekrönten Königin, der Häuptlingsfrau Elisa, zu „vergnügen“, die kurz zuvor die Scheune betreten hatte.

      Normalerweise suchte der Herr die Lagerhalle für das Zuckerrohr nur auf, wenn der Aufkäufer nach der Ernte kam, um mit ihm den Preis auszuhandeln. Aber das war bereits vor zwei Tagen geschehen. Besuche außer der Reihe konnten nur eines bedeuten …

      Und bei einem „Rendezvous“ schätzte der Bwana es erfahrungsgemäß überhaupt nicht, gestört zu werden. Zitternd vor Angst, aber doch unendlich stolz auf Elisa, war Maurice ihr hinterhergelaufen. Diese Begebenheit würde er niemals aus dem Gedächtnis verlieren. Im Gegenteil: Er würde dafür Sorge tragen, dass auch seine Nachkommen davon erfuhren.

      CONFITEOR; AKT DER AUFRICHTIGEN REUE

      „Herr, ich habe gesündigt! In Demut und Reue bekenne ich meine Sünden!“

      (Eingangsworte des bußwilligen Sünders an seinen Beichtvater)

      Auch jetzt, ein Jahr später, während der dramatischen, aber nur halb erfolgreichen Flucht, ruft Maurice sich im Geiste immer wieder das damals Erlebte zurück; schenkt es dem kleinen Jungen doch die Hoffnung, seine starke und mutige Mutter werde einen Weg finden, um sie alle zu retten und nicht erneut in die Hände ihres Feindes fallen zu lassen.

      In dieser Situation betet der Junge in seiner Verzweiflung sogar zum lieben Jesus, er möge dafür sorgen, dass sie alle ein bestimmtes, sehr versteckt liegendes Dorf am Fluss Rungwa erreichen könnten, welches Elisa ausgesucht hat, um bei entfernten Verwandten in Sicherheit zu sein.

      Der schreckliche Vorfall in der Zuckerrohrscheune hätte damals eigentlich der endgültige Startschuss der längst geplanten Flucht von der Plantage des deutschen Ehepaares sein sollen. Noch in derselben Nacht wollten Elisa sowie ein Großteil der übrigen Sklaven sich im Schutz der Dunkelheit davonmachen.

      Allerdings wurde daraus nichts, denn der halbtot geprügelte Pflanzer hatte noch die Energie besessen, seine Wachtposten in besondere Alarmbereitschaft zu versetzen. Sie mussten sämtliche Schwarze in ihre Hütten treiben und fesseln und durften sie während der nächsten Tage keinen Augenblick lang aus den Augen lassen.

      Zu essen bekamen die schwarzen Arbeiter fast eine Woche lang nichts. Möglich war dies, weil die schwere Arbeit der Zuckerrohrernte bereits vorüber war, das Rohr in Stücke geschnitten und die fertigen


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