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Der Pontifex. Karla WeigandЧитать онлайн книгу.

Der Pontifex - Karla Weigand


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zu ihm, bei einer Papstwahl nicht stimmberechtigt sind.

      Im Grunde ihres Herzens sind sie alle Traditionalisten, die die Meinung vertreten, ein „anständiger“ Papst müsse gemäß der guten alten Tradition immer ein Italiener sein. Die letzten drei „Ausreißer“, ein Pole, ein Deutscher und ein Argentinier hätten weiß Gott gereicht. Der letzte, immerhin ein Sizilianer, hatte zwar keinen Schaden angerichtet, aber ein Gewinn für die Institution Kirche war auch er keineswegs gewesen. Bestenfalls war er als „unbedeutend“ einzustufen; außerdem hatte er nicht allzu lange den Papstthron besetzt, da der Herrgott dem Argentinier extrem viele Lebensjahre beschert hatte.

      „Und was hat man jetzt? Leo XIV. ist die absolute ‚Krönung’ des Desasters, in dem die Kirche sich seit langem befindet“, lautet Logelli-Brancas ehrliches Urteil, das er allerdings nur sich selbst eingesteht.

      Zuerst muss der Kardinal das in den Augen seiner Freunde ebenfalls verstörende Wahlergebnis irgendwie rechtfertigen – was ihm erst nach einer Weile so halbwegs zu gelingen scheint. Ist er doch selbst immer noch über den Ausgang der Wahl verstört. Schließlich schwört der Kardinal sogar, als einer der ganz wenigen nicht für Obembe gestimmt zu haben …

      „Wie zum Teufel konnte das erlauchte Gremium denn zu dieser geradezu sittenwidrigen Entscheidung gelangen?“ Das fragt ein hoher amerikanischer Geistlicher irischer Abstammung ganz gerade heraus. Man ist ja schließlich „unter sich“. (Manche flüstern hinter vorgehaltener Hand, der ehrenwerte Reverend sei ein Förderer, wenn nicht sogar Mitglied des Ku-Klux-Klans …)

      Diese existenziell enorm wichtige Frage treibt die anwesenden Herren allesamt um, auch wenn sie nicht jeder so drastisch wie der Amerikaner formuliert.

      Nach den zahlreichen geheimen Vorgesprächen unter den italienischen Kardinälen galt es doch als ausgemacht, dass man auch dieses Mal dem Drängen von Laien und vieler „modern eingestellter“ Geistlicher nicht nachgeben wolle, sondern wie bisher, wenn es denn schon kein Italiener sein solle, wenigstens einem Papst mit weißer Haut den Vorzug geben werde.

      „Die Kirche bedarf keines farbigen Revolutionärs, sondern eines behutsamen europäischen Erneuerers“, war allgemeiner Konsens in ihren Kreisen gewesen. Und in geradezu unanständiger Eile hatte dann trotz allem das betrübliche Ergebnis festgestanden …

      „Ich sehe schwarz für die Zukunft der Una Sancta“, äußert sich ein anderer Prälat aus Deutschland besorgt.

      „Na, dann passt es ja! Noch schwärzer als ‚Leo Africanus’ kann schlechterdings kaum etwas sein …“, sagt einer der geistlichen Herren aus der unzufrieden murrenden Runde mit einem Anflug von Galgenhumor. Der Spitzname, den Carlo di Gasparini Leo XIV. angehängt hat, scheint sich in Windeseile verbreitet zu haben.

      Über die Gründe des Fiaskos herrschen diverse Zweifel. Hatte man womöglich im Vorfeld zu wenig Druck auf die Kardinäle, die zum Konklave zugelassen waren, ausgeübt? Oder war dieser im Gegenteil vielleicht zu stark und penetrant ausgefallen? Bei nicht wenigen zieht bekanntlich die sanfte Tour, verbunden mit Versprechungen oder Aussichten auf fette Pfründe und sonstige monetäre und andere Vergünstigungen, viel stärker. War man sich zu sicher gewesen, dass alles wieder zum Altbewährten zurückkehren werde?

      Eine befriedigende Antwort weiß derzeit niemand.

      Dazu schwebt mehr oder weniger unausgesprochen die nicht minder relevante Frage im Raum: Wer zur Hölle sind denn nun die Abweichler gewesen? Namen schwirren durch den Raum, werden verworfen, um sofort von anderen aufgegriffen zu werden. Man kennt doch seine unsicheren Kantonisten. Oder vielleicht doch nicht?

      Aber: Gewählt ist gewählt! Dem Herrn sei’s geklagt, sie werden mit ihm leben müssen. Und wie es aussieht, noch sehr lange …

      „Er wird uns alle, oder zumindest die meisten von uns, locker um viele Jahre überleben“, knurrt der Gastgeber, der einundsiebzig Jahre alte Kurienkardinal Ettore di Logelli-Branca und seufzt tief. Schmerz und zugleich Wut und Enttäuschung halten sich in seinem Herzen die Waage.

      „Die Medien in Italien und im Ausland überschlugen sich ja förmlich über die ‚großartige’ Ernennung eines Schwarzafrikaners zum Heiligen Vater der katholischen Christenheit“, meldet sich der missmutige Deutsche erneut zu Wort.

      „Sogar Russland gratulierte scheinheilig und selbst in China zeigte man sich sehr angetan vom ‚erfreulich deutlichen’ Ausgang der Wahl. Und der allgemeine Tenor in Deutschland lautet: ‚Dieses Votum ist längst überfällig gewesen.’ Sind denn plötzlich alle verrückt geworden?“ Der deutsche Prälat erleidet einen Hustenanfall.

      „Was mich überaus stört“, merkt eine Eminenz aus Spanien brummig an, „ist das makabre Theater, das jetzt auch noch die Yellow Press veranstaltet. Ausgerechnet für diese oberflächlichen, indiskreten und primitiven Publikationsorgane, die bekanntermaßen noch nie etwas mit Kirche am Hut hatten, scheint der jetzige Papst so eine Art Popstar zu sein.“

      „So ist es!“, fällt Ettore di Logelli-Branca giftig ein. „Alles an dem Neuen wird wohlwollend ins Auge gefasst und begeistert registriert: Seine imponierende Größe, die drahtig-schlanke Figur, ja, sein ganzes Aussehen wird seziert. Gewöhnliche Printmedien und sämtliche schwachsinnigen Frauenzeitschriften lassen sich lang und breit über ‚seine wundervollen seelenvollen Augen, die langen Wimpern, die hohe Denkerstirn, die männlich-kräftige Nase und seinen angeblich sinnlichen Mund mit den herrlichen weißen Zähnen’ aus.“

      Diese Art Medienhype ist auch den übrigen Anwesenden ein Dorn im Auge und veranlasst sie zu halblauten Unmutsäußerungen.

      „Sogar, dass er seit seiner Ernennung zum Kardinal vor vier Jahren sein dichtes schwarzes Kraushaar ‚geopfert hat’ und stattdessen mit blankem Schädel herumstolziert, findet allgemeinen Beifall. Von ‚prachtvoller Männlichkeit und vertrauenerweckender Väterlichkeit, haha!, die er angeblich in reichem Maße ausstrahlt’, ist die Rede. Ob er fromm und gläubig ist, interessiert hingegen keine Sau!“, behauptet ein brummiger Monsignore aus Österreichs Innviertel.

      „Würde mich nicht wundern, wenn sie ihn demnächst in Hollywood zum ‚Mister Universe’ küren würden!“

      Das kommt wiederum vom Bischof von Sevilla. Er erntet empörte Kommentare, aber auch Schmunzeln und vereinzelte Lacher bei der versammelten Geistlichkeit.

      „Warum nicht gleich zum ‚sexiest man alive’?“

      Diese frivole Bemerkung entschlüpft dem verkniffenen Munde eines anderen Bischofs, eines flämischen Griesgrams, der sich abseits von den anderen in einen Sessel in der Ecke verdrückt und bisher noch geschwiegen hat.

      Die Äußerung des Belgiers ruft bei den meisten Klerikern abschätzige Mienen, bei einigen hingegen glänzende Augen hervor. Vermutlich denken die Herren an die schöne „Schwester Monique“ … Aber keiner der Anwesenden lässt sich dazu hinreißen, sie in diesem heiklen Zusammenhang zu erwähnen. Dieses Eisen ist offenbar auch den schärfsten Kritikern des neuen Papstes zu heiß.

      „Mich würde interessieren, wie Leo XIV. sich dabei fühlt, wenn man ihn derart durch den Kakao, respektive durch den Mediensumpf, zieht! Das müsste ihm doch eigentlich ausgesprochen zuwider sein“, stellt der Griesgram als Behauptung in den Raum. „Warum gibt er dieser Spezies von aufdringlichen Pressefritzen überhaupt noch Interviews?“

      „Dass ihm das peinlich ist, glaube ich wiederum weniger“, widerspricht der Gastgeber und zieht indigniert die sorgfältig schwarzgefärbten und getrimmten Augenbrauen in die Höhe. „Ich befürchte eher das Gegenteil, mein Lieber. Ich argwöhne hingegen, er genießt den medialen Rummel um seine Person geradezu. Bescheidenheit scheint nicht zu den herausragenden Tugenden Seiner Heiligkeit zu gehören.

      Würde er sonst jedem Pipi-Magazin ein Interview gewähren? Garniert mit ausgesprochenen ‚Starfotos’? Aber, wie gesagt, das ist nur meine bescheidene Meinung“, tönt Kurienkardinal di Logelli-Branca.

      Gleich darauf tut ein Franzose aus der Picardie den Mund auf.

      „Sie können ihn ja mal bei Gelegenheit selbst danach


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