Europarecht. Bernhard KempenЧитать онлайн книгу.
Staaten erfüllen müssen. Die zugleich geforderte Verpflichtung zur aktiven Förderung dieser Werte gebietet diesen Staaten ein bewusstes Eintreten für ihre Realisierung sowohl nach innen wie nach außen. Nicht als eigenständige Werte zu qualifizieren und damit ohne Bedeutung für den Beitritt zur EU sind dagegen nach zutreffender Auffassung die in Art. 2 S. 2 EUV genannten Anforderungen an die Gesellschaft.
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Hinsichtlich der menschenrechtlichen Anforderungen dienen überstaatliche Menschenrechtsgewährleistungen, insbesondere die → Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), als Maßstab. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die darin enthaltenen Rechte in Art. 49 UAbs. 1 S. 1 EUV allein als „Werte“ und damit als objektive Gewährleistungen in Bezug genommen werden. Konkrete Folgerungen lassen sich am ehesten dem Gebot der Beachtung von individuellen Rechten Minderheitsangehöriger entnehmen, etwa das Recht zur Verwendung der eigenen Sprache.
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Die Bezugnahme auf die Demokratie in Art. 49 UAbs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 2 EUV fordert schon in Anbetracht der Undeutlichkeit des europarechtlichen Demokratiebegriffs von beitrittswilligen Staaten nicht mehr als die Erfüllung demokratischer Mindestanforderungen. Dazu gehören insbesondere regelmäßige freie und geheime Wahlen zu den gesetzgebenden Körperschaften, die Geltung des Mehrheitsprinzips, das zugleich mit einem Schutz der politischen Minderheiten einhergeht, und die Möglichkeit des Machtwechsels. Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist die Staatsform eines beitrittswilligen Staates ebenso unerheblich wie die Existenz direktdemokratischer Elemente in der nationalen Verfassungsordnung. „Undemokratisch“ sind somit allein bekennende Autokratien und scheindemokratische Regime, deren EU-Beitritt Art. 49 EUV daher entgegensteht.
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Das Gebot der Rechtsstaatlichkeit fordert von beitrittswilligen Staaten, dass diese rechtsstaatliche Prinzipien sowohl in ihrer Rechtsordnung vorsehen als auch praktisch verwirklichen. Hierzu zählt, dass die wesentlichen Entscheidungen im Gemeinwesen grundsätzlich rechtlich determiniert sein müssen, um Willkür zu verhindern und Transparenz zu schaffen. Damit gehen zwingend der Vorrang des Gesetzes, seine Bestimmtheit und seine Einbindung in eine klar strukturierte Rechtsordnung einher. Rechtsstaatlichkeit nimmt darüber hinaus unmittelbar die Rechtsstellung des Einzelnen in den Blick. So wird heute die Gewährleistung von Grundrechten auch als rechtsstaatliches Gebot verstanden. Rechtssicherheit, Vertrauensschutz und effektiver Rechtsschutz sind weitere wesentliche Merkmale von Rechtsstaatlichkeit. Gleiches gilt für den → Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; vgl. auch Art. 5 Abs. 4 UAbs. 1 EUV. Als Voraussetzung und Sicherung dieser Anforderungen ist zudem eine Funktionentrennung bei der Ausübung von Hoheitsgewalt geboten (Gewaltenteilung bzw. Checks and Balances). Gerade Staaten, die sich nach der Überwindung autoritärer Regime in einer Übergangsphase befinden, verfügen häufig noch nicht über eine vollständig entwickelte Rechtsstaatlichkeit. Das Beitrittsverfahren kann dann als Katalysator für deren Ausprägung dienen. Allerdings lässt Art. 49 UAbs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 2 S. 1 EUV verschiedene Ausprägungen von Rechtsstaatlichkeit in beitrittswilligen Staaten zu.
2. „Vereinbarte Kriterien“
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Art. 49 UAbs. 1 S. 4 EUV sieht vor, dass bei der Entscheidung über den Beitritt „[d]ie vom Europäischen Rat vereinbarten Kriterien […] berücksichtigt“ werden. Ohne dies klar zum Ausdruck zu bringen, nimmt die Vorschrift auf die 1993 im Vorfeld der Osterweiterung von den Mitgliedstaaten formulierten Kopenhagener Kriterien Bezug, soweit diese nicht in Art. 2 EUV primärrechtlich normiert wurden. Erforderlich ist somit insbesondere, dass Beitrittskandidaten eine institutionelle Stabilität und eine funktionsfähige Marktwirtschaft aufweisen. Darüber hinaus müssen sie bereit und fähig sein, die aus der EU-Mitgliedschaft folgenden Anforderungen zu erfüllen.
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Durch die unbestimmte Qualifikation als „vereinbarte Kriterien“ lässt Art. 49 UAbs. 1 S. 4 EUV zudem Raum für die Festlegung von Anforderungen durch den Europäischen Rat, die über die Kopenhagener Kriterien hinausgehen. Dies schließt länderspezifische Anforderungen ein. Europarechtlich gebotene oder politisch für notwendig erachtete Veränderungen können auf diese Weise forciert werden. So könnten in Abhängigkeit von den jeweils besonders ausgeprägten Defiziten etwa die tatsächliche Gewährleistung der Religionsfreiheit oder die effektive Bekämpfung der Korruption vom Europäischen Rat als „vereinbarte Kriterien“ beschlossen werden und als Bewertungsmaßstab im Beitrittsverfahren dienen.
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Unzulässig sind „vereinbarte Kriterien“, die den Werten des Art. 2 EUV widersprechen. Aus Art. 20 Abs. 4 S. 2 EUV folgt des Weiteren, dass die Bereitschaft zur Mitwirkung an fakultativen Integrationsschritten wie z.B. einer verstärkten Zusammenarbeit nicht als Beitrittsvoraussetzung vorgesehen werden kann. Das Gebot der Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten, Art. 4 Abs. 2 EUV, steht schließlich der Vereinbarung von Kriterien im Europäischen Rat entgegen, welche die spezifische Ausprägung der Staatlichkeit von Beitrittskandidaten in Frage stellen.
3. Acquis communautaire (gemeinschaftlicher Besitzstand)
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Um der EU beitreten zu können, muss ein Staat schließlich das gesamte geltende Europarecht (→ Primärrecht und → Sekundärrecht, Entscheidungen des → Europäischen Gerichtshofs [EuGH], völkerrechtliche Verträge) anerkennen bzw. übernehmen. Dies setzt regelmäßig erhebliche Anpassungen der nationalen Rechtsordnung voraus.
B › Beitritt (zur EU) (Matthias Knauff) › IV. Beitrittsfolgen
IV. Beitrittsfolgen
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Sofern keine Sonderregelungen vereinbart wurden, kommen einem neu beigetretenen Staat alle aus der EU-Mitgliedschaft folgenden Rechte und Pflichten zu. Über die Einbeziehung in die Euro-Zone (→ Wirtschafts- und Währungsunion [WWU]) ist jedoch ebenso wie über die Teilnahme an etwaigen Erscheinungsformen der vertieften Integration gesondert zu entscheiden.
B › Beschluss (Daniela Schroeder)
Beschluss (Daniela Schroeder)
I.Allgemeines394 – 400
II.Adressatengerichteter Beschluss401 – 410