Europarecht. Bernhard KempenЧитать онлайн книгу.
a)Gewährleistungsgehalt des Demokratieprinzips am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland509, 510
b)Überstaatlich anerkannte Gewährleistungen des Demokratieprinzips511, 512
2.Unionsrechtliches Demokratieverständnis513 – 519
a)Grundsatz der repräsentativen Demokratie514, 515
b)Teilhaberechte der Unionsbürger516, 517
c)Offenheit und Bürgernähe518, 519
III.Vorwurf des Demokratiedefizits520 – 524
Lit.:
A. Bleckmann, Das europäische Demokratieprinzip, JZ 56 (2001), 53; E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Aufl. 2004, 429; A. v. Bogdandy, Grundprinzipien, in: ders./J. Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht – Theoretische und dogmatische Grundzüge, 2. Aufl. 2009, 13; B.-O. Bryde, Demokratisches Europa und Europäische Demokratie, FS für M. Zuleeg, 2005, 131; C. Calliess, Das Demokratieprinzip im europäischen Staaten- und Verfassungsverbund, FS für G. Ress, 2005, 399; K. Doehring, Demokratiedefizit in der Europäischen Union?, DVBl 1997, 1133; C. Franzius, Demokratisierung der Europäischen Union, EuR 48 (2013), 655; S. Hobe, Der offene Verfassungsstaat zwischen Souveränität und Interdependenz, 1998.
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Das Demokratieprinzip zählt wie auch der → Vertrauensschutz zu den wesentlichen Verfassungsprinzipien des Unionsrechts (→ Europarecht: Begriff; → Konstitutionalisierung). Der Europäischen Union kommt insofern aufgrund ihrer Rechtsetzungsbefugnis eine Sonderstellung im Verhältnis zu anderen Internationalen und regionalen Organisationen zu. Nach einem zunächst zögerlichen Beginn hat das Demokratieprinzip im Unionsrecht eine bemerkenswerte Entwicklung durchlebt. Dabei ist die genaue Ausgestaltung des Prinzips hier naturgemäß besonders problematisch, weil die Vorstellungen von Demokratie in den Mitgliedstaaten einerseits und in der Union andererseits nicht immer gleich ausgeprägt und zudem schwer miteinander in Einklang zu bringen sind.
D › Demokratieprinzip (Stephan Hobe) › I. Entwicklung des Demokratieprinzips im Unionsrecht
I. Entwicklung des Demokratieprinzips im Unionsrecht
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Bis in die 1990er Jahre wurde das Demokratieprinzip im Unionsrecht eher als politische Forderung denn als rechtliches Prinzip verstanden. In den Vertragstexten fand sich der Begriff nicht wieder. Auch der → Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in seiner Rechtsprechung nur zögerlich darauf bezogen. Mit zunehmender Integration auch souveränitätssensibler Bereiche wurde der Bedarf nach demokratischer Legitimation jedoch immer stärker. Eine erste Kodifizierung erfolgte schließlich mit dem Vertrag von Maastricht (→ Europäische Union: Geschichte). Im fünften Erwägungsgrund wurde dort der Wunsch der Mitgliedstaaten festgehalten, „Demokratie und Effizienz in der Arbeit der Organe weiter zu stärken“. Art. F Abs. 1 statuierte zudem die Achtung der „nationale[n] Identität [der] Mitgliedstaaten, deren Regierungssysteme auf demokratischen Grundsätzen beruhen“. Eine gewisse Festigung erfuhr das Prinzip sodann in den Verträgen von Amsterdam und Nizza, welche in ihrem jeweiligen damaligen Art. 6 Abs. 1 EUV explizit vorsahen, dass die Union u.a. auf dem Grundsatz der Demokratie beruht, welcher „allen Mitgliedstaaten gemeinsam“ ist. Somit waren nicht mehr nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Union selbst an den Grundsatz der Demokratie gebunden.
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Der – letztlich gescheiterte – Konventsentwurf des Verfassungsvertrags (→ Konstitutionalisierung) ging wesentlich weiter. Unter Teil I Titel VI (Das demokratische Leben der Union) und Teil II Titel V (Bürgerrechte) wurden verschiedene Aspekte des Demokratieprinzips aufgegriffen. Das in der Literatur z.T. als zu heterogen kritisierte Zusammenspiel der Demokratieelemente wurde schließlich im Vertrag von Lissabon gelockert. Unter Beibehaltung der Kernaspekte wurde die Zahl der Vorschriften zum Demokratieprinzip reduziert. Das Prinzip wird nunmehr zunächst im zweiten, vierten und siebten Erwägungsgrund erwähnt. In Art. 2 EUV wird die Demokratie sodann zu einem Wert erhoben, auf den sich die Union gründet. Unter Titel II (Bestimmungen über die demokratischen Grundsätze) werden Teile des Prinzips in vier Artikeln (Art. 9–12 EUV) konkret behandelt. Mit dem Vertrag von Lissabon fand das Demokratieprinzip somit erstmalig eine präzisierte Ausgestaltung.
D › Demokratieprinzip (Stephan Hobe) › II. Ausprägungen des Demokratieprinzips
II. Ausprägungen des Demokratieprinzips
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Das Demokratieprinzip wird im Unionsrecht weder durch die Gründungsverträge noch durch den EuGH definiert. Es handelt sich vielmehr um ein offenes Prinzip, welches sich einer eindeutigen Begriffsbestimmung entzieht. Sein tatsächlicher Gehalt kann demnach nur anhand seiner jeweiligen Ausprägungen erfasst werden. Orientierungspunkte liefern insofern die Art. 9–12 EUV, in welchen das Demokratieprinzip unionsrechtlich konkretisiert wird.
1. Demokratieverständnis der Mitgliedstaaten
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Bereits vor dem Lissabonner Vertrag war das Demokratieprinzip als Allgemeiner Rechtsgrundsatz (→ Primärrecht) der EU anerkannt. Insofern ergibt sich sein Gewährleistungsgehalt auch aus dem gemeinsamen Verständnis der Mitgliedstaaten.
a) Gewährleistungsgehalt des Demokratieprinzips am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland
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Im deutschen Grundgesetz ist das Demokratieprinzip in Art. 20 Abs. 1 und 2 GG verankert. So hält Art. 20 Abs. 1 GG fest, dass die Bundesrepublik Deutschland „ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“ ist. Nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Dieses sog. Prinzip der Volkssouveränität wird in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG dahingehend präzisiert, dass die Staatsgewalt „in Wahlen und