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Die Modern-Work-Tour. Anna SchnellЧитать онлайн книгу.

Die Modern-Work-Tour - Anna Schnell


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genau das in seinem freiheitsphilosophischen Ansatz: „Frag dich, was du wirklich, wirklich willst.“ Dabei geht er davon aus, dass Arbeit Leben nehmen und geben kann und dass Menschen in ihrer Tätigkeit heutzutage immer weniger Sinnhaftigkeit erkennen. Der Sinn der Busfahrerin, ihre Fahrgäste sicher an ihren Zielort zu bringen, verleiht ihr die Kraft, alles in ihrer Macht Stehende dafür zu tun, damit das auch gelingt. Sie hätte uns einfach wie vorgesehen absetzen und weiterbrausen können. Aber nein, sie fragt nach, wohin wir wollen, als sie unser Gepäck sieht. Dann überlegt sie, wie das auf ihrer Route am besten gelingen kann. Dadurch schreibt sie ihrer Tätigkeit eine Bedeutung zu, die sie ihren Job grundlegend wirksamer und besser ausführen lässt. Bergmann schreibt in seinem Buch Neue Arbeit, Neue Kultur: „Es geht um die Schaffung einer Gesellschaft und Kultur, in der wirklich jeder, Mann oder Frau, die Chance bekommt, einen beträchtlichen Teil seiner Zeit mit einer Arbeit zu verbringen, die er oder sie erfüllend und faszinierend findet und die die Menschen aufbaut und ihnen mehr Kraft und mehr Vitalität gibt.“ Und diese Lebendigkeit, diese Energie bekommen wir hier bei jeder Busfahrt geboten – so ist Arbeiten doch wirklich viel schöner und freier, oder?

      Das, was hier zunächst so einfach klingt, ist überhaupt nicht einfach. Schon die Frage nach dem „wirklich, wirklich Wollen“, wie Bergmann es zuspitzt, ist richtig, richtig schwer. Hast du selbst schon mal ausprobiert, dir diese Frage zu beantworten? Allein die schiere Vielfältigkeit, die wahnsinnigen Möglichkeiten, die sich hier auftun, können einen ganz unruhig werden lassen und zu einigen schlaflosen Nächten führen. Das haben wir bei einem unserer nächsten Treffen auf sehr eindrückliche Weise erfahren. Nach unserer Zeit an der Westküste Australiens und einem unvergesslichen Roadtrip durch atemberaubende Landschaften geht es für uns nach Sydney.

       Meet Steven von No Moss – Australien

      Steven HK Ma ist Geschäftsführer der Beratungsagentur No Moss in Sydney – und es gab eine Zeit, da hatte er mit schlaflosen Nächten zu kämpfen. Denn einige seiner rund 30 Mitarbeitenden hatten ihn, so empfand er es zumindest, ziemlich hart auf die Probe gestellt: Sie waren mit einem ungewöhnlichen Anliegen auf ihn zugekommen, das andere UnternehmerInnen wohl zu einem ungläubigen Lachanfall oder resigniertem Kopfschütteln verleitet hätte. Seine Mitarbeitenden erzählten ihm, dass sie anstelle der bisherigen Finanzprodukte in Zukunft lieber Spiele-Apps entwickeln wollten. Statt das Ganze als Schnapsidee abzutun und den Mitarbeitenden noch mal vor Augen zu führen, was die Unternehmensziele sind, dachte Steven ernsthaft darüber nach. Denn dieser Vorstoß – so gibt er im Interview zu – ist letztlich genau das, was er von seinen Mitarbeitenden erwartet: „We talk a lot about purpose and what drives us to really do things regarding our purpose.“ Bei No Moss wird also viel über die Sinnhaftigkeit gesprochen und darüber, was konkret dafür getan werden kann.

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      Radikale Veränderungen – und das mit Sinn!

      Steven war schon vor einiger Zeit klar geworden, dass seine Mitarbeitenden ihr Potenzial nicht richtig freisetzen können, wenn sie immer nur seine Ziele verfolgen und seine Vorstellungen umsetzen. Daher hat er beschlossen, seine Rolle als CEO abzulegen. Stattdessen nahm er eine neue Rolle ein, die ihn weniger managen, dafür aber mehr führen lässt. Er entwickelte für sich und sein Unternehmen die Rolle des „CPO“, des Chief Purpose Officers. Seine Aufgaben in dieser Rolle beschreibt er so: „I see my role in helping people explore their purpose, articulate their purpose and give them an environment to take action towards their purpose.“ Stevens Mitarbeitende sollen also ihren Sinn finden. Sie sollen sich Themen und Aufgaben widmen, für die sie eine persönliche Passion haben oder eine Berufung verspüren. Menschen dabei zu helfen, ihren Sinn zu erkunden, ihn zu fassen und voranzutreiben, sieht er als wichtigste Aufgabe seiner Rolle. Er findet vor allem, dass er eine dienende Haltung einnehmen muss, um den Menschen die Suche nach ihrer Sinnhaftigkeit zu ermöglichen. Im Interview formuliert er das wie folgt: „To serve the people and their ecosystem to find purpose.“

      Nun scheint aber die gesamte Diskussion um diesen „Purpose“ häufig doch sehr willkürlich geführt zu werden. Deswegen fragen wir nach, was denn Purpose für Steven eigentlich bedeutet. Er hat eine interessante Antwort für uns: „For a definition we started with big, unfinishable and unachievable dreams but we have learned that these dreams can be simplified.“ Große, nicht zu erfüllende und nicht zu erreichende Träume? Das klingt nicht besonders motivierend, denken wir und sind skeptisch. „Es sind Vorstellungen, die uns antreiben und deswegen nie ganz verwirklicht werden können“, sagt Steven und erklärt weiter: „Nicht im Sinne, dass sie nie zu erreichen sind. Wie zum Beispiel in meiner Rolle als CPO: Hier liegt mein Sinn darin, Arbeit wieder menschlicher zu machen. Das kann ich auf ganz unterschiedliche Weise tun. Ich kann Aufgaben dafür ableiten oder kleinere Unterziele finden. Diese Arbeit wird aber nie wirklich enden, weil immer wieder neue Ideen entstehen werden, wie Arbeit für einen bestimmten Menschen noch sinnvoller gestaltet werden kann.“ Deswegen unterscheidet Steven verschiedene Ebenen von Purpose. „Deep purpose, big or large purpose, small purpose, defined or undefined purpose“, zählt er lächelnd auf.

      Seiner Meinung nach braucht es neben einer sicheren Umgebung, um über den eigenen Sinn zu sprechen, auch die Routine, das regelmäßig zu tun: „One important thing is to practice in order to explore and explain what the purpose is.“ Er tut das beispielsweise in den – wie er sie nennt – „Purpose Talks“. Das sind regelmäßig stattfindende Workshop- und Meeting-Formate, in denen die Mitarbeitenden ihre Projekte und Arbeitsbereiche mit Bezug auf ihren Sinn in dieser Tätigkeit vorstellen und diskutieren. Ideen werden ausgetauscht, um die Umsetzung in einem Diskurs mit allen anderen im Unternehmen zu verfeinern und auszutesten. In einem solchen „Purpose Talk“ wurde Steven dann Folgendes klar: Wenn er seine Rolle als CPO ernst nehmen und konsequent leben will, muss er auch seinen Mitarbeitenden mit der überraschenden Idee, Spiele-Apps zu entwickeln, eine Chance geben. Schlaflose Nächte hin oder her: „To work on a purpose means to reconceptualize and reframe work and your views again and again.“ Also erhielten die Mitarbeitenden tatsächlich die notwendige Unterstützung durch eine aktive Begleitung im Prozess sowie regelmäßige Reflexionsschleifen und Rückmeldungen von KollegInnen in weiteren „Purpose Talks“. Und die Resultate können sich durchaus sehen lassen: Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden bei No Moss stieg. Zudem kann sich das Unternehmen auch über den Aufbau eines neuen und ertragsfähigen Teilbereichs freuen. Durch die Initiative der Mitarbeitenden konnte das Portfolio bei No Moss erfolgreich erweitert werden.

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      Sightseeing am Opernhaus von Sydney an der Ostküste Australiens.

      Steven wiederum ist, wie er sagt, in seiner Führungsrolle gewachsen und hat angefangen zu begreifen, was es wirklich heißt, zu führen: „The greatest thing about leadership is to see how people grow.“ Sein schönstes Erlebnis ist es, wenn die Menschen einen Überraschungsmoment beziehungsweise einen Aha-Effekt erleben, weil sie sich vorher noch nie Gedanken über diese oder jene Frage gemacht haben. Dabei hatte er zum Zeitpunkt unseres Interviews noch nie etwas von New Work und Frithjof Bergmann gehört. Dennoch hat er aus der eigenen Intention heraus ein wesentliches Prinzip von Moderner Arbeit, das auch der New-Work-Begründer Bergmann in den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellt, verinnerlicht und umgesetzt: als Wegbegleiter bei der Sinnsuche seiner Mitarbeitenden zu fungieren. Damit hat er es geschafft, mit No Moss ein Unternehmen aufzubauen, in dem der Sinn der Mitarbeitenden den Sinn des Unternehmens formt – und nicht umgekehrt.

      Und das macht vieles leichter: Denn dort, wo Mitarbeitende Projekte verfolgen, in denen sie einen persönlichen Sinn sehen, wächst die Motivation und die Leidenschaft beim Arbeiten. Es fällt leichter, an der Sache dranzubleiben und mit Rückschlägen umzugehen. Auch steigt die Bereitschaft, zu lernen. Denn von innen heraus möchte man das Thema oder Projekt vorantreiben und erfolgreich machen. Was dagegen sinkt, ist das Interesse der Mitarbeitenden, das Unternehmen zu wechseln – und dabei wertvolles Wissen mitzunehmen. Wissen, das dem Unternehmen letztlich fehlt und wieder aufgebaut werden muss. Wenn aber der persönliche Purpose nicht zum Unternehmen passt oder die


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