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Die Gänsemagd und ihr treues Pferd Falada. Brüder GrimmЧитать онлайн книгу.

Die Gänsemagd und ihr treues Pferd Falada - Brüder Grimm


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obwohl es ihr leidtat, dass sie mit ihm kein richtiges Gespräch führen konnte.

      »Ich kann schon sticken, und selbst das Weben gelingt mir immer besser. Alle lächeln mich an, und wenn sie mich sehen, kann man die Freude in ihren Gesichtern ablesen. Wenn ich etwas sage, lauscht man mir aufmerksam, und häufig ernte ich Zustimmung. Bin ich vielleicht schon bereit, die Welt kennenzulernen?«, fragte die Prinzessin und schlang ihre Arme um den Hals des Pferdes.

      Der Hengst sah sie daraufhin schweigend an, schnaubte mit den Nüstern und gab ein Geräusch von sich, das einem leichten Seufzen ähnelte.

      »Ja, ich weiß, mein Freund, ich weiß, dass ich erst zwölf Jahre alt bin! Aber vielleicht ist es dennoch schon an der Zeit, dass ich die Welt kennenlerne? Nein? Ach, Falada, natürlich werde ich mich noch ein wenig gedulden, wenn die Mutter es möchte. Schließlich ist sie weise und weiß, was zu tun ist.«

      Häufig streiften sie durch die Wälder, die zum Schloss gehörten, manchmal Seite an Seite, und bisweilen sattelte die Prinzessin den Hengst. Dann jagten sie davon, schneller als der Wind, sodass dieser mit ihnen lachte und versuchte, sie einzuholen. Auch die Begleiter, die die junge Prinzessin ständig bewachten, konnten ihnen nicht beikommen. Ein anderes Mal wieder liefen sie langsam und lauschten dem Gezwitscher der Vögel ebenso wie dem Rascheln des Grases unter den Hufen, sodass die Begleiter zu gähnen anfingen und sich manchmal sogar von ihnen entfernten. Faladas Flanken waren heiß und glänzten wie Marmor, und seine lange Mähne schillerte in der Sonne wie Perlmutt, sein tiefgründiger Blick aber war immer voller Weisheit. Helena liebte es, sich an seine mächtige breite Brust zu schmiegen und zu spüren, dass er immer bei ihr sein würde. Die Wärme seines Körpers wärmte auch das Herz der Prinzessin, und sie kehrte voller Freude zu ihren alltäglichen Verpflichtungen zurück, vergaß allen Kummer und alle Fragen. ›Es kommt alles, wie es kommen soll!‹, dachte sie an manchem Abend, bevor sie mit einem Lächeln auf den Lippen einschlief.

      Die Prinzessin trug immer ein Stückchen Zucker für jeden Bewohner des königlichen Pferdestalls bei sich. Obwohl nur Falada ihr Freund war, mochte sie auch die anderen Pferde: den jungen roten Hengst, die zarte braune Stute Fünkchen und all die anderen. Wie hätte sie sie auch nicht mögen sollen? Manchmal schien es ihr, als könnten sie alle sprechen und wollten es nur nicht. Oder als wüssten sie so viel, dass sie es vorzogen zu schweigen, um sich nicht zu verraten. Nur ihr eigenes Pferd hatte sich darauf eingelassen, sein Schweigegelübde zu brechen, warum wohl?

      Manchmal nahm Helena auch Selena zu den Spaziergängen mit. Sie verbrachten fröhliche Stunden, jagten mit den Eichhörnchen um die Wette und spielten mit den Blättern und den Sonnenstrahlen. Bei diesen Spaziergängen weihte Helena die Zofe in ihren Kummer ein.

      »Dein Wunsch ist doch dem Wind Befehl, warum fliegst du nicht mit ihm in ferne Länder?«, wunderte sich Selena.

      »Oh nein, wie könnte ich? Der Wind wird mir nicht gehorchen, wo ich doch der Mutter mein Wort gegeben habe. Das ist ein Naturzauber, man darf ihn nicht einfach vergeuden, und ein königliches Wort ist unverrückbar. Habe ich es einmal gegeben, darf ich es nie wieder brechen. Und wie könnte ich ohne Falada davonfliegen? Auch würde die Mutter vor Gram vergehen«, seufzte die Prinzessin.

      »Helena, du bist so folgsam, so treu!«, rief die Zofe aus. »Hätte ich deine Talente, wäre ich schon längst auf Nimmerwiedersehen über alle Berge geflogen!«

      »Was denn, ganz allein?« Die Prinzessin konnte es nicht glauben. »Sogar mich hättest du zurückgelassen?«

      »Nein.« Die Zofe lächelte. »Dich hätte ich entführt und mitgenommen!«

      Die Mädchen lachten, die Zofe drehte sich mit der Prinzessin im Reigen, und die Zweige der Kiefern wiegten sich dazu im Takt.

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      So wuchsen sie heran: Seite an Seite und doch Welten voneinander entfernt. Die Jahre flogen dahin wie die Blätter im Frühlingswind. Ohne es selbst zu bemerken, wurde Helena erwachsen. Inzwischen liebte sie es, schöne Bilder zu sticken, und hatte gelernt, prächtige Gobelins zu wirken. Ihre hervorragenden Manieren und ihre feingliedrige Schönheit hatten sich bereits weit über die Grenzen ihres Königreiches herumgesprochen. Doch mit derlei Kleinigkeiten befasste sich die Prinzessin nicht. Sie begriff erst, dass sich etwas verändert hatte, als man ihr gestattete, das Schloss ohne Begleiter zu verlassen.

      Es kam der wunderbare Tag, an dem sie zum ersten Mal allein mit Falada über die Waldwege spazierte. Wie freuten sie sich über die neugewonnene Freiheit! Sie konnten einfach vorpreschen, ohne auf jemanden warten zu müssen, und mussten weder die bärbeißigen Vorhaltungen alter Tanten noch das gezierte Benehmen des Reitlehrers ertragen. Die Prinzessin war in ihrem Können allen anderen weit voraus; wahrscheinlich hätte nicht einmal er ihr noch etwas beibringen können. Heimlich nahm sie ihrem Pferd den Damensattel ab, schmiegte sich an den warmen Rücken des Freundes, und so schlenderten sie leichten Schrittes über die Gartenwege, die sie vor fremden Blicken schützten. Doch weiter als bis zur Grenze der zum Schloss gehörenden Waldgebiete ging sie nie. Die Frage, ob sie schon erwachsen genug war, beschäftigte sie seit Langem. Es schien, als hätte sich die Prinzessin mit den Gegebenheiten abgefunden. ›Alles geht, wie es gehen soll, und alles kommt, wie es kommen muss‹, dachte sie.

      Eines Tages kam bei einem dieser Spaziergänge die Zofe auf sie zugelaufen. In letzter Zeit hatten sie einander nicht oft gesehen. Als sie größer geworden waren, hatten die Mädchen ihr gemeinsames Zimmer verlassen müssen, in dem sie als Kinder ihre Geheimnisse miteinander geteilt hatten. Die impulsive Zofe hatte den Unterrichtsstunden immer Ausflüge in die Stadt oder andere Wanderungen vorgezogen, von denen nur sie allein wusste, wohin sie sie führten. Manchmal blieb sie mehrere Tage fort, und einmal hörte man sogar einen ganzen Monat lang nichts von ihr. Die Prinzessin dachte, dass Selena bestimmt sogar schon in einigen Nachbarreichen gewesen war, doch sicher wusste sie es nicht, und die Zofe gab ihr Geheimnis nicht preis. Ansonsten diente Selena der Prinzessin, doch Helena stellte keine großen Ansprüche, wenn sie stickte, ein Buch las oder mit Falada durch den Wald spazierte.

      »Selena! Wie glücklich bin ich, dich zu sehen!«, rief die Prinzessin voller Freude aus. Sie sprang vom Pferd und umarmte die Freundin herzlich. »Du musst dir unbedingt meinen Gobelin ansehen. Stell dir vor, er ist fast fertig, und ich habe noch nicht einen einzigen Fehler hineingewirkt! Du sollst ihn zu sehen bekommen, bevor ich doch noch etwas falsch mache und alles verderbe.« Sie lachte.

      »Helena, natürlich schaue ich ihn mir sehr gern an«, die Zofe senkte den Kopf, »doch jetzt ist nicht der richtige Moment, um uns mit derlei Nichtigkeiten zu befassen. Ich habe sehr seltsame Neuigkeiten erfahren, die ganze Stadt spricht bereits davon.«

      »Tatsächlich? Sag, wovon denn?« Die Prinzessin wurde etwas traurig, weil die Freundin ihre mühevolle Arbeit für eine Kleinigkeit hielt, doch sie bemühte sich, es ihr nicht nachzutragen.

      »Wahrscheinlich wird die Königin dir alles selbst erzählen. Natürlich nur, wenn es die Wahrheit ist und kein dummes Geschwätz. Doch sollte es die Wahrheit sein, ist heute dein letzter Tag in Freiheit angebrochen. Wie viele Jahre haben wir uns schon miteinander gemessen? Entsinnst du dich, wie leicht ich dich beim Laufen überholen konnte? Du warst noch vorn am Tor, und ich hab schon an der Kapelle Tee getrunken, während ich auf dich gewartet habe. Was waren das doch für fröhliche Zeiten«, seufzte Selena plötzlich und schloss die Augen, als tauchte sie in den Nebel der Vergangenheit ein. Sie schwiegen eine Weile, jede in ihre Gedanken versunken, doch plötzlich begann Selena wieder in jenem schelmischen Ton zu sprechen, mit dem sie die Prinzessin immer zu Streichen angestiftet hatte. »Ich habe gehört, du seist eine Meisterin im Reiten geworden? Lass es uns ausprobieren! Überhole mich heute und beweise mir, dass du inzwischen besser bist als ich!«

      »Aber all das brauche ich nicht.« Helena zuckte verwundert mit den Schultern. »Wenn du willst, überlasse ich dir sofort den Platz auf dem Siegerpodest. Denn eigentlich bin nicht ich so geschickt im Sattel, Falada übernimmt die Arbeit für mich ...«

      »Aber ich brauche es, teure Freundin!«, unterbrach sie die Zofe jäh. »Los, sattle Falada, und ich werde auf dem Roten reiten.«

      »Das


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