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Christlich-soziale Signaturen - Группа авторов


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wird nicht die eine Idee universal umgesetzt, sondern der auf die Universalität der Menschheit hin orientierte Glaube findet in der Vielfalt von Kulturen seinen Ausdruck. Christlicher Glaube ist daher universal und plural zugleich – ein Glaube in Verschiedenheit. Zwischen der Glaubenspraxis und den Glaubensinhalten besteht ein unaufhebbarer dialektischer Wechselbezug. Sie begründen, erschließen und kritisieren einander. Primat aber hat die Praxis (vgl. Mt 25), weil sich erst durch sie die Wahrheit des Glaubens bewährt und erschließt. Glaube ohne Praxis mag theoretisch brillant sein, ist aber faktisch eine Ideologie.

      Die durch die Auslegungen in Theorie und Praxis entstehende Pluralität findet im Glauben, den die Heilige Schrift bezeugt, ihre normativen Grenzen. Die Gleichsetzung des christlichen Glaubens mit einer bestimmten Kultur oder Epoche – wie wir sie zum Beispiel in Österreich kennen – ist daher nicht möglich.

      Entbettet oder isoliert man christliche Werte aus diesen komplexen Zusammenhängen, besteht Ideologie- oder Instrumentalisierungsverdacht. Daher sind auch christliche Werte plural und finden ihre Grenze im Ethos des christlichen Glaubens und seiner Glaubensgemeinschaften. Dort haben sie ihren ersten und ursprünglichen Ort.

       Theologische Orientierungen

      Christliche Werte wären demnach plurale Vorstellungen vom guten Leben auf der Basis des christlichen Glaubens, die dann der weiteren ethischen Reflexion anhand des christlichen Ethos bedürfen, wie es in der Bibel sowie zusätzlich in der Tradition bezeugt wird. So hat der katholische Theologe Alfons Auer21 in seinen Überlegungen zur Möglichkeit einer autonomen Moral aus christlicher Sicht den christlichen Glauben als stimulierende, kritisierende und integrierende Grundlage für ethische Urteile beschrieben. Der Glaube stimuliert dazu, in ethischen Fragen wach, kreativ und zum Engagement bereit zu sein. Er kritisiert, indem er unmenschliche Vernunftlosigkeit oder Ideologien anprangert. Er integriert alles in sein Ethos, was als menschlich förderlich erfahren wurde und wissenschaftlich zu rechtfertigen ist. Christliche Werte wären demzufolge Vorstellungen vom guten Leben, die vom christlichen Glauben als Motivationshorizont stimuliert, kritisiert und integriert werden.

      Der katholische Sozialethiker Dietmar Mieth wiederum eröffnet eine Möglichkeit, auch als Nicht-Christ legitim von Werten zu sprechen. Er verbindet die Frage nach den Werten mit der Frage nach dem Sinn.22 Ohne die Frage nach den Sinnressourcen drohen Werte nämlich zu bloß positivistisch gesetzten Selbstbehauptungen – eines Einzelnen, einer Gesellschaft, einer politischen Partei – zu verkümmern. Mieth definiert Werte als „die Verpflichtung eines erkannten und anerkannten Sinnes von menschlichem Dasein“23. Zwischen „Wert“ und „Sinn des Daseins“ besteht ein untrennbarer Zusammenhang. Das bedeutet, dass sich jeder Wertebegriff in und aus diesem Kontext begründen, erschließen und diskutieren lassen muss. Wo dieser Zusammenhang auseinanderbricht, entstehen Wertideologien. Wer den Wertebegriff ins Spiel bringt, ist also zugleich auskunftspflichtig hinsichtlich des Sinnes von Dasein, den er damit einbringt. Legitim kann der Wertebegriff verwendet werden, wenn er klar definiert und begründet wird; wenn er rückgebunden ist an die personale Würde des Menschen sowie an die konkrete geschichtliche Situation; wenn ein Kommunikationsprozess über Begründungen und Inhalte stattfindet. Mieth macht bewusst, dass der Wertebegriff moralische und ethische Diskussionen ermöglicht und eröffnet, aber moralische und ethische Kategorien nicht ersetzt.

       Beitrag für die Demokratie

      Christliche Werte lassen sich aus theologischer Sicht auch für demokratische Interessen nicht einfach aus ihrem Glaubenskontext reißen. Sie sind untrennbar an den christlichen Glauben gebunden. Freilich ist das Label „christlich“ keine geschützte Marke, und eine falsche oder missbräuchliche Verwendung lässt sich daher weder verhindern noch sanktionieren. Zudem vertreten auch Menschen, die sich selbst als „religiös“ bezeichnen, Werthaltungen, die weder dem christlichen Glauben noch demokratischen Werten entsprechen. So zeigte die Europäische Wertestudie 2010, dass ein traditionell-religiöses Selbstverständnis signifikant mit erhöhtem Autoritarismus und einer stärkeren Fremdenfeindlichkeit sowie dem Wunsch nach einer homogenen Gesellschaft verbunden ist.24 Auch die Studien des PEW Research Forum on Religion & Public Life „Being Christian in Western Europe“ sowie „Eastern and Western Europeans Differ on Importance of Religion, Views of Minorities, and Key Social Issues“25 belegen, dass praktizierende Christinnen und Christen das Christentum und seine Werte signifikant häufiger als nicht praktizierende als kulturellen Identity-Marker zur Ab- und Ausgrenzung (v. a. vom Islam) benützen und Werthaltungen vertreten, die inkompatibel mit einer lebendigen Demokratie sind.

      Wer jedoch die oben entwickelten Überlegungen und Kriterien berücksichtigt, kann und soll sowohl den Begriff der „christlichen Werte“ wie auch konkrete Werte des christlichen Glaubens in den demokratischen Diskurs einbringen.

      Da der erste Ort der christlichen Werte christliche Glaubensgemeinschaften sind, bedeutet das praktisch, diese als Träger dieser Werte ausdrücklich in demokratische Diskurse einzubeziehen. Ein wesentlicher Beitrag der christlichen Werte besteht deshalb im Dialog mit christlichen Gemeinschaften, Gemeinden und Kirchen.

      Christliche Werte können aber auch von jenen eingebracht werden, die den christlichen Glauben nicht teilen und keiner Glaubensgemeinschaft angehören. Theologisch setzt dies aber den Dialog mit den Trägern des christlichen Glaubens voraus sowie die Anerkennung der normativen Grundlagen des Christentums, zumindest der biblischen Tradition und der Verpflichtung zu deren vernünftiger Interpretation.

      Zusätzlich eröffnet die Demokratie als zugleich säkularer und pluraler wie auf Argumente setzender Diskursraum die Möglichkeit, jene Christinnen und Christen, die ihre eigene Glaubenstradition nicht kennen oder leben, an ihr eigenes Ethos zu erinnern und zu dessen Verwirklichung anzuregen, indem theologisch qualifiziert auf christliche Werte verwiesen wird. Auch dies können und dürfen Menschen tun, die sich nicht als Teil der Glaubensgemeinschaft verstehen.

      Unmöglich ist es jedoch, christliche Werte als kulturelle Identitätsmarker zu verwenden, die die Homogenität der Gesellschaft sichern und zur Ab- oder Ausgrenzung dienen sollen. Desgleichen verbietet sich aufgrund demokratischer Werte und theologischer Gründe eine Verbindung mit Durchsetzungs- und Machtansprüchen im Sinne einer allgemeinverbindlichen Leitkultur, der sich alle Bürgerinnen und Bürger unterzuordnen haben. Diesbezügliche „unheilige Allianzen“26 mit Parteien, die christliche Werte in diesem Sinn benutzen, sind aus theologischer Sicht keine Option. In einer Demokratie kann der Rekurs auf christliche Werte im Sinne eines Motivationshorizonts nur in Form von pluralen Beiträgen im öffentlichen und politischen Diskurs stattfinden. Als solcher aber ist er nicht nur erlaubt, sondern auch sinnvoll.

      Bibeltheologische Perspektiven – drei Beispiele

      Anhand dreier demokratischer Werte soll abschließend der Beitrag christlicher Werte zur Demokratie exemplarisch dargestellt werden:

       Würde

      Die Würde des einzelnen Menschen – seine Einzigartigkeit, seine Einmaligkeit sowie das Verbot, Menschen für Zwecke jedweder Art zu benützen und die damit verbundenen Grund- und Menschenrechte auf ein menschenwürdiges Leben – gehört zu den „Core Values“ der liberalen Demokratie wie auch des christlichen Glaubens.

      Die Bibel begründet im Buch Genesis diese Würde mit der Schöpfung des Menschen durch Gott. Jeder Mensch ist ein Abbild Gottes. Das Wort „Abbild“ ist eine Übersetzung der hebräischen „Gottesstatue“, die in der altorientalischen Vorstellung die Wirklichkeit Gottes in der Welt repräsentiert. Während im Alten Orient aber nur der oberste politische Gottkönig („Pharao“) Gott repräsentiert, erklärt die Genesis alle Menschen in gleicher Weise zu Gottes Repräsentanzen in der Wirklichkeit. Damit einher gehen Rechte, insbesondere für die marginalisierten, schwachen Mitglieder der Gesellschaft („Witwen, Waisen, Fremde“; „Arme“), deren Ursprung nun nicht mehr im Belieben eines irdischen Herrschers liegt, sondern die von Gott selbst verliehen werden. Wer die Rechte der Armen verletzt, vergeht sich an Gott selbst.


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