Verändere dein Bewusstsein. Michael PollanЧитать онлайн книгу.
wegweisende Arbeit auch ‹facherweiternd› sein wird».17 Er legte nahe, dass sich diese «faszinierende» Wirkstoffklasse und die spirituelle Erfahrung, die sie auslöse, in der Suchtbehandlung als nützlich erweisen könnten.
Griffiths‘ Arbeit untermauerte einen wichtigen Unterschied zwischen den sogenannten klassischen Psychedelika – Psilocybin, LSD, DMT und Meskalin – und den geläufigeren Rauschgiften mit ihrem Suchtpotenzial. Das Establishment der amerikanischen Drogenforschung hatte in einer der führenden Zeitschriften signalisiert, dass man diese psychedelischen Drogen völlig anders behandeln sollte, und ein Kommentator schrieb, «dass diese Substanzen bei sachgemäßem Gebrauch bemerkenswerte, eventuell nützliche Wirkungen haben können, die weitere Untersuchungen rechtfertigen».18
Die Entstehungsgeschichte von Griffiths‘ Arbeit wirft ein interessantes Licht auf die angespannte Beziehung zwischen der Wissenschaft und diesem anderen Bereich menschlicher Erkundung, den die Wissenschaft stets geringschätzte und mit dem sie in der Regel nichts zu tun haben will: Spiritualität. Denn als Griffiths diese erste moderne Studie über Psilocybin verfasste, beschloss er, sich nicht auf die potenzielle therapeutische Anwendung der Droge zu konzentrieren – wie es andere Forscher getan hatten, um andere verbotene Substanzen wie MDMA zu rehabilitieren –, sondern auf die spirituellen Auswirkungen der Erfahrung bei sogenannten gesunden Normalen. Was sollte das bringen?
Die Psychiaterin und Drogenexpertin Harriet de Wit von der University of Chicago versuchte in einem redaktionellen Artikel zu Griffiths‘ Arbeit diese Spannungen anzusprechen und wies darauf hin, dass die Suche nach Erfahrungen, die «einen von den Fesseln gewöhnlicher Wahrnehmung und gewöhnlichen Denkens befreien, um universelle Wahrheiten und Erleuchtung zu finden»,19 eine konstante Eigenschaft der Menschheit sei, «in der etablierten Wissenschaft (jedoch) nur wenig Glaubwürdigkeit genießt». Es sei an der Zeit, dass die Wissenschaft «diese außergewöhnlichen subjektiven Erfahrungen anerkennt (…), auch wenn dort manchmal von tieferen Wirklichkeiten die Rede ist, die die Grenzen der Wissenschaft überschreiten».
Bei Roland Griffiths kann man sich nur schwer vorstellen, dass er etwas mit Psychedelika zu tun hat, was bestimmt dazu beigetragen hat, der Psychedelik-Forschung wieder wissenschaftliche Seriosität zu verleihen. Griffiths, in den Siebzigern, eins achtzig und hager, hält sich kerzengerade; das einzig Undisziplinierte an ihm ist die dichte weiße Haarmähne, gegen die sein Kamm anscheinend nichts ausrichten kann. Sofern er nicht über die letzten Fragen spricht, die seine Augen aufleuchten lassen, hat er etwas Asketisches, ist nüchtern, ernst und methodisch.
Der 1944 geborene Griffiths wuchs in El Cerrito, Kalifornien, in der Bay Area auf, machte am Occidental College seinen Bachelor in Psychologie und studierte anschließend an der University of Minnesota Psychopharmakologie. In Minnesota geriet er Ende der 1960er Jahre unter den Einfluss B. F. Skinners, des radikalen Behavioristen, dem es gelang, das Hauptaugenmerk der Psychologie von der Erforschung innerer Zustände und subjektiver Erfahrung auf die Untersuchung äußeren Verhaltens und dessen Konditionierung zu verlagern. Der Behaviorismus ist nicht daran interessiert, die Tiefen der menschlichen Psyche auszuloten, doch bei der Untersuchung von Drogenmissbrauch und Sucht, die Griffiths‘ Fachgebiet wurde, erwies sich diese Herangehensweise als äußerst nützlich. Psychedelische Drogen spielten weder in seiner formellen noch informellen Ausbildung eine Rolle. Als Griffiths sein Aufbaustudium begann, war Timothy Learys berüchtigtes Psychedelik-Forschungsprojekt in Harvard bereits skandalös gescheitert, und «meine Mentoren hatten klargestellt, dass diese Substanzen keine Zukunft hatten».
1972 bekam Griffiths direkt nach Abschluss seines Aufbaustudiums eine Stelle an der Johns Hopkins University, wo er seither arbeitet und sich als Forscher profilierte, der die Suchtmechanismen bei verschiedenen legalen und illegalen Drogen untersucht, darunter die Opiate, die sogenannten sedativ-hypnotischen Substanzen (wie Valium) sowie Nikotin, Alkohol und Koffein. Mit Förderung des National Institute on Drug Abuse wurde Griffiths zum Wegbereiter für Experimente, in denen ein Tier, oft ein Pavian oder eine Ratte, die Möglichkeit erhält, sich mithilfe eines Hebels intravenös verschiedene Drogen zu verabreichen, ein wirksames Instrument für Forscher, die sich mit Verstärkung, Sucht, Vorlieben (Mittagessen oder lieber Kokain?) und Entzug befassen. Die fünfundfünfzig Publikationen, in denen er die Suchteigenschaften von Koffein erforschte, haben dazu geführt, dass wir Kaffee eher als Droge betrachten statt als Nahrungsmittel und in der jüngsten Ausgabe des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders oder DSM 5 auch das «Koffeinentzugssyndrom» aufgeführt wird. Als Griffiths 1994 fünfzig wurde, war er als Wissenschaftler auf dem Höhepunkt seines Schaffens und zählte zu den Besten seines Fachs.
Doch in jenem Jahr kam es in seiner Karriere zu einer unerwarteten Wende, die durch zwei zufällige Ereignisse ausgelöst wurde. Das erste war, dass ihn eine Freundin mit Siddha Yoga bekannt machte. Trotz seiner behavioristischen Ausrichtung als Wissenschaftler hatte sich Griffiths stets für ein Gebiet interessiert, das von Philosophen Phänomenologie genannt wird – die subjektive Erfahrung von Bewusstsein. Im Studium hatte er sich an Meditation versucht, musste aber feststellen, «dass ich nicht stillsitzen konnte, ohne schier verrückt zu werden. Drei Minuten kamen mir wie drei Stunden vor.» Doch als er es 1994 noch einmal probierte, «öffnete sich für mich eine Tür». Er begann regelmäßig zu meditieren, nahm an Retreats teil und arbeitete sich durch eine Vielfalt östlicher spiritueller Bräuche. Dabei wurde er «immer tiefer in dieses Mysterium» hineingezogen.
Und irgendwann erlebte Griffiths etwas, das er zurückhaltend als «ein seltsames Erwachen» beschreibt – eine mystische Erfahrung. Ich war überrascht, als Griffiths das bei unserem ersten Treffen in seinem Büro erwähnte, und hakte nicht nach, aber auch als ich ihn ein bisschen besser kennengelernt hatte, sträubte er sich zu erzählen, was genau passiert war, und da ich selbst nie so eine Erfahrung gemacht hatte, fiel es mir schwer, den Gedanken nachzuvollziehen. Er verriet lediglich, dass die Erfahrung, die er während der Meditation hatte, ihn mit etwas bekannt machte, «das so weit von einer materiellen Weltanschauung entfernt war, dass ich mit meinen Kollegen nicht darüber sprechen kann, weil es Metaphern oder Vermutungen einschließt, bei denen ich als Wissenschaftler ein ungutes Gefühl habe».
Mit der Zeit fand er das, was er bei seinen Meditationen über «das Mysterium des Bewusstseins und Seins» lernte, fesselnder als die Wissenschaft. Er fühlte sich irgendwie entfremdet: «Keiner der Leute, die mir nahestanden, hatte Lust, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, die in die allgemeine Kategorie des Spirituellen fielen, und religiöse Menschen verstand ich einfach nicht. Da habe ich einen Lehrstuhl inne, publiziere wie ein Verrückter, fahre auf wichtige Tagungen und betrachte mich als Heuchler.» Er begann das Interesse an der Forschung zu verlieren, die sein gesamtes Erwachsenenleben bestimmt hatte. «Ich konnte eine neue sedativ-hypnotische Substanz untersuchen, etwas Neues über Rezeptoren im Gehirn lernen, in einer weiteren Kommission der FDA [Arzneimittelzulassungsbehörde] sitzen, an einer weiteren Tagung teilnehmen, aber egal. Mein Gefühl und mein Verstand wollten lieber wissen, wohin dieser andere Pfad führen könnte. Meine Drogenforschung kam mir stumpfsinnig vor. Auf der Arbeit handelte ich mechanisch und freute mich drauf, abends nach Hause zu fahren und zu meditieren.» Die einzige Motivation, weiterhin Förderanträge zu stellen, war der Gedanke, es im Dienste seiner Studenten und Postdoktoranden zu tun.
Im Fall seiner Koffein-Forschung hatte Griffiths seine Neugier bezüglich eines Problems aus seinem eigenen Erfahrungsbereich – warum fühlte er sich gezwungen, tagtäglich Kaffee zu trinken? – in einen produktiven Forschungsansatz umwandeln können. Doch er sah keine Möglichkeit, mit seiner immer größeren Neugier bezüglich der Dimensionen des Bewusstseins, die ihm die Meditation eröffnet hatte, ebenso zu verfahren. «Mir kam nicht in den Sinn, das Ganze wissenschaftlich zu untersuchen.» Hilflos und gelangweilt überlegte Griffiths, die Wissenschaft an den Nagel zu hängen und nach Indien in einen Aschram zu gehen.
Etwa zu dieser Zeit rief ihn Bob Schuster an, ein alter Freund und Kollege, der vor Kurzem als Leiter des National Institute on Drug Abuse ausgeschieden war, und schlug ihm vor, einmal mit einem jungen Mann namens Bob Jesse zu reden, den er gerade in Esalen kennengelernt hatte. Jesse hatte im legendären Big Sur Retreat Center ein kleines Treffen von Forschern, Therapeuten und Religionswissenschaftlern organisiert, um über das spirituelle und therapeutische Potenzial psychedelischer Drogen und die Frage zu diskutieren, wie man sie