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Kochen. Michael PollanЧитать онлайн книгу.

Kochen - Michael Pollan


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oder Alkohol zu verwandeln, bis hin zur Mikrowelle – der letzten großen Erfindung. Das Kochen ist also in Wirklichkeit eine Abfolge mehr oder weniger komplexer Prozesse, und dieses Buch versteht sich unter anderem als eine Natur- und Sozialgeschichte dieser Verwandlungen, von denen nur noch einige Bestandteil unseres Alltagslebens sind. Heute halten die meisten von uns das Käsemachen und Bierbrauen für »extreme« Formen des Kochens, weil sie sich noch nie darin versuchten, früher hingegen fanden all diese Verwandlungen ganz selbstverständlich zu Hause statt, und jeder wusste zumindest in groben Zügen, was dabei zu tun war. Heutzutage scheinen wir nur noch eine Handvoll Kochtechniken zu beherrschen. Das ist nicht nur ein Wissens-, sondern auch ein gewisser Machtverlust. Und es ist durchaus möglich, dass es der nächsten Generation bereits so exotisch und ehrgeizig – so »extrem« – erscheinen wird, eine Mahlzeit von Grund auf selbst zu kochen, wie den meisten von uns heute, selber Bier zu brauen, Brot zu backen oder Sauerkraut einzulegen.

      Wenn das geschieht – wenn wir nicht mehr wissen, wie man diese wundervollen Dinge selbst herstellt –, wird Nahrung jeden Bezug zur Arbeit menschlicher Hände, zur Natur der Pflanzen und Tiere, zur Fantasie, zur Kultur und zum sozialen Leben verloren haben. Und sich stattdessen auf dem Weg in den Äther der Abstraktion befinden, wo sie zu nichts weiter als einem Energielieferanten oder zum bloßen Bild wird. Wie also können wir sie wieder auf die Erde zurückholen?

      Ich behaupte in diesem Buch, dass der beste Weg, uns wieder bewusst zu machen, was Nahrung wirklich ist, und ihr wieder den Platz in unserem Leben zu geben, den sie verdient, darin besteht, die physischen Prozesse ihrer traditionellen Herstellung beherrschen zu lernen. Die gute Nachricht ist, dass uns das jederzeit möglich ist, egal wie begrenzt unsere Kochkenntnisse sind. Meine eigene Lehrzeit machte es erforderlich, dass ich meine Küche und meine Komfortzone verließ und mich in entlegenere Gefilde des Kochens begab, in der Hoffnung, dort die grundlegenden Fakten zu dessen verschiedenen Formen zu erfahren und herauszufinden, was genau an diesen Verwandlungsprozessen dazu beitrug, uns zu dem zu machen, was wir sind. Meine vielleicht erfreulichste Erkenntnis war jedoch, dass die Wunder der Kochkunst, selbst ihre anspruchsvollsten Formen, auf einer Magie beruhen, die uns allen nach wie vor zugänglich ist, sogar in unserer eigenen Küche.

      Ich sollte hinzufügen, dass mir diese Reise großen Spaß machte, wahrscheinlich den größten, den ich je hatte, während ich angeblich »arbeitete«. Welche Entdeckung ist erfreulicher als die, dass man etwas Köstliches oder auch Berauschendes, von dem man bisher annahm, dass man es immer auf dem Markt würde kaufen müssen, tatsächlich selbst herstellen kann? Welcher Zustand ist entspannender als der, in dem die Grenze zwischen Arbeit und Spiel in einer Wolke aus Brotmehl oder duftendem Dampf aus einem kochenden Kessel verschwindet?

      Selbst aus scheinbar völlig misslungenen Kochexperimenten lernte ich unerwartet nützliche Dinge. Wenn man schon probiert hat, Gemüse einzulegen, Bier zu brauen und ein ganzes Schwein langsam zu grillen, traut man sich beim alltäglichen Kochen viel mehr zu, und in mancher Hinsicht wird es auch einfacher. Was ich von den Grillmeistern lernte, half mir, meine Grillkünste im eigenen Garten zu perfektionieren. Das Arbeiten mit Brotteig lehrte mich, in der Küche auf meine Hände und Sinne und deren Botschaften zu vertrauen, was mich von Rezepten und dem Messbecher unabhängiger machte. Seit ich einige Zeit in traditionellen Bäckereien und in einer Wonder-Bread-Fabrik verbrachte, weiß ich besser, was ein gutes Brot ausmacht, und schätze es noch viel mehr. Das Gleiche gilt für eine Ecke Käse und eine Flasche Bier: Was bisher nur ein – gutes oder schlechtes – Produkt war, erwies sich als viel mehr – als eine Leistung, als eine Ausdrucksform und als etwas Verbindendes. An sich würde schon diese Steigerung des Ess- und Trinkvergnügens allein die ganze sogenannte Arbeit rechtfertigen.

      Aber die vielleicht wichtigste Erkenntnis, die ich bei dieser Arbeit gewann, war, dass uns das Kochen in ein ganzes Netz sozialer und ökologischer Beziehungen einbindet: mit Pflanzen und Tieren, mit dem Boden, mit Bauern, mit den Mikroben in uns und um uns herum, und natürlich mit den Leuten, die das, was wir kochen, ernährt und erfreut. Was ich in der Küche vor allem lernte, war, dass Kochen verbindet. In all seinen Varianten, von den alltäglichen bis zu den extremen, weist es uns in der Welt eine ganz besondere Position zu, an der wir mit der natürlichen Welt auf der einen Seite und der sozialen Welt auf der anderen konfrontiert sind. Der Koch steht genau zwischen Natur und Kultur. Er übernimmt die Rolle des Vermittlers zwischen den beiden Welten und bringt sie zusammen. Diese Arbeit verwandelt sowohl die Natur als auch die Kultur und, wie ich dabei herausfand, den Koch ebenfalls.

      III.

      Mit der Zeit wurde ich in der Küche immer sicherer. Ähnlich wie das Gärtnern nimmt einen das Kochen auf eine angenehme Art in Anspruch, ohne einen intellektuell allzu sehr zu fordern. Es lässt einem reichlich Raum für Tagträume und Reflexionen. Ich dachte dabei unter anderem über die Frage nach, warum ich freiwillig eine Arbeit verrichtete, die in unserer Zeit eigentlich unnötig geworden ist, eine Arbeit, für die ich weder besonders begabt noch qualifiziert bin, sodass ich vielleicht nie wirklich gut darin werde. Das ist die unausgesprochene Frage, die in der modernen Welt immer im Raum steht, wenn wir etwas kochen. Warum machen wir uns diese Mühe?

      Rein rational betrachtet ist wohl selbst das tägliche Kochen zu Hause keine kluge Nutzung unserer Zeit – vom Brotbacken oder Fermentieren von Kimchi ganz zu schweigen. Diese Auffassung vertraten zumindest die Zagats – das Ehepaar, das die Zagat-Restaurantführer herausgibt – in einem Artikel über die Gastronomie, der kürzlich im Wall Street Journal erschien. Statt nach der Arbeit heimzugehen und zu kochen, sollten die Leute lieber eine Stunde länger im Büro bleiben und das tun, was sie gut können, und dann preiswerte Restaurants das tun lassen, was diese am besten können, meinten die Zagats.

      Das ist, in Kurzform, das klassische Argument für die Arbeitsteilung, der wir, wie Adam Smith und unzählige andere betonten, viele Segnungen der Zivilisation verdanken. Sie ermöglicht es mir, davon zu leben, dass ich vor einem Bildschirm sitze und schreibe, während andere meine Nahrung anbauen, meine Kleidung nähen und die Energie erzeugen, die mein Haus beleuchtet und heizt. Wahrscheinlich verdiene ich mehr Geld, wenn ich eine Stunde lang schreibe oder unterrichte, als ich spare, wenn ich eine Woche lang selbst koche. Die Spezialisierung hat unbestreitbar große soziale und wirtschaftliche Vorteile. Aber sie schwächt uns auch. Sie erzeugt Hilflosigkeit, Abhängigkeit und Ignoranz und untergräbt letztendlich jedes Verantwortungsbewusstsein.

      Unsere Gesellschaft weist uns sehr begrenzte Rollen zu: Wir stellen bei der Arbeit ein bestimmtes Produkt her und konsumieren in der restlichen Zeit eine ganze Menge anderer Produkte, und einmal im Jahr oder so schlüpfen wir kurz in die Rolle des Staatsbürgers und geben eine Stimme ab. Wir delegieren die Erfüllung buchstäblich all unserer Bedürfnisse und Wünsche an Spezialisten der einen oder anderen Art – für unsere Mahlzeiten sind die lebensmittelverarbeitenden Unternehmen zuständig, für unsere Gesundheit die Ärzte, für unsere Unterhaltung Hollywood und die Medien, für unsere geistige Gesundheit die Psychotherapeuten oder die Pharmakonzerne, für den Naturschutz die Umweltschützer, für politische Maßnahmen die Politiker und so weiter. Allmählich können wir uns kaum noch vorstellen, irgendetwas selbst zu tun, außer der Arbeit, mit der wir unser Leben bestreiten. Wir glauben, dass wir alles andere verlernt haben oder dass andere es besser können. Unlängst etwa hörte ich von einer Agentur, die, falls man keine Zeit findet, seine alten Eltern zu besuchen, stellvertretend eine nette Person bei ihnen vorbeischickt. Anscheinend meinen wir, dass nur Fachleute oder spezielle Einrichtungen oder bestimmte Produkte unsere täglichen Bedürfnisse befriedigen und unsere Probleme lösen können. Diese erlernte Hilflosigkeit ist natürlich von großem Vorteil für die Unternehmen, die sich darum reißen, all diese Dinge für uns zu erledigen.

      In unserer komplexen Wirtschaft besteht das Problem mit der Arbeitsteilung darin, dass sie es uns erschwert, die konkreten Auswirkungen unserer täglichen Handlungen und damit unsere Verantwortung für sie zu erkennen. Die Spezialisierung lässt uns leicht vergessen, wie viel Dreck das Kohlekraftwerk produziert, das unsere Hightech-Bildschirme leuchten lässt, oder welche Knochenarbeit es ist, die Erdbeeren für unser Müsli zu pflücken, oder was für ein elendes Dasein das Schwein fristete, das starb, damit wir seinen Schinken genießen können. Die Spezialisierung verschleiert unsere Verwicklung in all das, was unbekannte andere Spezialisten irgendwo auf der Welt für uns


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