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Im Dialog mit dem Körper. Susanne KersigЧитать онлайн книгу.

Im Dialog mit dem Körper - Susanne Kersig


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vermutete, dass dies mit dem Lebensstil der Patientin zusammenhängt und schlägt Sitzungen bei mir vor. Die Klientin selbst ist auch motiviert, alles zu tun, was in ihrer Macht steht, um ihren Blutdruck zu senken. Ich schlage ihr also vor, erst einmal für sich zu klären, was Sie mit unseren Sitzungen genau erreichen möchte. Dazu lade ich sie ein, zunächst eine angenehme Stelle im Körper zu suchen.

      Claudia: Erstaunlicherweise fühlt sich gerade der Rücken sehr angenehm an. Dort habe ich mich eigentlich bisher noch nie gut gefühlt! Jetzt fühle ich mich da stabil und habe das Empfinden von jeder Menge Halt. Ich fühle mich damit frei und offen und meine Stimmung ist geradezu euphorisch!

      Ich: Da ist stabiler Halt im Rücken und Sie fühlen sich frei, offen und euphorisch. Was ist das Beste für Sie an diesem guten Gefühl?

      Claudia: Ich habe dort Rückhalt und Rundumblick. Ich fühle mich wie an einem Gipfelkreuz!

      Ich: Rückhalt, Rundumblick – wie an einem Gipfelkreuz! Ich möchte Ihnen jetzt vorschlagen, sich von diesem Empfinden des Rückhaltes und des Rundumblickes aus zu fragen: »Was ist eigentlich mein Ziel, wenn ich an meinen zu hohen Blutdruck denke?« Richten Sie, wenn Sie mögen, diese Frage an Ihre Körpermitte und warten Sie ab, was dort passiert.

      Claudia: In der Körpermitte entsteht jetzt ein Gefühl von Unaufgeregtheit. Dort bin ich frei von Bedrohung und völlig angstfrei … Dazu taucht das Bild einer Almwiese auf. Der Blutdruck soll sich einfach normalisieren!

      Ich: Ich schlage Ihnen vor, bei diesen Empfindungen von Unaufgeregtheit, Angstfreiheit und dem Bild der Almwiese noch ein wenig zu verweilen und sich jetzt vorzustellen, Sie seien schon am Ziel. Der Blutdruck habe sich bereits normalisiert. Wenn Sie damit einverstanden sind, dann lassen Sie diese Vorstellung jetzt einfach auf Ihren Körper wirken und warten ab, was passiert.

      Claudia: Innerlich wird es stabil, hell und licht, mein Kopf erhebt sich ein wenig. Die Veränderung fühlt sich komplex an. Ich habe eine größere Entscheidungsfreiheit (lacht.) Andererseits erschrecke ich aber auch vor den Konsequenzen. Ich spüre ein Gefühl von Angst im Bauch.

      Ich: Sie fühlen sich stabil und hell und etwas in Ihnen hat Angst vor den Konsequenzen. Was genau ist das Beängstigende an der Vorstellung der Konsequenzen für Sie?

      Claudia: Ich würde möglicherweise Althergebrachtes über Bord werfen, alte Krusten aufbrechen, neue Wege gehen! Ich spüre gleichzeitig ein Gefühl von Wehmut und Abenteuerlust. Alle Dinge würden auf den Prüfstand kommen. Mein Beruf, meine Partnerschaft, meine Familie. und meine Freunde. Ich würde mich überall fragen, wie ich dastehe. Am wichtigsten wäre es aber, berufliches neu zu prüfen. Das fühlt sich jetzt gut an. Ich muss es ja nicht gleich ändern. Ich prüfe es und kann dann entscheiden.

      Ich: Vielleicht möchten Sie jetzt noch einmal zu dem Guten Ort zurückkehren? Mit dem Gipfelblick des Guten Ortes könnten Sie das Berufliche auf den Prüfstand stellen, wenn Sie wollten.

      Claudia: (lächelt). Das ist eine gute Idee. Da ist es nicht mehr so übermächtig. Es fühlt sich so an, als ob ich zum ersten Mal die Dinge vom Gipfel aus betrachte. Von dort aus sehe ich, dass ich mich habe formen lassen. Ich denke häufig, ich müsse alles richtig machen, damit mein Betrieb und meine Familie funktionieren. Und wenn ich etwas falsch mache, geht es beiden schlecht. Über diesem »richtig machen wollen« ist mir ganz verloren gegangen – dass ich glücklich sein will! Von dem Guten Ort aus habe ich dieses Gefühl von Stabilität im Rücken und kann sagen: Was ich gemacht habe, habe ich gut gemacht. Das fühlt sich jetzt innerlich richtig gut an. Vom Gipfel aus sehe ich eher, was mir etwas bedeutet, und worauf ich verzichten kann. Es ist Unfug, mich zu schelten. Von da aus gesehen ist alles schlüssig. Das ist ein sehr erhabener Gedanke! Ich spüre ein Gefühl von Frieden und des Ganz-bei-mir-seins. Ich finde es köstlich, an mich zu denken und mich immer wieder zu fragen, was für mich stimmig ist. Das wird sich sicher auch sehr günstig auf meinen Blutdruck auswirken!

      Claudia öffnet lächelnd die Augen.

      In der kommenden Stunde berichtet sie, dass das Bild des Gipfelkreuzes, von dem aus sie die Dinge prüft, sie noch lange positiv begleitet hat. Die nächsten Sitzungen nimmt sie sich Zeit, vor allen Dingen ihre berufliche Perspektive ganz neu zu überdenken. Mittlerweile hat sie den Standort ihres Geschäfts verlegt, ein für sie zwar mit vorübergehendem Stress verbundener, auf lange Sicht aber wichtiger Schritt zu mehr unternehmerischem Erfolg und zu geringerem finanziellen Druck. Der Blutdruck ist leicht gesunken, das zuvor immer wieder auftretende Herzrasen hat ganz aufgehört. Stresssituationen kann sie mit viel größerer Gelassenheit begegnen. »Ohne die wahrscheinlich angeborene Herzklappen-Insuffizienz könnte ich wohl auf Medikamente ganz verzichten«, schreibt sie einige Monate nach Beendigung der Therapie.

      Auch in diesem Beispiel können wir sehen, dass die Zielvorstellung von Heilung nicht immer nur mit vollkommen angenehmen Vorstellungen einher geht. Frau Claudia erschrickt zunächst davor, ihr Leben auf den Prüfstand zu stellen und sich möglicherweise von verkrusteten Gewohnheiten oder Gegebenheiten zu trennen. Das Focusing über die Zielvorstellung hat eben auch die Absicht, solche möglichen Ambivalenzen auf dem Weg zur Heilung aufzudecken und zu formulieren. Alle Anteile im Prozess sind dabei willkommen, selbst diejenigen, die möglicherweise an einer Symptomatik festhalten möchten. Nur wenn alle Teile von uns auch mit ins Boot genommen werden, kann die Heilung umfassend gelingen. Eine Veränderung im Sinne einer Genesung kann, muss aber nicht einen Preis kosten und es ist hilfreich, sich diesen Preis bewusst zu machen. Erst dann können wir wirklich entscheiden, wie wir damit umgehen möchten. Lesen Sie hierzu auch den Abschnitt über den »sekundären Krankheitsgewinn« in Kapitel 9.

      Zusammenfassend kann man sagen, dass ein Focusing über das Ziel der Körperdialoge:

       die Richtung für die weiteren Prozesse vorgibt und den Weg dahin »errechnet«,

       unbewusste Anteile, die gegen eine Genesung sprechen, bewusst und damit einer Bearbeitung zugänglich macht,

       die mit der Zielvorstellung einhergehenden Gefühle (Angst, Zuversicht, Hoffnungslosigkeit usw.) ins Bewusstsein treten lässt, so dass diese auch bearbeitet werden können.

       die Erwartung auf Heilung anregt, eine positive Stimmung, Entspannung und Hoffnung erzeugt und damit die Selbstheilungskräfte aktiviert.

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