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Zufrieden alt werden - Volker Fintelmann


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Das 42. bis 49. Lebensjahr – Marszeit

       Hinwendung des Ichs zu kosmischen Regionen

      Es wurde schon angesprochen, dass am Schnittpunkt des 42. Lebensjahres der individuelle Geist (Ich), der nun Leib und Seele durchdrungen und individualisiert hat, sich von den Erdkräften des Leibes ganz allmählich abwendet und sich den kosmischen Regionen, die seine eigentliche, »ewige« Heimat sind, wieder zuwendet, wobei er die sich immer mehr verjüngende Seele mitnimmt (siehe Seite 53 f.). Das künstlerische Bild dieser den kosmischen Kräften (die das Kind auch einfach Himmel nennt) zugewandten Seite von Ich und Seele sind durch alle Zeiten die Flügel gewesen. Das Ich hebt sich also mit seinen kosmischen Flügeln aus den irdischen Bedingungen der leiblichen Gestaltung, an der es ganz maßgeblich mitgewirkt hat, und wendet sich mehr und mehr den kosmischen und damit auch geistigen Gesetzmäßigkeiten zu.

       Zeit der individuellen geistigen Entwicklung

      Jetzt beginnt die Zeit der individuellen geistigen Entwicklung des Menschen. Natürlich ist jeder Mensch von der Geburt an geistdurchdrungen, doch sind – wie wir gesehen haben – diese geistig-individuellen Kräfte im Menschen primär auf den Leib und später auf die Seele gerichtet. Erst nach dem 42. Lebensjahr kann sich das Ich ganz seiner eigenen Natur widmen und drei eigenständige Geistglieder ausbilden, die Rudolf Steiner Geistselbst, Lebensgeist und Geistesmensch nennt.30 Wenn diese wiederum ganz individualisierende geistige Gestaltung von »Hüllen« oder Werkzeugen des Ichs heute auch erst anfänglich möglich ist – es wurde ja schon darauf hingewiesen, dass die eigentliche, sich über etwa 2000 Jahre erstreckende Aufgabe unserer Zeit die individuelle Entwicklung einer Bewusstseinsseele ist (siehe Seite 33) –, so werden doch diese in jedem Menschen keimhaft angelegten »höheren Glieder« mit weiteren keimhaften Kräften beladen, die ihre Entwicklung in der Zukunft neuer Inkarnationen immer stärker möglich sein lassen.

      In dem vorausgehenden Jahrsiebt hat sich der Mensch intensiv der selbstständigen Entwicklung seiner in ihm allgemein veranlagten, nun aber durch das Ich herauszuarbeitenden Bewusstseinsseele gewidmet. Dieser Vorgang hat zur leiblichen Voraussetzung, dass das Ich noch einmal ganz in die Tiefen des Leibes hinabtaucht und die Faszination dieser der Natur nachgebildeten Stoffeswelt erlebt.

       Naturreiche als Aussonderungen aus der menschlichen Entwicklung

      Es gehört zu den zentralen Forschungsergebnissen Rudolf Steiners, dass die gesamte Evolution von Erde und Mensch gemeinsam verlief und die Naturreiche eigentlich wie Aussonderungen der menschlichen Entwicklung gesehen werden müssen.31 Diese evolutionäre Tatsache begründet die moralische Verantwortung des Menschen für die Natur. Wir erlangten unsere Entwicklung zu immer größerer Vollkommenheit nur dadurch, dass wir bestimmte wesenhafte Kräfte aus uns heraussonderten und in eine zunächst absteigende, erdgerichtete Entwicklung bannten. Diese Anschauung begründet auch den christlichen Erlösungsgedanken dieser Naturreiche und -wesen durch den Menschen.

      Wenn wir uns jetzt auch nicht mit dieser so umfassenden, für Mensch und Erde zentralen Frage so auseinandersetzen können, dass diese für den Leser auch begründet anschaubar wird, so muss dieser Gedanke doch ausgesprochen werden, um die Besonderheit der Entwicklung der Bewusstseinsseele als Zeitenfrage auch in tieferen Dimensionen verständlich zu machen.

      Wichtig für unser Thema ist, dass das Ich in der Stoffeswelt des eigenen Leibes die ganze Vielfalt und Schöpfung der mineralischen Welt findet, wie sie sich im Äußeren dem forschenden Auge als ebensolche Faszination einer Vielfalt erschließt. Nur ist die beobachtende, wahrnehmende Kraft des Ichs nun nicht nach außen in die Welt gerichtet, sondern in eine innere Welt der physischen Kräfte des Leibes.

       Verwandtschaft von Natur und menschlichem Leib

      Diese Verwandtschaft von Natur und menschlichem Leib ist im Mittelalter immer in den Ausdruck gefasst worden, dass der Mensch einen Mikrokosmos im Makrokosmos darstelle. Man kann diese Anschauung auch so ausdrücken: Jeder menschliche Leib trägt die gesamte Schöpfung von Erde und Kosmos, soweit dieser unserem Weltensystem zugehört, in sich.

       Zeit der Einsamkeit

       materialistische Weltanschauung

      Die Begegnung unseres Ichs mit der Wunderwelt der Stoffe bis in die tiefsten Dimensionen ihres materiellen Seins, also der Materie, schuf in der Bewusstseinsentwicklung der Menschheit die Voraussetzung für die heute weit verbreitete materialistische Weltanschauung. Sie ist auch die Voraussetzung für die unsere Zeit immer noch beherrschende philosophische Anschauung von Immanuel Kant, dass der Mensch nur die Dinge in der Welt wahrnehmen kann, die seinen Sinnen zugänglich sind, während die – auch von Kant nie geleugneten – »Dinge an sich«, das der äußeren Erscheinung zugrunde liegende Wesenhafte sich menschlicher Erkenntnis unmittelbar nie erschließen könne. Dessen Wahrnehmung wurde von der allgemeinen Wissenschaft in das Gebiet der Metaphysik, des Metaphysischen verwiesen, und es wird heute überwiegend als nicht-existent bezeichnet. Das hat ein Element in die Menschheit hineingetragen, das in seinen Schattenseiten heute als große soziale Problematik erlebt wird: die Einsamkeit.

       Vereinzelung als zeitnotwendiger Schritt, um uns als Selbst zu erfahren

      Es ist ein aus den Ausführungen vielleicht zu ahnendes Phänomen der Bewusstseinsseelenentwicklung, dass der Mensch innerlich immer mehr auf sich selbst verwiesen wird. Damit tritt in der Seele zunächst eine starke Egozentrik auf, die nach außen in der sozialen Haltung auch Egoismus werden kann. Auf der anderen Seite kann diese Vereinzelung, die im Übrigen ein zeitnotwendiger Schritt ist, aber auch zur Einsamkeit werden. Steiner spricht von antisozialen Trieben, die mit der Bewusstseinsseele verbunden sind. Diese brauchen wir, um uns als Selbst zu erfahren. In unserem Immunsystem finden wir deren Abbild. Es wird nur das Selbst geduldet, alles »Nicht-Selbst«, das Fremde, wird (mit zum Teil aggressiven Abwehrkräften) eliminiert. Es gibt allerdings auch den anderen Weg der Aneignung, der immunologisch Verdauung heißt. Das andere Selbst verschmilzt mit dem eigenen und bildet den Urkeim der Gemeinschaft.

      Im Grunde genommen muss jeder Mensch durch dieses Nadelöhr von Einsamkeit hindurch, weil dieses tief existenzielle Noterlebnis, vollkommen allein in einer leeren Welt zu sein, die nichts ist oder enthält außer sich selbst, die Wahrnehmungsrichtung des Ichs dann wieder auf die schöpferische Unendlichkeit dieser Welt ausrichten kann. Diese ist aber nur in ihrer geistigen Realität wirklichkeitsbildend im menschlichen Ich-Erleben. Das kann auch so ausgedrückt werden: Durch die »Erblindung« in der Einsamkeit wird das innere Auge geöffnet für den geistigen Gehalt dieser Welt, wird die Bewusstseinsseele zunächst anfänglich verwandelt in Geistselbst. Ein Bild, ja eine Imagination für diese Entwicklung ist das Gleichnis von der Heilung des Blindgeborenen (Johannes 9,1–41) wie überhaupt die vielen Heilungen Blinder in den Evangelien.

      Diesen Entwicklungsweg hat Christian Morgenstern in dichterische Form gebracht:32

      Die zur Wahrheit wandern,

      wandern allein,

      keiner kann dem andern

      Wegbruder sein.

      Eine Spanne gehn wir,

      scheint es, im Chor …

      bis zuletzt sich, sehn wir,

      jeder verlor.

      Selbst der Liebste ringet

      irgendwo fern;

      doch wer’s ganz vollbringet,

      siegt sich zum Stern,

      schafft, sein selbst Durchchrister,

      Neugottesgrund –

      und ihn grüßt Geschwister

      ewiger Bund.

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