Physikalische Chemie. Peter W. AtkinsЧитать онлайн книгу.
– der Wertepaare von Druck und Temperatur, bei denen zwei Phasen koexistieren – finden wir, indem wir die Tatsache ausnutzen, dass zwei Phasen, die sich miteinander im Gleichgewicht befinden, gleiche chemische Potenziale besitzen. Für zwei Phasen α und β bedeutet das
(4.5)
Die Lösung dieser Beziehung ist die Gleichung der Phasengrenzlinie in Form einer Funktion p = p(T).
(a) Die Steigungen der Phasengrenzlinien
Das charakteristische Merkmal der Phasengrenzlinien, das sich am einfachsten beschreiben lässt, ist ihre Steigung; wir beginnen daher, indem wir eine Beziehung für dP/dT suchen. T und p sollen sich in infinitesimalen Schritten so ändern, dass das Gleichgewicht zwischen α und β stets erhalten bleibt. Zu Beginn sind die chemischen Potenziale beider Phasen gleich (da das Gleichgewicht eingestellt ist). Wenn man sich auf die beschriebene Weise zu einem anderen Punkt der Phasengrenzlinie bewegt (Abb. 4.16), ist diese Bedingung immer erfüllt (da das Gleichgewicht eingestellt bleibt). Daher kann man die Änderungen des chemischen Potenzials beider Phasen gleichsetzen, dμ(α) = dμ(β).
Gleichung (3.43) (dG = V dp − S dT) gibt die Variation von G mit p und T an, und mit μ = Gm folgt, dass für jede der beiden Phasen dμ = −Sm dT + Vm dp ist. Also können wir anstelle der Beziehung dμ(α) = dμ(β) auch schreiben:
Hier sind Sm(α) und Sm(β) die molaren Entropien und Vm(α) und Vm(β) die molaren Volumina der jeweiligen Phase. Durch Zusammenfassen und Umformen dieser Gleichung erhalten wir
Abb. 4.16 Wenn Druck auf ein System ausgeübt wird, in dem sich zwei Phasen im Gleichgewicht befinden (am Punkt a), so wird das Gleichgewicht gestört. Es kann durch eine Temperaturänderung wieder hergestellt werden; dabei geht das System in den Zustand b über. Daraus folgt, dass zwischen dp und dT ein Zusammenhang besteht, der dafür sorgt, dass das System bei Änderung einer der beiden Variablen im Gleichgewicht bleibt.
Die Änderung der (molaren) Entropie bei einem Phasenübergang, ΔTransS, ergibt sich aus der Differenz der molaren Entropien der beiden Phasen, ΔTransS = Sm(β)−Sm(α); entsprechendes gilt für die Änderungen der (molaren) Volumina, ΔTransV = Vm(β) − Vm(α). Also gilt
Daraus ergibt sich unmittelbar die Clapeyron‐Gleichung
Die Clapeyron‐Gleichung ist ein exakter Ausdruck für die Steigung der Tangente an jeden beliebigen Punkt der Phasengrenzlinie; sie kann auf jedes Phasengleichgewicht eines beliebigen reinen Stoffs angewendet werden. Mit ihrer Hilfe können wir thermodynamische Daten für die Voraussage von Phasendiagrammen verwenden und deren Gestalt verstehen. Eine praktische Anwendung ist die Vorhersage des Verhaltens der Schmelz‐ und Siedepunkte bei einer Druckerhöhung; in diesem Zusammenhang wird die Clapeyron‐Gleichung meist in einer Form verwendet, bei dem Zähler und Nenner der Brüche auf beiden Seiten der Gleichung invertiert sind:
(4.6b)
Illustration 4.11
Das Standardvolumen des Übergangs von Eis zu flüssigem Wasser bei 0 °C ist −1,6 cm3 mol−1, und die entsprechende Standardentropie des Übergangs beträgt +22 J K−1 mol−1. Die Steigung der Phasengrenzlinie fest/flüssig bei dieser Temperatur ist daher
Dies entspricht −7,3 mK bar −1. Eine Druckerhöhung um 100 bar führt daher bei Wasser zu einer Gefrierpunktserniedrigung um 0,73 K.
(b) Die Phasengrenzlinie fest/flüssig
Der Schmelzvorgang findet bei einer Temperatur T statt und verläuft unter Änderung der molaren Enthalpie des Systems um ΔSmH. Daraus ergibt sich die molare Schmelzentropie zu ΔSmH/T (siehe Abschn. 3.2); alle Punkte auf der Phasengrenzlinie entsprechen einem Gleichgewicht zwischen den Phasen, daher entspricht T auch der Übergangstemperatur TTrans. Die Clapeyron‐Gleichung für diesen Vorgang lautet
(4.7)
ΔSmV ist die Änderung des molaren Volumens beim Schmelzen. Die Schmelzenthalpie ist immer positiv (die einzige Ausnahme ist Helium‐3), die Volumenänderung ist normalerweise ebenfalls positiv und stets relativ klein. Folglich ist die Steigung dp/dT groß und im Allgemeinen positiv (Abb. 4.17).
Eine mathematische Beschreibung der Phasengrenzlinie erhalten wir durch Integration von dp/dT unter der Annahme, dass ΔSmH und ΔSmV so wenig von der Temperatur abhängen, dass sie als Konstanten behandelt werden können. Wenn die Schmelztemperatur bei dem Druck p* gleich T* und bei dem Druck p gleich T ist, haben wir folgende Integration auszuführen:
Abb. 4.17 Eine typische Phasengrenzlinie fest/flüssig steigt steil an. Daraus lässt sich schließen, dass die Schmelztemperatur steigt, wenn der Druck zunimmt. Die meisten Stoffe verhalten sich so, Wasser ist eine wichtige Ausnahme.
Wir erhalten als Näherungsgleichung für die Phasengrenzlinie fest/flüssig
(4.8)
Diese Gleichung wurde von einem Mitglied der Familie Thomson erstmals formuliert – von James, dem Bruder des späteren Lord Kelvin.
Wenn T nahe bei T* liegt, kann man den Logarithmus in guter Näherung mithilfe der Reihenentwicklung