Physikalische Chemie. Peter W. AtkinsЧитать онлайн книгу.
2.1). Außerdem sollten Sie mit dem Ausdruck für die Volumenarbeit eines idealen Gases (Abschn. 2.1) sowie der Volumen‐ und Temperaturänderung vertraut sein, die mit einer reversiblen adiabatischen Expansion eines idealen Gases einhergehen (Abschn. 2.5).
Was bestimmt die Richtung spontaner Veränderungen? Die Gesamtenergie des abgeschlossenen Systems kann es nicht sein: Durch den Ersten Hauptsatz der Thermodynamik wissen wir, dass die Energie eines Systems bei jedem Prozess erhalten bleibt. Wir werden im Folgenden sehen, dass freiwillige Vorgänge immer mit einer Dissipation von Energie verbunden sind. Um dieses Konzept quantitativ beschreiben zu können, führen wir eine neue Eigenschaft ein – die „Entropie“.
3.1.1 Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik
Die Bedeutung der Energiedissipation können wir anschaulich anhand eines Balls (betrachtetes System) verstehen, der auf den Boden (Umgebung) auftrifft. Nach jedem Aufschlag steigt der Ball etwas weniger hoch, da durch den (teilweise) unelastischen Stoß Energieverluste auftreten (das heißt, kinetische Energie des Balls wird in thermische Bewegung der Moleküle im Ball und im Fußboden umgewandelt). Die Richtung dieses freiwilligen Prozesses führt zu einem Endzustand, in welchem der Ball sich in Ruhe befindet: Die gesamte kinetische Energie wurde in zufällige thermische Bewegung der Atome des (formal unendlich ausgedehnten) Untergrunds und des Balls umgesetzt (Abb. 3.1).
Demgegenüber wurde noch nie beobachtet, dass ein Ball von selbst zu springen beginnt, indem er einem warmen Untergrund Wärmeenergie entzieht und sie in Arbeit umwandelt. Dazu müsste sich zunächst ein Teil der thermischen Bewegung der Teilchen des (unendlich ausgedehnten) Bodens in einem einzigen, kleinen Objekt – dem Ball – ansammeln. Dies würde eine spontane Lokalisierung der Energie aus den unzähligen Schwingungsbewegungen der Atome des Bodens auf die wenigen Atome des Balls (Abb. 3.2) erfordern. Außerdem erfolgt die thermische Bewegung der Teilchen ungeordnet; um den Ball nach oben zu heben, müssten sich alle Atome gleichzeitig in die gleiche Richtung bewegen. Dass aus zufälliger Bewegung von selbst geordnete Bewegung wird, ist so unwahrscheinlich, dass wir es als praktisch unmöglich ansehen können. (In viel kleinerem Maßstab beobachtet man eine geordnete Bewegung von Teilchen, die Brown'sche Molekularbewegung, als „Zittern“ z. B. von in Wasser verteilten Partikeln.)
Abb. 3.1 Die Richtung freiwilliger Zustandsänderungen für einen Ball, der den Boden entlang springt. Bei jedem Aufprall wird ein Teil der Energie des Balls in thermische Bewegung der Atome des Bodens umgewandelt, die sich dann verteilt. Der umgekehrte Vorgang wurde im makroskopischen Maßstab noch nie beobachtet.
Abb. 3.2 Die mikroskopische Erklärung der Irreversibilität, die durch den Zweiten Hauptsatz ausgedrückt ist. (a) Ein Ball liegt auf einem wärmeren Untergrund; die thermische Bewegung der Atome (hier zum Beispiel zufällige Schwingungen) ist durch die Pfeile angedeutet. (b) Um den Ball spontan nach oben zu bewegen, müsste sich zufällige Schwingungsbewegung plötzlich in koordinierte, gerichtete Bewegung der Atome verwandeln; dieser Vorgang ist sehr unwahrscheinlich.
Damit scheinen wir ein Kriterium für die Freiwilligkeit eines Vorganges gefunden zu haben: Wir müssen die Richtung des Prozesses herausfinden, die zu einer gleichmäßigeren Verteilung der Gesamtenergie des abgeschlossenen Systems führt. Wir können es auf unser Beispiel mit dem Ball anwenden: Hier wird die kinetische Energie des Balls auf die thermische Bewegung der Teilchen des Untergrundes verteilt. In umgekehrter Richtung läuft der Prozess nicht spontan ab, da sich die ungeordnete Energieverteilung nicht von selbst in eine geordnete, gerichtete Bewegung verwandelt.
Materie zeigt die Tendenz, sich maximal zu verteilen. Ein Gas zieht sich nicht freiwillig auf ein kleineres Volumen zusammen. Um das zu erreichen, müsste die ungeordnete Bewegung seiner Moleküle, die eine Verteilung der kinetischen Energie über den gesamten Behälter bewirkt, dazu führen, dass sich alle Teilchen plötzlich in einer Hälfte des Gefäßes befänden. Der umgekehrte Prozess, die Ausdehnung, ist eine natürliche Folge der gleichmäßigeren Energieverteilung bei der Zunahme des Volumens und läuft deshalb freiwillig ab.
Die Erkenntnis, dass man alle Prozesse in zwei Gruppen einteilen kann – die freiwillig und die nicht freiwillig ablaufenden – wird durch den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik wiedergegeben. In der Formulierung von Kelvin lautet er:
Ein Prozess, bei dem lediglich Wärme aus einem Reservoir entnommen und vollständig in Arbeit umgewandelt wird, ist unmöglich.
So ist es nicht möglich, eine Maschine wie in Abb. 3.3b zu bauen, die Wärme aus einem Wärmebad entnimmt und vollständig in Arbeit umwandelt. Zu jeder realen Wärmekraftmaschine (wie in Abb. 3.3a) gehört außer einem Wärmereservoir auch eine Wärmesenke, da jede reale Wärmekraftmaschine nur einen Teil der aus dem Wärmereservoir entnommenen Wärme in Arbeit umwandelt und den Rest in Form von Wärme an die Wärmesenke (z. B. die Umgebung) abgibt. Die Aussage von Kelvin ist eine Verallgemeinerung einer weiteren alltäglichen Erfahrung: Niemals wurde bisher beobachtet, dass ein Ball von selbst vom Boden in die Höhe springt. Dazu müsste Wärme aus der Oberfläche in Arbeit zum Heben des Balls umgewandelt werden.
Abb. 3.3 (a) Eine Wärmekraftmaschine wandelt nur einen Teil der aus dem Wärmereservoir entnommenen Wärme in Arbeit um und gibt den Rest in Form von Wärme an die Wärmesenke (z. B. die Umgebung) ab. (b) Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik in der Formulierung von Kelvin sagt aus, dass der hier dargestellte Prozess unmöglich ist: Wärme wird vollständig in Arbeit umgewandelt, andere Zustandsänderungen finden nicht statt.
Abb. 3.4 Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik in der Formulierung von Clausius sagt aus, dass der hier dargestellte Prozess unmöglich ist: Energie in Form von Wärme fließt hier von einem kalten Objekt spontan zur Wärmesenke, was in der Realität niemals beobachtet wird. Dieser Prozess steht allerdings nicht im Widerspruch zum Ersten Hauptsatz, da die Energieerhaltung gewährleistet ist.
Eine weitere Formulierung des Zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik stammt von Rudolf Clausius (siehe auch Abb. 3.4):
Wärme fließt niemals von einem kälteren zu einem wärmeren Objekt, die miteinander in Kontakt stehen.
Um Wärme von einem kälteren an einen wärmeren Gegenstand abgeben zu können, müsste am System zusätzlich Arbeit verrichtet werden, so wie es bei einem Kühlschrank der Fall ist. Obwohl die beiden Formulierungen zunächst recht unterschiedlich erscheinen mögen, lässt sich zeigen, dass die Aussagen nach Clausius und nach Kelvin logisch äquivalent sind. Dies lässt sich unter anderem dadurch zeigen, dass beide Beobachtungen in einer einzigen Aussage zusammengefasst werden können.
Zunächst betrachten wir das System und seine Umgebung insgesamt als einzelnes (und eventuell sehr großes) abgeschlossenes