Droga do serca lady Lucy. Laura MartinЧитать онлайн книгу.
er sein Geld wohl irgendwo anders verwahrt haben müßte als in diesen Jeans. Er kam, sie sah, er siegte - und das so nachhaltig, daß sie sich fest vornahm, beim nächsten Treffen ein paar Kondome ins Handtäschchen zu tun. Schließlich war es Sommer, und der fiel diesmal recht heiß und regenlos aus, selbst die Nächte wurden nicht richtig kühl, das Gras am Ufer des Kanals war weich und trocken, und die anderen Pärchen dort hatten ebenfalls verrutschte T-Shirts und Hosen.
Siggi war eben einfach Siggi. Nicht einmal seinen Nachnamen kannte sie. Dafür hatte er die merkwürdige Eigenschaft, urplötzlich dazusein, wie aus dem Nichts aufzutauchen, Hallo zu sagen und dann rasch zur Sache zu kommen. Danach lagen die beiden nebeneinander, sie schwieg vor sich hin und wußte nicht, ob es richtig war, hier zu liegen; er aber konnte plötzlich weitschweifig von Dingen reden, die sie nur teilweise verstand: von Walen, die Japaner und Norweger immer noch dezimierten, obwohl sie hochentwickelte Säugetiere sind und die Jagd längst international geächtet war; von tibetischen Mönchen, die orangefarben auf der Straße saßen und von chinesischen Milizen heruntergeprügelt wurden; von Bankern, die das Geld ihrer Kleinanleger verzockten und dann aus den Verlusten Bonuszahlungen erhielten. Es klang alles so wissend, so überlegen, und doch so verworren und ohne daß man das eine mit dem anderen sinnvoll verbinden konnte. Schon gar nicht, wenn man erschöpft war von den Anstrengungen der Liebe.
Nur bei der Erwähnung der Banker horchte sie auf, schließlich war das der Job ihres Vaters und ihres Bruders, und die Villa, die ihre Eltern bewohnten, war einmal aus dem Gewinn ihres Großvaters erworben, den er mit irgendwelchen Geschäften seines Bankhauses gemacht hatte. Daß beides einen jüdischen Vorbesitzer hatte, der es in den dreißiger Jahren zu günstigen Konditionen veräußert hatte, darüber sprach niemand in der Familie, das wußte sie wiederum nur von Hagen, und der wußte nahezu alles über ihre Familie und deren Geschäfte, schließlich war er so etwas wie der Privatsekretär ihres Vaters und wahrscheinlich längst schon etwas mehr.
Siggi und Hagen - was für grundverschiedene Typen! Sie lag und sah den weißlichen Wolken zu, die den nächtlichen Mond verschluckten und wieder ausspien; sie dachte an Hagens mißbilligende Blicke, als ihr der Name Siggi gestern herausgerutscht war. Und sie sah dieses unverschämte Grinsen in Siggis Gesicht, wenn sie Hagen erwähnte.
Überhaupt: Siggis Gesicht! Was war daran eigentlich so attraktiv? Sie wußte es nicht. Sie blickte zur Seite: Die Nase war schmal und ein wenig zu lang, die Augen lagen eigentlich viel zu dicht nebeneinander, und die meist ungekämmten Haare setzten tief an, machten seine Stirn niedrig und flach. Nein, so richtig schön war er weiß Gott nicht, aber er konnte sie so besonders anblicken, so bedeutsam und doch fast abwesend, und dann war da seine Art, den Mund spöttisch zu verziehen, die eigentlich hochmütig war und oft auch aggressiv, die ihr aber jedesmal eine leichte Gänsehaut irgendwo auf dem Rücken verursachte - einen wollüstigen Schauer, so könnte man vielleicht sagen.
Und Hagen? Sein Binder saß immer korrekt über dem weißen Hemd, nie hatte sie ihn in Freizeitkleidung gesehen, stets zeigte er sich in dieser langweiligen Banker- Uniform, genau wie ihr Vater und wie der Großvater: Der allerdings hatte immer noch eine Weste darunter getragen und darauf diese goldfarbene Uhrkette. Daran konnte sie sich noch erinnern, sonst war er nach seinem Tod aus ihrem Gedächtnis verschwunden, weil er ihr wenig bedeutet hatte. Und, wie sie glaubte, sie wohl auch ihm.
Hagen dagegen hatte seine Designeruhr am Handgelenk, zwei silberne Stifte in der äußeren Brusttasche seines Sakkos, obwohl er stets mit irgendeinem Kugelschreiber schrieb, von denen überall welche herumlagen. Falls er noch schrieb, denn eigentlich ging alles Geschriebene über Tastatur und Bildschirm. Hagen ist ein richtiger Schreibtischtäter, so hatte sie zu Siggi gesagt. Woher dieser Ausdruck stammte, was er eigentlich bedeutete, war ihr nicht bewußt, wie Siggi sofort bemerkte, und er vermied es, sie aufzuklären.
Nun also war dieser Siggi in die Festung eingedrungen, die bislang die Tochter des Hauses beschützt hatte, während ihre Operationen draußen der Familie kaum bekannt waren. Schließlich kannten sie sich nun schon drei Wochen, und da gehörte es sich, so meinte er, daß er das Innere der Burg einmal inspizierte. Und Hagen hatte es nicht verhindern können, zu überraschend kam der Angriff, und im Grunde hatte er auch nicht damit gerechnet, daß so eine flüchtige Disko-Bekanntschaft hier auftauchen würde, selbst wenn Hilla in letzter Zeit gelegentlich unverstandene Weisheiten dieses ominösen Siggi in ihren Sprachschatz aufgenommen hatte.
Hagen stand immer noch ein wenig verwirrt an der Haustür, bevor er entschied, sie zu schließen und an seinen Arbeitsplatz zurückzugehen, ohne sich weiter um den Besucher zu kümmern. Schließlich war er nicht als Türhüter angestellt, sondern als heimlicher Hüter bestimmter Geldflüsse des Bankhauses, vor allem, soweit sie am Fiskus vorbei irgendwohin zu transferieren waren. Mochte dieser Siggi sehen, wie er im Obergeschoß zurechtkam.
Der aber war zielbewußt auf eine der tiefbraunen Holztüren zugegangen - sein Orientierungssinn war schon immer gut ausgeprägt, auch wenn Hillas Beschreibungen manchmal nur schwer miteinander in Einklang zu bringen waren. Das unterschied sie eben: Siggi wirkte oft verwirrt oder doch verwirrend, aber er verbarg dahinter klare Ziele, die es zu erreichen galt; Hilla gab sich gerne als selbstbewußte junge Frau, klug und zielstrebig, doch in Wahrheit waren Wissen und Urteilsvermögen im Höchstfalle durchschnittlich, und im Grunde ließ sie sich treiben, genoß ihre kleinen Abenteuer, ohne wirklich zu wissen, wo der so genannnte Ernst des Lebens einsetzte. Was früher allein den Söhnen aus reichem Hause vorbehalten war, ehe sie - plötzlich wohlanständig - das ihnen zustehende Erbe antraten, das galt nun auch für die Töchter - nur daß ihre Erbschaft oft unsicher blieb.
Siggi klopfte nicht an, drückte einfach die Türklinke herunter - sie zeigte einen stilisierten Löwenkopf, kitschig und zugleich imponierend - öffnete mit einem nachlässigen "Hallo" und trat ins Zimmer. Es war leer, Hilla war nicht da, doch das machte dem Besucher nichts aus. Er warf die Tür ins Schloß und sich selbst auf die penibel glattgestrichene, grün gemusterte Tagesdecke, die über ein Bett mit Messinggestell gebreitet war. Man sah, hier gab es noch Hausangestellte, die für Ordnung sorgten. Das hinderte Siggi nicht, seine Turnschuhe an den Füßen zu lassen, während er liegend die restliche Einrichtung musterte. Eine altmodische Spiegelkommode stand an der einen Seite - Gelsenkirchner Barock, dachte Siggi abschätzig, davor ein lederbezogener Würfel als Sitzgelegenheit. Sicher Erbstücke, vielleicht sogar angeeignet aus ehemals jüdischem Besitz. Einen Schrank gab es nicht, dafür versteckte Türen in der getäfelten Wand, auch hier alles in düsterer Eiche. Vor einem der beiden Fenster protzte auf andere Weise ein Schreibtisch, vollständig aus Acryl, darauf ein Laptop - Tribut an den Zeitgeist. Ein Bücherregal suchte er vergebens; Lesen schien nicht so sehr Hillas Ding. Nur ein paar Zeitschriften lagen herum, immerhin eine Ausgabe von "Geo" war darunter, allerdings nicht gerade die neueste, wie das Titelbild dem Kenner verriet.
Eine Weile lag er so da, lauschte auf die Geräusche, die irgendwo im Hause entstanden und wieder erloschen, atmete den Geruch des Zimmers, der Hillas Körper mit frischem Bettzeug und altem Eichenholz mischte, atmete, horchte, wartete. Nur den obersten - nein, den einzigen Knopf seiner Jeans hatte er geöffnet, und der Reißverschluß rutschte danach selbsttätig etwa ein Drittel nach unten.
Dann kam Hilla. Nichts wußte sie von dem Besucher, und einen Augenblick blieb sie erschrocken im Türrahmen stehen. Siggi hatte sein Gesicht abgewandt, als die Klinke heruntergedrückt wurde, und er drehte sich ihr auch nicht zu, allein ihr Geruch verriet ihm, wer dort geöffnet hatte. "Komm," sagte er. Nur dieses einzige Wort, keine Begrüßung, keine Erklärung, nur das, was in seinen Augen notwendig war. Und das reichte an Kommunikation fürs erste. Sie schloß die Tür, drehte vorsichtshalber den Schlüssel herum, der innen steckte, streifte die Pantoletten ab, zögerte nur einen einzigen kleinen Moment und stürzte sich dann auf den Mann, der da so selbstverständlich auf ihrem Bett lag und auf sie wartete. Erst lag sie auf ihm, biß ihn in Nase und Ohrläppchen, dann drehte er sich nach oben, griff unter ihr Shirt und streifte es hoch, bis es ihr Gesicht bedeckte, sie blind dalag und in den Stoff biß.
Keine Wolken zogen diesmal vorbei, die Nacht war rötlich von ihrem Shirt, dann spürte sie den kratzigen Stoff seiner Jeans, das Metall des Reißverschlusses auf ihrem nackten Bauch, und dann spürte sie auch seine Haut und spreizte gehorsam die Beine, um ihm Einlaß zu gewähren. Erst als alles vorbei war, zog er ihr den Stoff von Mund