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DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband. Ina KramerЧитать онлайн книгу.

DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband - Ina Kramer


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die kleine Faust des Kindes.

      »Oh, Euer Edelgeboren, das Kindchen hat beim Wickeln nach meinem Haar gegriffen und mir tatsächlich ein Strähnchen ausgerauft.«

      »So kräftig ist sie schon«, murmelte Kusmine nicht ohne Stolz. »Ich hoffe, sie hat dir nicht zu weh getan.«

      Kusmine hielt ihre Tochter mit ausgestreckten Armen in die Höhe. Das Kind lachte, ruderte mit den Ärmchen, und auch die Beinchen regten sich und stießen, soweit es die Fessel der Wickelbänder eben zuließ. Unvermittelt warf Kusmine den Säugling in die Luft. »Was tut Ihr, Herrin!« rief die Kinderfrau erschrocken. »Bei allen Zwölfen, nein!« Doch die Frau von Brelak hatte ihre Tochter sicher wieder gefangen, und das Jauchzen des Kindes ließ keinen Zweifel daran, daß ihm der Flug gefallen hatte.

      »Siehst du, Susa, sie hat keine Angst«, stellte Kusmine mit Genugtuung fest, »eine Enkelin des Irineius von Malur fürchtet sich nicht vor dem Fliegen.« Noch dreimal gönnte sie dem Kind das Vergnügen, das jedesmal ›Mehr, mehr!‹ zu rufen schien, dann preßte sie es ungestüm an ihren leichten Lederharnisch und küßte das zarte Blondhaar wild und innig. »Und nun wollen wir einmal schauen, wo dein Vater mit dem Braten bleibt«, sagte sie, öffnete das Fenster und gab einem Stallburschen im Hof Anweisung, ihr Pferd zu satteln. Dann wandte sie sich an die Kinderfrau: »Susa, gib mir eine Decke und das Häubchen.«

      Witwe Westfahr sah sie überrascht an. »Wozu?« fragte sie.

      »Damit sie sich nicht verkühlt, natürlich – Mitte Peraine kann man ein so junges Kind doch nicht ungeschützt der Waldluft aussetzen.« Kusmine drohte der Frau scherzend mit dem Finger. »Das solltest du als Kinderfrau eigentlich wissen.«

      »Ihr wollt sie doch nicht etwa mitnehmen, Herrin! Um Praios’ willen, nein!« Erschrocken streckte Susa die Hände nach ihrem Pflegling aus, um ihn Kusmine abzunehmen, doch diese hielt ihr Töchterlein fest und drehte sich mit ihm im Kreise.

      »Wir reiten in den dunklen Tann, wo Wolf und Nachtwind hausen …«, begann sie eine alte Weise zu singen.

      »Reiten?« unterbrach Susa den Gesang. »Ach, Euer Edelgeboren, tut mir das nicht an! Wie soll das angehen? Wollt Ihr sie Euch auf den Rücken binden? Ach, mein armer kleiner Liebling!«

      »Auf den Rücken binden, das ist keine schlechte Idee«, lachte Kusmine, Susas kummervoller Miene nicht achtend. »Ich habe gehört, daß die Waldmenschenfrauen ihre Kinder auf dem Rücken tragen, und die Nivesinnen und sogar manche der hiesigen Bäuerinnen tun es wohl auch. Aber da wir hier weder im kalten Nivesenland sind noch im hitzigen Dschungel und ich auch keine Bäuerin bin, habe ich mir etwas anderes ausgedacht. Paß auf …« Und nun erläuterte sie der Kinderfrau ausführlich die Bauweise des Sattelkörbchens, das der alte Hilgert nach ihren Anweisungen geflochten und dergestalt mit ledernen Bändern versehen hatte, daß einerseits ein Herausfallen des Kindes verhindert wurde, andererseits ein sicherer Halt sowohl am Sattel als auch am Pferd gewährleistet war. »Ich finde, mit fast drei Monden sollte sie sich allmählich ans Reiten gewöhnen«, beendete sie ihre Ausführungen, »oder was meinst du, kleine Kriegerin?« Und wie zur Bestätigung begann Thalionmel zu lachen.

      Als Kusmine mit ihrem Kind davonritt, blickte Susa den beiden kopfschüttelnd nach. Wann wird unsere wilde Herrin endlich vernünftig werden? schien ihr Blick zu sagen.

      Die neunte Stunde war schon halb vorüber, als Kusmine das Dorf hinter sich ließ. Sie hatte ihre Lederrüstung gegen ein Reitkleid aus leichtem grünen Tuch getauscht, mit knapp geschnittenem Jäckchen und engen Beinkleidern, in denen Durenald sie besonders gern sah. Zwar hoffte sie, ihn noch vor der Mittagsstunde zu treffen, doch hatte sie vorsichtshalber ein wenig Proviant und einen Schlauch mit verdünntem Wein mitgenommen. Und die Atzung für mein Kleinod trage ich in meinem Körper, dachte sie befriedigt. Sie schaute sich nach dem Kind um, aber Thalionmel erwiderte ihren Blick nicht; mit großen Augen bestaunte sie den Ausschnitt der Welt, den zu sehen ihr von ihrer gutgepolsterten Lagerstatt aus möglich war: den Himmel, die zarten weißen Wölkchen, die von Westen her aufzogen, die Bäume und die Vögel, die emsig ihr Nistgeschäft betrieben.

      Kusmine ritt auf der Straße, die in nordwestlicher Richtung zur Reichsstraße führte. Es war kaum mehr als ein vielbenutzter und gut ausgefahrener Karrenweg, und als sie nach einer knappen Stunde den Wald erreicht hatte, konnte man kaum noch von Straße sprechen. Man sollte endlich den Ausbau des Weges in Angriff nehmen, ging es ihr durch den Kopf, als der Zweig eines dicht am Wege stehenden Baumes ihre Schulter streifte, das wäre sicherer und würde es dem Gesindel schwerer machen. Aber solange die anderen Gutsherren und -damen auf diesem Ohr taub sind und auch der Graf kein Interesse zeigt, wird es damit wohl nichts werden. Sie folgte weiter der schmalen Straße, genoß die kühle Luft, den Gesang der Vögel und das anmutige Spiel von Licht und Schatten, das Sonne und Blätter auf den Weg zauberten. Durenald wird mich schelten, daß ich niemanden mitgenommen habe, dachte sie und mußte lachen. Wenn es um ihre Sicherheit ging, vergaß der Gute allzuleicht, daß sie eine erfahrene Kämpin war und kein Vinsalter Zierpüppchen. Und seit sie vor knapp zehn Jahren damit begonnen hatte, eine Bürgerwehr zu errichten, zu rüsten und zu schulen, war es hier im ›Wilden Süden‹ viel ruhiger geworden – rings um Brelak zumindest. Ja, die Übergriffe durch Wegelagerer und Strauchdiebe hatten in den letzten Jahren merklich abgenommen.

      Gutgelaunt und voller Rondravertrauen setzte Kusmine ihren Weg fort. Wie überrascht würde Durenald sein und wie sehr würde er sich freuen, nicht nur sie, sondern auch sein süßes Töchterlein zu sehen. Just in diesem Augenblick begann das Kind zu greinen. »Was gibt’s, kleine Kriegerin, schon wieder hungrig?«

      Sie wandte sich lachend zu dem Säugling um, dessen Weinen nun lauter und fordernder wurde. »Aber ein klein wenig gedulden mußt du dich noch – erst müssen wir ein passendes Plätzchen zum Rasten finden. Und sieh einmal, auch ich muß mich gedulden«, fuhr sie fort, »oder denkst du, ich wollte die Milch nicht bald loswerden, die mir in die Brüste schießt, daß es zieht und spannt.« Wieder war es, als habe das Kind sie verstanden, denn nach ein paar letzten heftigen Schluchzern verebbte der Tränenstrom. »So ist es tapfer, kleine Kriegerin«, lobte Kusmine, »den Hunger überwinden und den Kummer niederkämpfen. Und nun sollst du auch bald belohnt werden – Frau Peraine, die Nährerin, ist dir hold. Siehst du die kleine Lichtung dort drüben? Da wollen wir rasten.«

      In wenigen Augenblicken war die Lichtung erreicht. Kusmine saß ab, breitete eine Decke auf dem Boden aus und befreite das Kind vorsichtig aus dem Körbchen. Obwohl die Praiosscheibe noch nicht den höchsten Stand erreicht hatte, verspürte auch sie ein wenig Hunger, und so nahm sie, nachdem sie die Zügel des Pferdes um einen Ast geschlungen hatte, Brot und Wein aus der Satteltasche, um sich nach dem Stillen selbst zu laben. »Vielleicht sollten wir hier auf deinen Vater warten, was meinst du?« wandte sie sich an den Säugling, während sie ihr Mieder öffnete, aber Thalionmel ruderte nur ungeduldig mit den Ärmchen, und ihr Interesse galt ganz offensichtlich allein der weichen mütterlichen Brust. Als sie die feste Knospe am Gaumen spürte, begann sie gierig zu saugen.

      Kusmine genoß das Stillen; sie liebte es jedesmal, aber heute, hier im Wald, umhüllt von den Düften der Erde und der Pflanzen, der lebendigen Ruhe rings umher und dem kühlwarmen Halbschatten, war es ihr eine ganz besondere Freude. Halb schloß sie die Augen, lehnte sich an den Baumstamm, bei dem sie das Lager aufgeschlagen hatte, und ließ ihre Gedanken ziellos treiben. Während Bilder der letzten Liebesnacht, der mit jedem Tag schöner und kräftiger werdenden Tochter, der Fechtstunde am Morgen, der gepanzerten Handschuhe, die sie jüngst beim Harnischmacher in Neetha in Auftrag gegeben hatte, bunt und ungeordnet in ihrem Geist vorüberzogen, reichte sie dem Säugling die rechte Brust, nachdem er sich an der linken halb gesättigt hatte.

      Plötzlich wurde die Brust kräftig zurückgestoßen; blitzschnell war Kusmine aus ihrem halben Schlummer erwacht und in die Wirklichkeit zurückgekehrt. »Was ist dir, Kind?« Überrascht sah sie den Säugling an. Thalionmel hatte die zarten Brauen gehoben und wandte wie lauschend das Köpfchen in Richtung der Straße. Kusmine folgte ihrem Blick, doch bevor sie etwas sah, hörte sie es schon: ein kurzes Wiehern und dann das Geräusch von galoppierenden Hufen auf weichem Boden. »Ob das dein Vater ist?« sagte sie mehr zu sich selbst, aber der Ausdruck der kindlichen Züge zeigte Überraschung, fast Bestürzung, und kein freudiges Strahlen


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