Mehr Natur, weniger Chemie. Christoph BachmannЧитать онлайн книгу.
Apotheken erkundigen, wie die entsprechenden Präparate in diesen Ländern heißen. Im ganzen deutschen Sprachraum sind viele pflanzliche Arzneimittel erhältlich.
Es kann aber vorkommen, dass ich bei einer Anwendung nicht alle für diese Indikation zugelassenen Präparate erwähne. Das spricht aber überhaupt nicht gegen die Wirksamkeit und Qualität dieser Arzneimittel – bei bestimmten Themen kann ich wegen der Fülle der erhältlichen Medikamente einfach nicht alle nennen.
Ich werde keine Dosierungen nennen und unerwünschte Wirkungen nur sehr ausnahmsweise, denn das würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Wenn jemand eines der in diesem Buch erwähnten Arzneimittel anwenden möchte, so rate ich dazu, sich vorher von einer Fachperson gründlich beraten zu lassen. Medizinalpersonen, welche Kranken ein Arzneimittel verschreiben oder geben, sind vom Gesetz her dazu verpflichtet, über Wirkungen, Nebenwirkungen und alle anderen Aspekte Auskunft zu geben, und zwar in einer verständlichen Sprache. Aber auch bei größter Sorgfalt können sich kleinere Fehler oder Unzulänglichkeiten einschleichen – ob in einem Beratungsgespräch oder eben hier in diesem Buch. Man möge mir dies verzeihen. Auch habe ich diesen Text nach bestem Wissen und Gewissen erstellt, ohne jeden Interessenskonflikt, und habe für die Erwähnung bestimmter Präparate bzw. die Nichterwähnung von Konkurrenzprodukten keinerlei Zuwendungen erhalten.
Ich wähle in diesem Buch in der Regel die männliche Form von Personen und Berufen des Gesundheitswesens. Natürlich sind damit auch alle Frauen gemeint. Dies ist selbstverständlich, zumal bei den Medizinalberufen der Anteil der Frauen ständig zunimmt, was ich persönlich sowohl notwendig als auch hocherfreulich finde.
Luzern, im Frühling 2021
Dr. pharm. Christoph Bachmann
MEHR NATUR
so synthetisch wie nötig
Vorbemerkungen
1. Ohne Pflanzen keine Menschen
2. Homo sapiens und pflanzliche Arzneimittel
3. Klinische Studien und Erfahrung
4. Unterschiede zwischen pflanzlichen und synthetischen Arzneimitteln
5. Pflanzliche Arzneiformen
6. Verschiedene Phytotherapie-Systeme
1. Ohne Pflanzen keine Menschen
Im Alltag aller Menschen spielen Pflanzen eine wichtige Rolle. Ob jemand in einer Großstadt lebt, weit fort von der freien Natur, oder – eng mit ihr verbunden – auf einem Bauernhof, ist nicht entscheidend. Jeder Mensch ist sein Leben lang ständig auf Pflanzen angewiesen. Ja, man kann sagen, dass es Homo sapiens ohne Pflanzen gar nicht gäbe.
Vor etwa 550 Millionen Jahren kam es dann zur sogenannten kambrischen Explosion. Darunter versteht man den Teil der Erdgeschichte, in dem innerhalb kurzer Zeit viele neue Lebensformen entstanden und damit auch die ersten Tierarten, die sich von den gemeinsamen Vorfahren der Pflanzen und Tiere trennten. Hätten sie sich nicht von Pflanzen ernähren können, wäre die Entwicklung zu den Primaten, dann zu den Hominiden und schließlich zum Homo sapiens nicht möglich geworden.
Beim Homo sapiens standen Pflanzen neben Tieren schon immer auf dem Speisezettel. Interessanterweise dient nur ein kleiner Teil der äußerst vielfältigen Pflanzenwelt als Nahrung. Ich habe einmal gelesen, dass nur etwa 30 Arten zu den regelmäßig von Menschen verspeisten Pflanzen gehören.
Schon viel früher lebende Vorfahren des Homo sapiens bildeten Kulturen und vertieften so ihre Abhängigkeit von den Pflanzen. Der Mensch stellte zuerst aus behauenen Steinen Werkzeuge und Waffen her. Doch schon bald lernte er auch aus Holz Spieße, Speere und viele Werkzeuge herzustellen.
Ein entscheidender Kulturfortschritt gelang den Menschen, als sie lernten, mit Feuer umzugehen, und fähig wurden, mit Brennholz das Feuer «aufzubewahren». Die ersten Kleider stellten sie aus Tierfellen her. Doch vor etwa 30’000 Jahren kam die Fähigkeit des Webens hinzu, des Herstellens von Gewebe aus den Fasern von Flachs. Als der Mensch nicht mehr nur in Höhlen lebte, sondern begann, Häuser zu errichten, spielten Pflanzen wieder eine entscheidende Rolle. Holz lieferte einen entscheidenden Teil des Baumaterials.
Inzwischen wurden aus den Jäger- und Sammlerstämmen sesshafte Bauern, die gelernt hatten, Pflanzen zu züchten und anzubauen. Weiter lernte der Mensch aus Holz Schmuckstücke und Musikinstrumente (Trommeln, Pfeifen, einfache Streich-instrumente) herzustellen. Man könnte sagen: Je höher die menschlichen Kulturen entwickelt waren, umso größer war die Rolle, die Pflanzen im Alltag spielten.
Und dann kam die Kunst der Parfumherstellung dazu. Der Mensch lernte, aus pflanzlichen Düften wohlriechende Öle und Salben zu machen. Eine weitere Verwendung von Pflanzen stellen die Gewürze dar, die in Europa seit der Jungsteinzeit Verwendung fanden. Pfeffer, Knoblauch, Koriander und Kümmel beispielsweise hatten einen hohen Handelswert.
Erst im 20. Jahrhundert verloren Pflanzen zugunsten von Metallen und speziell von Kunststoffen zum Teil wieder ihre Bedeutung als Werkstoffe.
2. Homo sapiens und pflanzliche Arzneimittel
Krankheiten sind etwas Natürliches und kommen bei allen Lebewesen vor. Der Grund einer Erkrankung ist entweder eine krankhafte Veränderung von Gewebe oder die Fehlfunktion eines Organs. Bei den krankhaften Veränderungen eines Gewebes kann es eine harmlose Entzündung sein, die nach einiger Zeit wieder verschwindet. Es kann sich aber auch um einen gut- oder bösartigen Tumor handeln. Letzteres war für die betroffene Personen in früheren Zeiten meistens ein Todesurteil. Eine ständig tropfende Nase ist eine lästige Fehlfunktion der betroffenen Nasenschleimhaut, sicher aber kein bedrohlicher Zustand. Wenn aber zum Beispiel der Pankreas, die Bauchspeicheldrüse, kein Insulin mehr produziert, dann führt das unbehandelt zum baldigen Tod des Patienten.
Krankheiten können durch eine Infektion ausgelöst werden, den Befall durch Krankheitserreger wie Viren, Bakterien oder andere ein- oder mehrzellige Lebewesen. Aktuell zeigt die Corona-Pandemie uns das auf dramatische Weise. Krankheiten können auch altersbedingt auftreten, durch den Verschleiß von Gelenken und Organen. Sie können die Folge eines ungesunden Lebensstils sein (Rauchen, zu wenig Bewegung, ungesunde Ernährung) oder sie können auch einfach keine eindeutig erkennbare Ursache haben.
Ganz bestimmt war Homo sapiens schon von Anfang an mit Krankheiten konfrontiert. Und obwohl die Zeugnisse von ersten Arzneimitteln nur einige Tausend Jahre zurückreichen, bin ich überzeugt, dass unsere Vorfahren schon viel früher gelernt haben, viele alltägliche Erkrankungen zu behandeln. Natürlich standen sie lebensbedrohlichen Infektionen, Tumoren und ähnlichen Erkrankungen mehr oder weniger hilflos gegenüber. Und schon eine aus heutiger Sicht harmlose Blinddarmentzündung, die mit einer Operation von maximal 30 Minuten aus der Welt geschafft wird, hat die Betroffenen früher nur allzu schnell dahingerafft. Homo sapiens ist ein hochintelligentes Wesen, kann genau beobachten, Misserfolg von Erfolg unterscheiden und daraus seine Schlüsse ziehen. Weiter kann er bei Teilerfolgen durch Überlegungen Strategien entwickeln, welche mit weiteren Erfolgen zum Ziel führen. Und ein weiteres, sehr wichtiges Element war und ist dabei der Zeitfaktor.
Die Hektik der heutigen Zeit und der Druck, bei medizinischen Behandlungen sofort Erfolg zu erringen, waren damals überhaupt noch nicht vorhanden. Erkenntnisse über die therapeutische Verwendung von Heilpflanzen wuchsen im Verlauf von Generationen, wenn nicht sogar im Verlauf von Hunderten oder Tausenden von Jahren. Durch Beobachtung von Tieren und anschließender Selbstanwendung oder durch die zufällige Entdeckung der Wirksamkeit gewisser Pflanzen merkte der Mensch, dass diese bei bestimmten Beschwerden zum Beispiel eine lindernde Wirkung ausübten. Vielleicht brauchte es wieder die Erfahrung mehrere Generationen, bis man merkte, dass das Kauen von Kamille zwar bei Verdauungsbeschwerden eine positive Wirkung hat, dieser Nutzen aber wegen der Unverdaulichkeit der Pflanzenfasern relativ gering war. Irgendeinmal kam dann die wahrscheinlich zufällig gewonnene Erkenntnis dazu, dass der Presssaft der Pflanze, allein angewandt, deutlich mehr Nutzen bringt. Und wie erfuhr der Mensch, dass das Kochen des Presssaftes im heißen Wasser noch mehr Vorteile bringt?