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Kreuz Teufels Luder. Evelyna KottmannЧитать онлайн книгу.

Kreuz Teufels Luder - Evelyna Kottmann


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viele Murmeln, und im Kindergarten gab es fast keine mehr. Das fand die Kindergärtnerin nicht gut, und sie wusste genau, wer die Murmeln mit nach Hause genommen hatte. Liebevoll, aber sehr bestimmt sagte sie zu mir, ich solle die farbigen Kugeln wieder in den Kindergarten bringen. Immer wieder forderte sie mich dazu auf, aber meine Kugeln blieben in ihrem Versteck. Ich achtete gut darauf, dass mich keiner im Garten erwischte. Und auch die Schwestern konnten keine Murmeln finden, auch wenn sie noch so eifrig und überall danach suchten.

      Dann sollte ich lernen, die Schuhe zu binden. Ich kämpfte mit den Bändeln und war die Letzte, die es schaffte, sie ordentlich zusammenzuknüpfen. Viel lieber liess ich sie frei an den Schuhen herumfliegen, oder ich stopfte sie zwischen Fussknöchel und Schuhe. Das ging viel einfacher und auch schneller. So musste ich nicht so lange auf dem Bänklein hocken und kam auch nicht zu spät in den Kindergarten oder ins Heim. Das Kindergartenlied nahm ich beim Anziehen nämlich sehr ernst:

      S Elfiglöggli lütet scho, jetzt esch Ziit zum heime go!

      Uf em Wäg ned ome stoo

      Und ned wie es Schnäggli goo

      Bim Bam Bum

      Zeit, um die Schuhe zu binden, nahm ich mir keine, liess mir dafür aber viel Zeit auf dem Hin- und Rückweg. Ich schaute einer Schnecke zu und lernte so ihre Welt und ihre Zeit kennen. Sie bewegte sich so langsam und genüsslich. Mich faszinierte, wie sie ihre Knopfaugen ausfuhr und wieder einzog, wenn ich sie berührte. Sie konnte ihre Augen überallhin richten, aber von dem vielen Gucken wurde sie müde und verkroch sich dann in ihrem Häuschen. Manchmal musste ich dann lange warten, bis sie wieder herausgekrochen kam. Und so kam ich immer zu spät dorthin, wo ich doch pünktlich hätte erscheinen sollen. Ab und zu tanzten auf meinem Weg auch gelbe Schmetterlinge herum, die mich dazu verführten, in ihrer Welt zu verweilen. Weil ich mit ihnen mittanzte, kam ich vom Weg ab und wusste am Ende nicht mehr, wo ich war. Das Tanzen und Flattern liess mich die Welt vergessen, in die ich eigentlich zurück musste.

      Wieder einmal kam ich zu spät in den Kindergarten, weil mich eine Ameise aufgehalten hatte, die etwas trug. Ich wollte herausfinden, wohin sie damit wanderte, verlor sie aber aus den Augen und konnte sie nicht mehr ausfindig machen. Als ich schliesslich im Kindergarten ankam, setzte ich mich auf das Bänklein im Umkleideraum und wartete, bis die anderen Kinder herauskommen würden. Ich hatte viel Zeit, um die fein gestrickten Wolljäckchen der anderen Mädchen zu betrachten. Einige waren sehr schön, darin hätte ich mich wohlgefühlt. Ich hatte nicht so schöne Kleider wie meine Gspänli. Ich war das einzige Kind aus dem Heim.

      Als es Zeit war, wieder nach Hause zu gehen, kamen die Kinder alle fröhlich heraus, und ich gab mir alle Mühe, so zu tun, als wäre ich wie alle anderen von Anfang an dabei gewesen. Die Kinder merkten nicht, dass ich draussen gewartet hatte, aber die Kindergärtnerin schon. Sie behielt mich zurück und fragte, wo ich denn gewesen sei. Aber sie bekam von mir keine Antwort. Zur Strafe musste ich auf der Bank sitzen bleiben und warten, bis sie mit ihren Vorbereitungen fertig war. Ich sass ganz allein im Vorraum und hatte viel Zeit, um mir nun die Finken genauer anzuschauen. Ich entdeckte ein Paar, das mir sehr gefiel. Da niemand mehr da war, probierte ich die schönen Finken an, und sie gefielen mir so gut, dass ich sie anbehielt. Meine Schuhe stellte ich an den Ort, wo ich mir die Finken genommen hatte. Ich glaubte, so nichts Unrechtes getan zu haben. Die Kindergärtnerin bemerkte nichts und begleitete mich ins Heim zurück. Auch die Schwestern schauten nicht auf meine Füsse. Niemandem fiel auf, dass ich neue Schuhe hatte. Ausser einem Mädchen, das merkte ich an ihrem Blick beim Mittagessen, und ich wusste, dass ihr die Finken auch gefielen.

      Nach dem Essen ging ich in den dunklen Keller hinunter, zog die schönen Finken aus und versteckte sie hinter einem dicken Rohr. Da stand ich nun in den Socken und überlegte mir, wie ich das den Schwestern erklären sollte. Ich beschloss, sofort in den Kindergarten aufzubrechen, um ganz früh da zu sein. So könnte ich die Finken wieder gegen meine Schuhe tauschen, ohne dass jemand bemerken würde, dass ich sie spazieren geführt hatte.

      Die Kindergärtnerin war sehr erfreut, dass ich es diesmal rechtzeitig geschafft hatte. Ich war die Erste, was noch nie vorgekommen war, und vor Freude übersah sie die Finken an meinen Füssen. Ich durfte mir zur Belohnung ein Buch aussuchen aus einem Regal, an das wir Kinder nur mit ihrer Bewilligung durften. Beschämt griff ich mir eines heraus und dachte schon, sie würde es mir erzählen wollen, bis die anderen eintrafen. Dabei hatte ich doch etwas zu erledigen. Zum Glück liess sie mich mit dem Buch wieder allein im Vorraum und ich konnte die Finken rasch zurückstellen, bevor die anderen Kinder kamen. Ei, war ich erleichtert!

      Ich war so froh, dass ich nach dem Kindergarten schnurstracks und singend ins Heim zurücklief. Kaum angekommen, musste ich ins Büro der Schwester Oberin. Sie tadelte mich, weil ich immer zu spät kam, aber das machte mir nichts aus, denn ich war glücklich. Doch dann schaute sie auf meine Füsse und meinte, ich hätte doch am Mittag andere Schuhe angehabt. Ich war mir aber völlig sicher, dass das an meinen Füssen meine Schuhe waren. Und auch wenn sie nicht so schön waren wie die anderen, kamen sie mir in diesem Moment zauberhaft vor. Da ich so darauf bestand, dass es meine Schuhe wa­ren, liess die Oberin die Schwester kommen, die für mich zuständig war. Sie schaute auf meine Füsse und sah nichts anderes als meine alten, abgetragenen Schuhe, die ich von ihr be­kommen hatte. Erstaunt war sie aber schon, offenbar hatte sie etwas anderes erwartet.

      Als die Schwester bestätigte, dass die Schuhe mir gehörten, wurde das Mädchen, das am Mittag die Finken an meinen Füssen bemerkt hatte, ins Büro geholt. Sie hatte etwas ganz anderes über meine Schuhe erzählt, als zu sehen war, und die Schwestern glaubten mir. Von jenem Tag an schaute mich das Mädchen immer böse an, wagte es aber nicht, mich zu reizen.

      7. Februar 1968,

       Organisation an das Gericht zur Scheidung

       von Vater Jakob und Mutter Lilith:

      Ihrem Gesuch vom 22. November 1967 entsprechend übermitteln wir Ihnen in den Beilagen die ergangenen Akten und einen ausführlichen Bericht unsere gesammelten Eindrücke über die Frage der Kinderzuteilung im Ehescheidungsprozess. Es darf nicht verantwortet werden, die elterliche Gewalt dem einen oder anderen Elternteil zu übergeben, da sowohl der Vater als auch die Mutter charakterlich zu labil und unstet veranlagt sind.

      Die familiären Verhältnisse waren durch all die Zeit, da die Vaganten herumzogen, keine erfreuliche Sache. Alkoholismus, Hurerei, Herumziehen von einem Ort zum anderen, Schlägereien, das Betteln der Kinder und Stehlen, das nicht konforme Erziehen der Kinder wie auch die Pflege. U. a. kannten sie keinen geregelten Tages-Rhythmus, da oft ganze oder halbe Nächte nicht geschlafen wurde, war es natürlich schwierig, am anderen Tag für die Kleinen richtig zu sorgen. In dem Kinderheim, wo die 4 Geschwister seit einem Jahr platziert sind, hat man an der kleinen Luisa zum Teil beträchtliche Milieuschäden festgestellt.

      Unter den geschilderten Umständen darf es u. E. auf keinen Fall verantwortet werden, die elter­liche Gewalt dem einen oder anderen Elternteil zu übertragen.

      Mit vorzüglicher Hochachtung

      Schreiben des Gerichts:

       22. Februar 1968

      Das Gericht hat einstimmig erkannt:

      Die Ehe ist geschieden. Beiden Parteien wird in Anwendung von Art. 150 Abs. 1 ZGB die Eingehung einer neuen Ehe für die Dauer eines Jahres untersagt.

      Die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder werden unter die Gewalt der Vormundschaftsbehörde gestellt.

      Vater Jakob hat die drei Kinder die nicht von ihm gezeugt wurden als seine anerkannt und bezahlt für sie auch seinen Anteil der Platzierung.

      Mutter Lilith weigert sich, und ihr wurde auferlegt von den Kindern Abstand zu halten.

      Mit freundlichen Grüssen

      Gerichtspräsident und Gerichtsschreiber

      Vormundschaftsbehörde der Gemeinde

       an Vormundschaftsbehörde der Stadt

       3. April 1968

      In der Beilage übermitteln wir Ihnen eine Fotokopie des Urteils des Bezirksgerichtes vom 22. Februar 1968. Dem Erkenntnis kann entnommen werden, dass die aus der Ehe


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