Gerichtsdolmetschen. Christiane DriesenЧитать онлайн книгу.
Technik des freien Vortrags ist in jeder Kommunikationssituation hilfreich, insbesondere als Vorbereitung zum Konsekutivdolmetschen. Sie bildet die Vorstufe zu jeder Dolmetschtechnik, denn es geht hierbei um das logische Strukturieren einer beliebigen Mitteilung.
2.3.6 Richtige Vorlesetechnik
Vorlesen wird hier als Vorstufe zum Vom-Blatt-Übersetzen angeführt und erfolgt wie das Vom-Blatt-Übersetzen ebenfalls in drei Etappen:
Sinn der Mitteilung mit den Augen erfassen,
Sinn der Mitteilung beim Hochschauen verarbeiten,
Sinn der Mitteilung beim Anschauen der Adressaten laut wiedergeben.
2.4 Übungen zum Erwerb der Kommunikationskompetenz
2.4.1 Arbeit mit Bildern
Die Bilder von Personen, Gebrauchsgegenständen, Räumen, Szenen bzw. Situationen werden sowohl zum Selbststudium als auch für die Gruppenübung vorgeschlagen. Nachstehend können nur wenige Bilder als Beispiel angeboten werden. Das Internet bietet jedoch zahlreiche Quellen, wie z.B. Google Bilder oder Flickr. Im Sprachunterricht werden solche Übungen schon vielerorts mit Erfolg eingesetzt.
Durch diese einfach erscheinenden Übungen üben die Teilnehmer unverzichtbare Kommunikationskompetenzen eines Dolmetschers auf systematische Weise. Unabhängig vom Setting empfiehlt es sich, ein Logbuch über Aufgaben und Aufgabenbewertung zu führen.
Folgende Aufgabenstellungen sind möglich: Beschreibung von Personen, Gebrauchsgegenständen, Räumen, Situationen. Bei den ersten Übungen darf das Bild während der Beschreibung noch angeschaut werden, sehr bald sollte das Bild verdeckt werden. Die Übungen erfolgen abwechselnd im Stehen oder im Sitzen, damit Sicherheit in beiden Haltungen erlangt werden kann.
2.4.2 Übung 1: Personenbeschreibung
Setting: allein und/oder Gruppenübung; mit oder ohne Dozent
Material: Aufnahmegerät, Bilder von Personen
Übungszweck: korrektes und sicheres Auftreten, visualisierendes Gedächtnistraining, Redegewandtheit, freies Sprechen
Anwendungsgebiet: Zeugenaussagen, Gutachter
Bewertungskriterien: Beachtung der Grundregeln der Kommunikation (Haltung, Atmung, Blickkontakt, Sprechrhythmus), Beachtung der Dolmetschetikette, Gedächtnisleistung durch Strukturierung der Information: Vollständigkeit, Redegewandtheit: begriffliche Präzision
Allein-Übung
Ausführung und Empfehlungen
Schauen Sie das Bild eine Minute lang an. Wenden Sie dabei ein systematisches Betrachtungsraster an:
Einleitung: Was stellt das Bild/das Foto dar?
Bildhintergrund?
Bildvordergrund?
Besondere Merkmale der dargestellten Person?
Haare?
Einzelne Gesichtsteile (Ausdruck, Form und Farbe)?
Körperbau, Körperteile?
Körperhaltung?
Kleidung (Form, Material)?
Zusammenfassung: Gesamteindruck?
Nach Einschalten des Aufnahmegeräts beschreiben Sie bitte das Bild mit lauter Stimme. Stellen Sie sich dabei am besten einen blinden Zuhörer vor.
Variante 1: Das Bild darf angeschaut werden und wird in der Muttersprache beschrieben.
Variante 2: Das Bild darf angeschaut werden und wird in der Arbeitssprache beschrieben.
Variante 3: Das Bild wird verdeckt und in der Muttersprache beschrieben.
Variante 4: Das Bild wird verdeckt und in der Arbeitssprache beschrieben.
Selbstbewertung
Hören Sie die aufgenommene Übung an. Indem Sie das Bild zur Kontrolle anschauen, beantworten Sie folgende Fragen zur eigenen Bewertung. Bitte notieren Sie die Fragen und Antworten in Ihr Logbuch.
Bei Übungsvarianten 1 bis 4:
Fragen zur Rhetorik:
Wie war die Atmung? (ruhig? gehetzt?)
Wie war der Sprechrhythmus? (fließend? abgehackt?)
Fragen zur Wortgewandtheit:
Wie war der Wortschatz? (Fanden Sie den passenden Begriff für jedes Detail?)
Darüber hinaus bei den Übungsvarianten 3 und 4 Fragen zum visualisierenden Gedächtnis:
War die Beschreibung vollständig?
War die gewählte Reihenfolge schlüssig?
Gruppenübung – Doppelaufgabe
Ausführung und Empfehlungen
Bildbeschreibung bis max. 3 Minuten.
Variante 1: Das Bild darf angeschaut werden und wird in der Muttersprache beschrieben.
Variante 2: Das Bild darf angeschaut werden und wird in der Arbeitssprache beschrieben.
Variante 3: Das Bild wird verdeckt und in der Muttersprache beschrieben.
Variante 4: Das Bild wird verdeckt und in der Arbeitssprache beschrieben.
Verdolmetschung: Ein anderer Gruppenteilnehmer dolmetscht den so entstandenen Vortrag ohne Notizen und ohne Ansehen des Bildes.
Übungszweck: Wie oben und freies Sprechen vor einem Publikum, visualisierendes Gedächtnis, Konsekutivdolmetschen ohne Notizen.
Die Gruppe schaut das Bild eine Minute lang an. Die Varianten 3 und 4 sollten möglichst bald gefordert werden. Um das visuelle und logische Gedächtnis zu trainieren, sollten die Teilnehmer dabei versuchen, sich das Bild mit Hilfe eines systematischen Rasters genauer einzuprägen. Während des Vortrags und der Verdolmetschung konzentrieren sich die Gruppenteilnehmer auf die jeweiligen Darbietungen (Rhetorik, Vollständigkeit), um sich auf eine fundierte Leistungsbewertung vorzubereiten.
Nachdem das Aufnahmegerät eingeschaltet worden ist, präsentiert ein erster Teilnehmer das Bild in der Form eines Kurzvortrags. Dabei sollte er die Rolle eines Zeugen oder eines Sachverständigen einnehmen, dabei grüßen, sich vorstellen und die allgemeine Inhaltsangabe des Bildes als Einführung anbieten. Auf eine logische Strukturierung der Beschreibung sollte besonderer Wert gelegt werden. Der Vortragende soll sich immer wieder an die rhetorischen Grundregeln erinnern.
Gleich nach diesem Vortrag erfolgt dessen Verdolmetschung durch einen anderen Teilnehmer, der dieselben Regeln beachtet.
Bewertung der beiden Leistungen in drei Etappen:
Die Bewertung erfolgt in drei Etappen unter der Leitung des Dozenten. Zuerst sollten der Vortragende und der Dolmetscher ihre Eindrücke über die eigene Leistung formulieren: War die Erfahrung positiv? Gab es besondere Schwierigkeiten?
Dann erfolgt die Gruppenbewertung, die selbst eine Übung darstellt. Vortrag und Dolmetschleistung werden sukzessive bewertet. Dabei ist für beide Aufgaben die Anwendung von präzisen, leicht nachvollziehbaren Kriterien durch Beantwortung des folgenden