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Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht. Sylvie Méron-MinuthЧитать онлайн книгу.

Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht - Sylvie Méron-Minuth


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Mehrsprachigkeit sichtbar wird, indem die Schule das Türkische neben den anderen gesprochenen (Schul-)Sprachen zulässt. Somit erlebt die lebensweltliche Mehrsprachigkeit türkischstämmiger Schülerinnen und Schüler Wertschätzung und Anerkennung. Das vorhandene, sprachliche Repertoire und die Plurikulturalität dieser Schülerschaft werden gefördert. Nebst der Präsenz zahlreicher französischer Lexeme im Türkischen können – so exemplarisch Reissner (2015) und Thiele (2015) – landeskundlich-kulturelle Themen in verschiedenen Unterrichtsaktivitäten genutzt und in den Fremdsprachenunterricht eingebunden werden (vgl. Reissner 2015: 216f.; Thiele 2015: 137ff.).

      Bereits Ingrid Gogolin (2008) hat – allerdings mit dem Blick auf die Primarstufe – darauf hingewiesen, dass die Alphabetisierung der deutsch-türkischen Kinder insofern an eine Grenze stößt, als sie weiterhin in Fächergrenzen gedacht wird und damit die genannten möglichen Transferaspekte reduziert bleiben.

      „Das Experiment der deutsch-türkisch-bilingualen Alphabetisierung beispielsweise sprengt den Rahmen des hierzulande Üblichen zwar insofern, als es eine Sprache einbezieht, der gewöhnlich der Status des schulisch Behandelns- und Lehrenswerten nicht zugebilligt wird. Aber sie bleibt zugleich in diesem Rahmen, weil sie in den üblichen Fächergrenzen gedacht ist […].“ (Gogolin 2008: 264)

      2.6.6.2 Russisch

      Russisch ist eine indoeuropäische Sprache und gehört der slawischen Sprachfamilie an. Der Wortschatz des Russischen enthält vor allem allgemein- und ostslawische Lexeme, verwendet das kyrillische Alphabet und ist eine der sechs offiziellen Sprachen der Vereinten Nationen (vgl. Mehlhorn 2016: 534). Es beinhaltet eine große Anzahl von Lehnwörtern aus verschiedenen Sprachen, z.B. im 18. Jahrhundert aus dem Holländischen, im 18. und 19. Jahrhundert aus dem Deutschen und Französischen und seit dem 20. Jahrhundert auch aus dem Englischen (vgl. Mehlhorn 2016).

      „In Deutschland ist Russisch mit derzeit mindestens 4,5 Mio. russischsprachigen – russlanddeutschen Spätaussiedlern, jüdischen Zuwanderern und Ausländern aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion – die meist gesprochen Migrantensprache.“ (Mehlhorn 2016: 535)

      Ähnlich den türkischen Schülerinnen und Schülern, die als Erstsprache Türkisch sprechen, verfügen die russischstämmigen Lernenden mit ihrer Muttersprache beim Erlernen einer neuen Sprache bereits über ein größeres Repertoire an phonetisch-phonologischen Parametern, an Lernstrategien und metalinguistischem Wissen. Hierdurch können sie – im Gegensatz zu ihren monolingualen Mitschülerinnen und -schülern – einen bewussten und erleichternden, positiven Transfer in der weiteren Fremdsprache L3, L4, Lx ausführen.

      Abschließend zu diesen Überlegungen halte ich Hufeisens Stellungnahme (2004) zur Gestaltung des (Fremd-)Sprachenunterrichts an dieser Stelle für wichtig:

      „[Im Mittelpunkt jeglicher Unterrichtsaktivitäten steht] die Bewusstmachung, die Bewusstmachung über die verschiedenen Sprachen (Sprachbewusstsein), über den Vergleich, den Kontrast, die Beschreibung der Sprachen und die eigene Distanz zu den Sprachen (metalinguistisches Bewusstsein) und die Bewusstmachung des eigenen Lerntyps und der eigenen verwendeten und bevorzugten Lernstrategien in Bezug auf Fremdsprachen (Lernbewusstsein).“ (Hufeisen 2004: 21)

      Les professeurs qui m’ont sauvé – et qui ont fait de moi un professeur – n’étaient pas formés pour ça […]. Ils étaient des adultes confrontés à des adolescents en péril. Ils se sont dit qu’il y avait urgence. Ils ont plongé. […] Ils ont fini par me sortir de là. Et beaucoup d’autres avec moi. Ils nous ont littéralement repêchés. Nous leur devons la vie. (Daniel Pennac 2007: Chagrin d’école, pp. 41–42)

      3. Zur Erforschung der Binnensicht von Fremdsprachenlehrkräften

      3.1 Terminologische Vielfalt: Subjektive Theorien – Einstellungen

      Die vorliegende Arbeit hat es sich zum Ziel gesetzt, einen Einblick in die Binnensicht einer Probandengruppe von Lehrpersonen zu ermöglichen und ihre Einstellungen zur Mehrsprachigkeit aufzuzeigen. Wenn es Ziel des Fremdsprachenunterrichts und damit die professionelle Aufgabe der Lehrpersonen ist, Einstellungen von Lernenden als persönlichkeitsbezogene Teilkompetenzen auszubilden (vgl. Venus 2015), etwa in Michael Byrams Sinne des „savoir-être“ (Byram 1997: 34f.), dann sind auch die Einstellungen und das Expertenwissen eben dieser Lehrpersonen damit untrennbar verbunden und von besonderem Interesse für die heutige, empirische fremdsprachendidaktische Forschung (vgl. Caspari 2014).

      Diese wichtigen Beziehungen zwischen Lehrereinstellungen im Allgemeinen und Lernleistungen und Verhalten von Lernenden stellt John Hattie in der deutschen Übersetzung von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer (2014) auf der Basis tausender empirischer Studien unter anderem dar:

      „[…] wenn wir uns die […] Lehrpersonen anschauen: ihre Erwartungen und ihre Unterrichtskonzepte. Kinder werden in eine Welt der Erwartungen hineingeboren. Ähnlich treten sie in die Klasse mit eigenen Erwartungen ein, die denen der Lehrperson gegenüberstehen. Auch Lehrpersonen kommen in die Klasse mit Auffassungen bezüglich des Lehrens, des Lernens, der Benotung und der Lernenden. Wir müssen diese Vorstellungen besser verstehen, denn sie sind offenbar starke Moderatorvariablen für den Erfolg dieser Lehrpersonen. Wenn man geringe Erwartungen an den Erfolg der Lernenden hat, wird dies zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.“ (Beywl & Zierer 2014: 43)

      Zum beruflichen Selbstverständnis von Fremdsprachenlehrpersonen liegen umfassende Arbeiten vor, die Daniela Caspari in ihrer Dissertation von 2003 und dann 2014 in einem Überblicksartikel zusammenfasst (Caspari 2014: 20–35). Allerdings konzentriere ich mich in meiner Untersuchung nur auf einen Teilaspekt dieses Selbstverständnisses, die schon benannten Einstellungen zur Mehrsprachigkeit. Zur Grundlegung dieser explorativen Studie und um eine Binnensicht auf die oben genannten Einstellungen zu erreichen, eignet sich das theoretische Konstrukt, das in der Sozialpsychologie und der Erziehungswissenschaft seit Jahrzehnten beforscht wird: „Subjektive Theorie“.

      Caspari (2014) systematisiert in ihrem Überblicksartikel die unterschiedlichen Forschungsansätze und -arbeiten zu „subjektiven Sichtweisen“ oder „Innensicht“ nach inhaltlichen, forschungsmethodologischen zielgruppenspezifischen Kriterien.

      Hier stichwortartig verkürzt unterscheidet sie fünf Kategorien:

      1 Innensicht und Lehrerhandeln;

      2 Innensicht plus Einzelaspekte / Themen;

      3 nach dem Forschungskonzept;

      4 nach Zielgruppen;

      5 nach dem Forschungsparadigma. (vgl. Caspari 2014: 22)

      Dabei weist sie darauf hin, dass sich die vorherrschende Forschungsrichtung seit den 1980er Jahren insgesamt stärker den Wahrnehmungen der Akteure des Fremdsprachenlernens zuwandte, und dass sich seit der Jahrtausendwende praktisch keine Arbeiten zum Lehrerhandeln mehr finden lassen, die sich nicht mit der Binnensicht der Lehrkräfte beschäftigen. Zudem sei die Mehrzahl dieser Forschungsarbeiten dem qualitativen Paradigma zuzuordnen (vgl. Caspari 2016a: 43–45).

      In der vorliegenden Studie werden Einstellungen von Lehrpersonen zum Thema Mehrsprachigkeit in gleicher Weise empirisch-qualitativ untersucht, damit reiht sich die Arbeit in genannte Forschungsrichtung ein, die sich seit der Jahrtausendwende mit einzelnen Aspekten der subjektiven Sichtweisen beschäftigt. Neben dem bilingualen Sachfachunterricht, der Grammatik und den kommunikativen Kompetenzen, beschäftigten sich Arbeiten darüber hinaus auch mit der Evaluation von Lernerleistungen und schließlich der Mehrsprachigkeit, Multikulturalität und dem interkulturellen Lernen (vgl. Caspari 2014: 25ff.).

      Die Arbeiten von Christiane Kallenbach (1996) und Daniela Caspari (2003) waren bahnbrechend für den Blick auf die Einstellungen von Fremdsprachenlehrpersonen, da sie inhaltlich und forschungsmethodologisch den Weg für qualitative Untersuchungen dieses komplexen Feldes geebnet haben. Diesen Untersuchungen kommt für die vorliegende Arbeit eine zentrale Bedeutung zu.

      Mit dem qualitativen Forschungsansatz soll erforscht werden, was Fremdsprachenlehrkräfte im Zusammenhang mit ihrer Unterrichtspraxis über die Biografien und die eventuelle lebensweltliche


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