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Kontextsensibler Fremdsprachenunterricht - David Gerlach


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Stelle auf die verschiedenen Faktoren dezidiert eingehen zu können, die diesen Fremdsprachenunterricht und damit unseren Kontext beeinflussen können. Dabei berücksichtigen wir neben den institutionellen Eigenheiten, auf die Lehrkräfte und Lernende Rücksicht nehmen müssen, auch fachdidaktisch-methodische Tendenzen der letzten Jahrzehnte, deren Ideen und Ansätze sich zunehmend in Lehrer/innenbildung, administrativen Vorgaben und Lehrmaterialien wiederfinden. Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass an schulischen Fremdsprachenunterricht immer die Erwartung gestellt wird, qualitativ möglichst hochwertig zu sein. Deshalb ist auch zu fragen, was diese Qualität im normativen Sinne ausmacht bzw. wie sie sichergestellt wird. Zur Qualität gehört für uns nicht nur eine kompetenz- und outputorientierte Sicht auf Fremdsprachenunterricht, sondern auch, dass bestimmte Prozesse von Bildung auf einer individuellen Ebene der Lernenden stattfinden, mittel- und längerfristige Prozesse also, welche möglicherweise im Fremdsprachenunterricht gar nicht unmittelbar messbar werden.

      1.1 Institutionelle Merkmale fremdsprachlichen Lehrens und Lernens

      Moderner Fremdsprachenunterricht in der Institution Schule wird von zahlreichen Faktoren und Vorgaben beeinflusst, die gleichzeitig eine gewisse Steuerung bewirken, die aber auch den Gesamtkontext „Schulischer Fremdsprachenunterricht“ zumindest auf formaler Ebene ausmachen: Zum einen geht es um Prozesse an sich, insbesondere Lernprozesse, die im Fremdsprachenunterricht angestoßen und deren Erfolg überprüft werden soll. Dies kann durch Bildungsstandards, aber auch durch verbindliche administrative Vorgaben wie Bildungs- und Lehrpläne geschehen. Auf der anderen Seite gibt es Strukturen, strukturelle Merkmale, die Fremdsprachenunterricht in der Institution Schule konstituieren wie z.B. die verwendeten Lehrwerke oder auch die zur Verfügung stehenden Medien.

      Bildungsstandards

      Was die inhaltlich-curriculare Steuerung angeht, spielen sicherlich die BildungsstandardsBildungsstandards eine gewichtige Rolle, die seit Erscheinen der ersten PISA-Studie (und weiteren großen Untersuchungen wie TIMMS und DESI) zum Zwecke der Qualitätsförderung und -sicherung eingeführt wurden. Für den Fremdsprachenunterricht werden hier insbesondere die funktionalen kommunikativen Kompetenzen (kommunikative Kompetenzenkommunikative Kompetenz wie Hör-/Sehverstehen, Sprechen, Schreiben, Leseverstehen und Sprachmittlung sowie das Verfügen über sprachliche Mittel wie Wortschatz, Grammatik und Aussprache), die interkulturelle kommunikative Kompetenzinterkulturelle kommunikative Kompetenz sowie Text- und Methodenkompetenz als für den Mittleren Bildungsabschluss bedeutend herausgestellt (vgl. KMK 2003). Für den höchsten schulischen Abschluss in Deutschland, die Allgemeine Hochschulreife am Ende der gymnasialen Oberstufe, wurden für die fortgeführten Fremdsprachen Englisch und Französisch insbesondere die Aspekte der SprachbewusstheitSprachbewusstheit und SprachlernkompetenzSprachlernkompetenz ergänzt (vgl. Abb. 1), die sich mit den drei bereits genannten Kompetenzbereichen verbinden und die damit auch eine besondere inhaltliche Relevanz haben.

      Abb. 1: Kompetenzbereiche der Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache in der Sekundarstufe II (KMK 2012: 12).

      Auf der Ebene der funktionalen kommunikativen Kompetenzen ist der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GeR, vgl. Europarat 2001) bis heute ein wichtiges Dokument, kennen doch mittlerweile auch die meisten Schülerinnen und Schüler sowie viele Eltern die Einteilung in Kompetenzstufen von A1 (beginnende Fremdsprachenlernende) bis C2 (muttersprachliches Niveau), welche in „Kann-Beschreibungen“ abgebildet werden. Das Diagnoseinstrument für sprachliche Kompetenz ist nicht nur die Grundlage für zahlreiche Sprachzertifikate. Es kann auch Aufschluss darüber geben, was Lernende zu einem bestimmten Zeitraum können (sollten), um dann entsprechende Fördermaßnahmen im Fremdsprachenunterricht in Richtung des nächsthöheren Niveaus einleiten zu können.

      Lehrpläne

      Auf Länderebene werden die CurriculaCurriculum und LehrpläneLehrplan nicht nur von den gerade angeführten Bildungsstandards geprägt, sondern auch die Vorgaben des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens spielen eine nicht unerhebliche Rolle. Die Schwerpunktsetzungen zum Erreichen der BildungsstandardsBildungsstandards sind unterschiedlich und auch abhängig von den verschiedenen Schulformen und Schulkulturen in den Ländern. Einige Lehrpläne formulieren eher Kompetenzen, andere weisen zusätzlich beispielhaft Inhalte aus mit der Erwartung, dass die Schulen und Kolleginnen und Kollegen des jeweiligen Fachs dann eigene Schulcurricula mit bestimmten Schwerpunktsetzungen erarbeiten. Überprüft wird das Erreichen der Standards über in der Regel landesweit einheitliche Abschlussprüfungen (Mittlere Reife oder Zentral-/Landesabitur). Vorab schon werden sogenannte Vergleichsarbeiten auf bundesweiter Ebene durchgeführt (Vergleichsarbeiten = VERA in den Jahrgangsstufen 3 und 8), die Aufschluss darüber geben sollen, ob sich die Lernenden auf einem guten Weg befinden.

      Moment der Reflexion

      Wie ist die Lage in dem Bundesland, in dem Sie aktuell tätig sind? Inwiefern sind die bundesweiten Bildungsstandards für die modernen Fremdsprachen (KMK 2003 und 2012) in den Curricula und Lehrplänen Ihres Bundeslandes verortet? Legt Ihr Kultusministerium auf bestimmte Aspekte, Inhalte oder Kompetenzen besonderen Wert? Sind diese möglicherweise traditionell, kulturell oder auch durch die geographische Lage Ihres Bundeslandes beeinflusst?

      Gut zu wissen: Kritik an Bildungsstandards und Lehrplänen

      Die Entwicklung der Bildungsstandards, ihr Einfluss auf die Lehrpläne und den Unterricht ist nicht ohne Kritik geblieben. Dazu gehört zum einen der starke Fokus auf den Output bzw. insbesondere auch die Förderung der funktional-kommunikativen Kompetenzen und die damit einhergehende Standardisierung. Und auch die Tatsache, dass durch die KompetenzorientierungKompetenzorientierung weniger Inhalte verpflichtend gefordert, sondern höchstens noch in exemplarischer Form durch Beispielaufgaben zur Umsetzung der Standards herausgestellt werden, wurde wiederholt kritisiert. Inhalte werden mutmaßlich beliebig(er), um den formulierten Output an sprachlicher Kompetenz zu generieren. Damit einher geht auf Seiten der Kritiker auch die Vermutung, dass durch die geringere Inhaltsverpflichtung und die starke Kompetenzorientierung individuelle Bildungsprozesse ins Hintertreffen geraten. Dem entgegen steht aber z.B. die fremdsprachendidaktisch starke Betonung interkultureller kommunikativer Kompetenz (siehe auch unten), die diese Bildungsprozesse in besonderem Maße berücksichtigen.

      Weitere Merkmale institutionellen Fremdsprachenunterrichts

      Neben diesen aus institutioneller Sicht unmittelbar auf das Fach bezogenen Merkmalen gibt es natürlich ebenfalls allgemein-pädagogische oder soziale Herausforderungen, denen sich der Fremdsprachenunterricht heute stellen muss. Neben Fragen der Differenzierung oder Forderungen nach inklusiver Beschulung auch im Fremdsprachenunterricht sind ein sich ständig ändernder oder intensivierter Medienkonsum, ein sich wandelndes Familienbild oder auch die Rolle von kulturell-sozialer und identitärer Mehrsprachigkeit Aspekte, auf die jeder Unterricht eingehen muss. Und all dies in Zeiten von Globalisierung und Technisierung, deren rasante Fortschritte ständige Weiterentwicklung und lebenslanges Lernen nach sich ziehen.

      Damit stehen auch die Unterrichtsmedien, Lehrwerke und Materialien unter einem gewissen Zugzwang: Durch die Möglichkeit, sich zahlreiche (auch fremdsprachliche) Inhalte per Youtube-Video oder Wikipedia zu „ergooglen“, müssen Lehrwerke Wege finden, in gewissem Maße zeitlos zu bleiben oder sich ständig zu erneuern, sich den Anforderungen insbesondere der jungen Lernenden anzupassen. Inwiefern Neue Medien, interaktive Whiteboards oder Smartphones dabei das Fremdsprachenlernen (überhaupt) befördern, ist weiterhin Gegenstand von Forschung. Tatsache ist allerdings, dass der Umgang mit „Neuen Medien“ sowohl seitens der Lehrkräfte wie auch der Lernenden das Alltagsleben und damit auch ein Stück weit den Unterricht beeinflusst.

      Moment der Reflexion

      Auch wenn wir uns hier primär mit schulischem, d.h. institutionell organisiertem Fremdsprachenunterricht beschäftigen, gibt es doch auch außerhalb von Schule zahlreiche Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche, Sprachen zu lernen. Welche Möglichkeiten sehen Sie bei sich vor Ort in Ihrer Stadt oder Gemeinde?


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