Sprachendidaktik. Johannes WildЧитать онлайн книгу.
(re. Kl.)
Tab. 3.3:
Feldgliederung des deutschen Satzes
Diese in der Tabelle dargestellten Felder – also mögliche Positionen für verschiedene Satzglieder – können nicht beliebig gefüllt werden. So können das Subjekt und Objekte nicht in das Nachfeld verschoben werden, Angaben (adverbiale Bestimmungen) dagegen schon:
Nariman hatte nach ihrem Dienstwochenende ein Kino besucht in Hannover.
*Gerade hat Jesper getroffen Xaver.
Zudem darf – von wenigen Ausnahmen abgesehen – vor dem finiten Teil des Verbs immer nur ein Satzglied stehen.
Jesper hat Xaver in der Schule getroffen.
*In der Schule Jesper hat Xaver getroffen.
Ausnahmen davon, d.h. Mehrfachbesetzungen des Vorfelds, tauchen jedoch durchaus in der gesprochenen Sprache auf und sind nicht immer als ungrammatisch zu bewerten. In einzelnen Varietäten des Deutschen treten sie sogar gehäuft auf und sind innerhalb des Systems der entsprechenden Varietät als zweifelsfrei grammatisch zu bewerten. Folgendes Beispiel stammt aus dem Kiezdeutsch (nach Wiese 2012, 81):
Danach ich ruf dich an.
Angaben (adverbiale Bestimmungen), die als Satz realisiert sind, rücken in der Regel ins Vor- oder Nachfeld. Das Mittelfeld wird somit entlastet:
▶ | Er | hatte | nichts | gesagt, | weil … |
VoF | li. Kl. | MiF | re. Kl. | NaF |
Das Feldermodell setzt sich neben der Anordnung der einzelnen Satzglieder im Rahmen der vom Satz gebildeten Felder auch mit der Anordnung einzelner Elemente innerhalb eines Feldes auseinander. Dies ist vor allem bei komplexen Prädikaten in Bezug auf die Reihung der Elemente in der rechten Satzklammer betrachtenswert. Hierzu ein paar Beispiele:
Ibrahim wird um diese Zeit schon in die Schule gegangen sein.
Stefan hätte den Kinofilm nicht gesehen haben müssen.
Die diesbezüglichen Regeln der Stellung der einzelnen Elemente in der rechten Satzklammer sind komplex und sollen hier nicht im Einzelnen vorgestellt werden. Wichtig ist uns hier nur herauszustellen, dass auch diese Anordnung nicht willkürlich abläuft. Eine Übersicht zu den Stellungsregeln findet sich in der DUDEN-GRAMMATIK (2016, 871ff).
3.2.3.1 Was spricht für das Feldermodell als Beschreibungsmodell?
Das FM fokussiert die Komplexität des deutschen Satzbaus und ist hilfreich für die Beschreibung der syntaktischen Anordnung aller Elemente im Satz. Sie ist daher sowohl für L1- als auch L2-Lernende von hoher Relevanz. Zudem passt das Modell gut zur Arbeit mit Satzgliedern bzw. den entsprechenden Proben, vor allem der Verschiebeprobe und dem Spitzenstellungstest. Das Modell kann auch die diskontinuierliche Anordnung von Prädikaten gut aufzeigen – ein weiterer wichtiger syntaktischer Aspekt beim Erlernen der Sprache als Zweitsprache. Darüber hinaus eignet es sich für den Vergleich zwischen einzelnen Sprachen und kann daher mit dem auch von den Bildungsstandards geforderten Einbezug von Mehrsprachigkeit und Herkunftssprachen in Verbindung gebracht werden. Der Vergleich der Möglichkeiten und Beschränkungen des Satzbaus verschiedener Sprachen dient zudem der Förderung von Sprachbewusstheit und ermöglicht L1-Sprechern die Einsicht, dass andere Sprachen andere Satzbauregeln aufweisen. Gornik (2010, 241) stellt hierzu treffend heraus, dass die Begegnung mit zwei Sprachsystemen das Wissen zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden entwickelt.
Der in den Bildungsstandards als Sprache und Sprachgebrauch untersuchen genannte Arbeitsbereich kann so den häufig zurecht kritisierten Grammatikunterricht, der sich auf das Ermitteln von Wortarten und Satzbausteinen beschränkt, überwinden, und zu einer metasprachlichen Fähigkeit gelangen, also die Kompetenz ausbilden, nicht nur über Sprachkönnen sondern auch über Sprachbewusstsein zu verfügen.
3.2.3.2 Was spricht gegen das Feldermodell als Beschreibungsmodell?
Aus methodologischer Perspektive kann festgehalten werden, dass das Feldermodell zwar gut die Stellungsbesonderheiten des Deutschen beschreibt, dass es jedoch nicht über eine bloße Beschreibung hinauskommt. Es kann nicht hierarchische Zusammenhänge bzw. Abhängigkeiten, wie sie z.B. die VDG im Rahmen des Konzepts der Wertigkeit des Verbs herausstellt, erklären. Im strengen Sinne betrachtet, stellt es somit keine Theorie dar. So kann es nicht voraussagen, wie die einzelnen Felder im Satz besetzt werden müssen oder welche Satzglieder nicht realisiert werden müssen oder können (so wie es z.B. die VDG im Rahmen ihrer Valenztheorie leistet). Dem Feldermodell gelingt daher nur in Verbindung mit anderen Modellen eine umfassendere Grammatikbeschreibung. Zudem ist das Modell explizit für das Deutsche entwickelt worden und verfolgt daher keinen sprachübergreifenden Ansatz, wie z.B. die Valenz- und Dependenzgrammatik und die im Folgenden vorgestellte Konstruktionsgrammatik. Für die oben als Vorteil genannte Möglichkeit des Sprachenvergleichs ist sie daher nur eingeschränkt geeignet.
3.2.4 Konstruktionsgrammatik (KG)
Im Anschluss an zwei Modelle, die mit Kategorien wie dem Konzept der Satzglieder arbeiten und daher bis zu einem gewissen Grad anschlussfähig bleiben an eine traditionelle Grammatik, soll abschließend zu den Darstellungen verschiedener Grammatikbeschreibungen noch ein Modell (bzw. eine ganze Gruppe von verwandten Theorien) angesprochen werden, das – je nach Strömung bzw. Auslegung – deutlich mit unseren bisherigen Vorstellungen von externer und indirekt auch interner Grammatik bricht.
Im Folgenden erfolgt eine Generalisierung, indem nicht auf unterschiedliche Theoriebildungen innerhalb der Konstruktionsgrammatik eingegangen wird. Da dieses Konzept noch relativ neu ist, bisher wenig Anwendung für das Deutsche gefunden hat und von verschiedenen Strömungen durchzogen ist, wollen wir es nur kurz exemplarisch vorstellen. Wir halten es jedoch für durchaus wahrscheinlich, dass das Konzept im Laufe der nächsten Jahre zunehmend in die Didaktik und Methodik des Sprachenlehrens und -lernens Eingang findet, denn gerade mit Blick auf die Zweit- und Fremdsprachendidaktik weist die Konstruktionsgrammatik einige sinnvolle Annahmen auf, so