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Sprachendidaktik. Johannes WildЧитать онлайн книгу.

Sprachendidaktik - Johannes Wild


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heißt es nicht *nach rannte er ihm? (Grammatik). Wie strukturiere ich meinen Text (Textlinguistik)? Stellen Sie sich diese Problembereiche der Sprache wie eine Torte mit mehreren Tortenstücken vor. Wir können die Teilbereiche des Deutschunterrichts als solche Tortenstücke begreifen. Sie bilden gemeinsam die Sprachkompetenz als Ganzes.

      Die Teilbereiche des Deutschunterrichts sind Sprache untersuchen (Grammatik), Lesen, literarisches Lernen (inkl. Kinder- und Jugendliteratur), Medien, Rechtschreiben, Texte verfassen, Sprechen, Gespräche führen und Zuhören. In diesem Buch werden Lesen, Literatur und Medien nicht behandelt. Sie sind traditionell Gegenstand der Literatur- und Mediendidaktik, nicht der Sprachdidaktik.

      In jeder dieser Dimensionen können sprachliche Probleme, die wir z.B. durch die Analyse eines schulischen Schreibauftrags erkannt haben, auf unterschiedlichen Ebenen auftreten. Es handelt sich bei ihnen zunächst immer um kognitive Aspekte: Sie können beim Individuum bereits verfügbar (gelernt) oder zumindest potentiell (künftig) erlernbar sein. Es handelt sich also um Wissen, das erworben wurde/wird. Dieses Wissen soll den Kern unseres Modells bilden. Übrigens: Ist Ihnen aufgefallen, dass hier der Performanzaspekt, also die Anwendung des Wissens, noch fehlt? Das Gedächtnis ist damit zentral für den ersten Teil dieser Kompetenzdefinition.

      Die Definition Weinerts weist darüber hinaus eine Zweiteilung auf („sowie“): Kompetenz wird zwar einerseits als kognitive Problemlösefähigkeit verstanden, andererseits, betont Weinert, ist sie von weiteren Bedingungen abhängig, die im Subjekt oder in der Umwelt verankert sein können. Sie bilden die zwei weiteren Ebenen des Konstrukts und beeinflussen die Performanz, also die Sprachverwendung in konkreten, variablen Situationen.

      Modelle für alle Lernbereiche, die nach Weinerts Konzept erstellt wurden und jeweils die einschlägigen Grundlagen vereinen, finden sich bei Schilcher (2018).

      In Analogie zu anderen Modellen (vgl. insbesondere Rosebrock & Nix 2014 zum Lesen; Lischeid 2014 zu Grammatik) schlagen wir daher eine Erweiterung und Dreiteilung des Konzepts der Sprachkompetenz vor, die sich durch alle Teilbereiche (Dimensionen) des Faches zieht. Die Teilbereiche beeinflussen sich gegenseitig.

      

Abb. 2.3:

      Dimensionen von Kompetenz

      Den inneren Kern unseres Modells bildet also die kognitive Ebene. Sie umfasst implizite und explizite, d.h. unbewusste bzw. bewusstseinsfähige, Wissensbestände:

      Viele deklarative (= Faktenwissen) und prozedurale (= Handlungswissen) Wissensbestände liegen in Hinblick auf Sprachproduktion und Rezeption implizit vor. Wir können auf Sie automatisiert zugreifen, ohne uns jedes Mal die Regelhaftigkeiten und Abläufe bewusst machen zu müssen. Müssen Sie nachdenken, wie man ein <u> schreibt? Wohl nicht. Ein Schreibanfänger dagegen schon. Gleiches gilt für das Wissen und Können, das sprachreflexive Akte betrifft. Wir bezeichnen diese Wissensbestände im Alltag häufig als „Sprachgefühl“. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um Mechanismen, die Sprache zum Gegenstand machen (Sprachbewusstheit) und das Nachdenken über verschiedene Aspekte (Reflexion i. e. S.) erlauben. Erinnern Sie sich an obenstehende Beispiele zum Kiezdeutschen und zum Bairischen? Lassma den Butter, Lan (oder so ähnlich). Wie haben Sie Ihre Entscheidung begründet? Sprachbewusstheit ist eine zentrale Kategorie von Sprachunterricht, da sie die Aufmerksamkeit auf sprachliche Phänomene richtet. Budde et al. (2012, 32) betonen außerdem das rekursive Verhältnis von Sprachreflexion und Sprachbewusstheit: „Sprachbewusstheit stellt eine wesentliche Voraussetzung für sprachreflexive Tätigkeiten dar, ist jedoch zugleich auch das Ergebnis von Sprachreflexion.“ Diese Tätigkeiten sind auch Voraussetzung für eine Reflexionsfähigkeit über die Sprache als System und über den Sprachgebrauch an sich, z.B. in Form von Sprachkritik.

      Hinzu kommt explizites Wissen, das systematisch und deklarativ über Sprache und ihren Gebrauch gespeichert ist: „Ein Grundprinzip der Rechtschreibung ist die Phonem-Graphem-Korrespondenz“, „ich spreche meinen Chef nicht mit Hey Du an“ usw. Es bezeichnet im Wesentlichen Sachverhaltswissen (z.B. Ich weiß, dass man eine Kuh mit Kuh bezeichnet) und entsteht durch das Lernen von Fakten wie z.B. Vokabeln oder Rechtschreibregeln (vgl. Gerrig & Zimbardo 2008, 234). Es liefert in dieser Form allerdings keine Strategien, um sprachliche Probleme zu lösen, sondern nur „Bausteine“ dazu (vgl. Ossner 2008, 45).

      Als Folge der Outcome-Orientierung, also der Orientierung an Sprachproduktion im Rahmen der Kompetenzdiskussion der letzten Jahre, fokussieren viele Kompetenzmodelle (z.B. Ossner 2008) diese kognitive Ebene, da ihre Facetten im Gegensatz zu den anderen Ebenen in der Regel gut messbar sind. Sie werden in den entsprechenden Kapiteln dieses Buches dargestellt.

      Ossner (2008) unterscheidet im Wesentlichen drei Wissensarten: Prozess-, Problemlöse- und das Reflexionswissen, das jeweils (implizit oder explizit) zur En- und Dekodierung von Sprache benötigt wird. Sie können jeweils hierarchieniedrigere (basale) oder -hohe Aspekte betreffen. Prozesswissen (Prozedurales Wissen) bezeichnet das Können, das automatisierte Beherrschen von Fertigkeiten oder Methoden (z.B. Kuh schreibt man K-u-h). Es „bezieht sich auf die Art und Weise, wie Sie behalten, wie Dinge getan werden. Es wird genutzt, um sich perzeptuelle, kognitive und motorische Fertigkeiten anzueignen, sie aufrechtzuerhalten und sie anzuwenden.“ (Gerrig & Zimbardo 2008, 234). Problemlösewissen heißt, dass jemand über „Strategien zur Bewältigung von Problemsituationen“ (Ossner 2008, 32) verfügt (z.B. Ich kann die Schreibweise von Kuh im Wörterbuch nachschlagen). Reflexionswissen, auch Metakognitives Wissen („Wissen über Wissen“), umfasst Erfahrungen, die aufgrund unseres sprachlichen Handelns gemacht werden (z.B. ich vergesse bei Kuh oft das <h>) und steuert die Anwendung der bzw. Aufmerksamkeit für die anderen Wissensarten.

      Die sprachlichen Erfahrungen, die wir sammeln und abspeichern, haben Auswirkungen auf das Subjekt als solches. Die zweite Ebene unseres Modells bildet daher eine Subjektebene. Sie umfasst alle affektiv-personalen Aspekte. Wer schon einmal in der Schule unterrichtet hat, weiß, dass der Habitus (am ehesten wohl mit ‚Einstellungen, Gewohnheiten’ übersetzbar) und die Motivation der Schülerinnen und Schüler eine wesentliche Rolle für die Bereitschaft spielen, sich mit Lerngegenständen auseinanderzusetzen. Der Habitus resultiert aus einer Vielzahl von Lernerfahrungen (und dem damit verbundenen Selbstwirksamkeitserleben), die sich zu Gewohnheiten des Denkens, Fühlens und Handelns verfestigen.

      Gerade im DaZ-Bereich spielt die Gelegenheit, positive sprachliche Erfahrungen in der L2 zu machen, eine wichtige Rolle. Jeuck (2015, 38) zufolge betrifft dies „die zur Verfügung stehende Zeit und Energie, die Kommunikations- und Kontaktmöglichkeiten, die Qualität der Kommunikationsbedingungen, die Konzeption und Qualität des Unterrichts“. Fehlen solche Gelegenheiten, kann es zu einer negativen Einstellung gegenüber der Zielsprache kommen. Motivation, Interessen, Leistungsbereitschaft etc. sind wesentliche Faktoren, um die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ zu überschreiten und sich mit Sprache zu beschäftigen (vgl. Jeuck 2015, 38f; Hayes 2012, 372). Dabei ist „Motivation […] der allgemeine Begriff für alle Prozesse, die der Initiierung, der Richtungsgebung und der Aufrechterhaltung physischer und psychischer Aktivitäten dienen“ (Gerrig & Zimbardo 2008, 414; Herv. v. Verf.). Sie kann extrinsisch („von außen gesteuert“) oder intrinsisch („von innen heraus“) vorliegen. Die Motivation, sich mit Sprache auseinanderzusetzen, kann zudem je nach Dimension variieren. Sie ist aber immer notwendig, um sprachliche Phänomene (auch aus ästhetischer Sicht) wahrzunehmen und sich mit ihnen (sei es gesteuert oder ungesteuert) auseinanderzusetzen.

      Vergleichen Sie die beiden folgenden Aussagen. Welche ist eher intrinsisch, welche eher extrinsisch: Ich möchte eine gute Note im Rechtschreiben vs. Ich möchte weniger Fehler bei der Großschreibung machen. Es dürfte offensichtlich sein, welche Art der Motivation langfristig zu den günstigeren Lernprozessen führt: Eine intrinsische Motivation führt dazu, den „Stoff“ beherrschen zu wollen und damit idealiter zu einer internalen stabilen Attribution. Nach Köhnen (2011, 33) lässt sich deshalb Lern- und Leistungsmotivation im Sprachunterricht v.a. dadurch fördern, indem man ein realistisches Anspruchsniveau setzt, bei der Erklärung von Misserfolg/Erfolg günstige Attributionsmuster


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