Mehrsprachige Leseförderung: Grundlagen und Konzepte. Группа авторовЧитать онлайн книгу.
hinaus sollen sie in der Lage sein, sprachliche Äußerungen und Texte zu vertrauten Themen schriftlich und mündlich sinngemäß von der einen in die andere Sprache zu übertragen. (vgl. ebd: 14)
Am Einfachsten ist der Einsatz mehrsprachiger Texte im Rahmen von Sprachmittlungsaufgaben. Hier können fremdsprachliche Texte sinngemäß in alle Sprachen der Lernenden übertragen werden oder umgekehrt. Die Übersetzungen in nicht deutsche Sprachen können von anderen Mitschüler/innen mit dem elektronischen Übersetzungsprogramm in die deutsche Sprache übersetzt und anschließend mit dem Original verglichen werden.
Insbesondere beim kreativen Schreiben, aber auch bei der mündlichen Sprachproduktion, kann die explizite Erlaubnis und Motivation dazu, mehrere Sprachen im Sinne des Texttyps 2 zu verwenden besonders motivierend sein und Texte inhaltlich bereichern. Begriffe aus anderen Sprachen können z.B. als besonderes Stilmittel eingesetzt werden, weil ein bestimmter Begriff aus einer anderen Sprache eine Sache oder einen Gegenstand z.B. besser oder genauer beschreibt, eine bestimmte Emotion darstellt oder bei der wörtlichen Rede die Alltagswelt vieler Mehrsprachiger, welche von Sprachenwechsel und Sprachmischungen geprägt ist, widerspiegelt. Mehrsprachige Texte unterschiedlicher Autoren können im Unterricht zunächst gelesen und diskutiert werden. Anschließend verfassen die Lernenden selbst Texte in denen sie „ihre“ Sprachen einbringen (vgl. Elsner 2012).
Mehrsprachige Texte zur Förderung Interkultureller Kompetenzen
Die Auseinandersetzung mit literarischen Texten gilt als zentrales Element interkultureller Lernprozesse im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts. Sorgfältig ausgewählte Texte aus den fremdsprachlichen Zielkulturen sollen Schüler/innen einen Einblick in andere Kulturen ermöglichen, zum Perspektivenwechsel anregen, Fremdverstehen anbahnen und zur Reflexion über die eigene kulturelle Identität auffordern.
Mehrsprachige Texte, wie die Gedichte von Antoine Cassar oder Pat Mora (vgl. Elsner 2012), aber auch von anderen Künstler/innen, die ihre Mehrsprachigkeit als besonderes Stilmittel in ihren Texten einsetzen, eignen sich besonders gut, um diese Fähigkeiten und Fertigkeiten anzubahnen.
Mehrsprachige Texte zur Förderung von Methodenkompetenzen
Zunehmend werden im Fremdsprachenunterricht autonome Lernformen integriert, die den Lernenden nicht nur ein individuelles Erfassen des Lernstoffes ermöglichen, sondern auch das selbstständige und lebenslange Lernen außerhalb des Schulunterrichts anbahnen sollen. Damit verbunden sind der Erwerb bestimmter Lerntechniken und die Bewusstmachung von Stragien. Gerade der bewusste Vergleich von verschiedenen Sprachen ist in diesem Zusammenhang als sinnvolle Tätigkeit zu vermerken, durch welche die Lernenden wichtige Erschließungsstrategien aber auch Kommunikations- und Sprachlernstrategien erwerben können. So können z.B. Texte in Sprachen, die der Zielsprache nahverwandt sind, jedoch nicht der Schulsprache entsprechen, eingesetzt werden, um Interkomprehensionsstrategien, also die Nutzung bereits bekannter Sprachen für die Sprachrezeption und -produktion sowie zur grammatischen Durchdringung einer fremden Sprache zu fördern (vgl. hierzu z.B. Oleschko 2011: 16).
In diesem Zusammenhang kann auch besonders gut auf die Bedeutung der Zielsprache (Englisch, Französisch, Spanisch etc.) hinsichtlich des Erwerbs weiterer Fremdsprachen (Dänisch, Schwedisch, Italienisch etc.) aufmerksam gemacht werden.
Insgesamt können die vorangegangenen Beispiele jedoch nur einen kleinen Ausschnitt dessen verdeutlichen, was mit mehrsprachigen Texten im Fremdsprachenunterricht getan werden kann. Viele weitere Beispiele sind mittlerweile in der Literatur zu finden (zusammenfassend Blell/Doff 2014; Buendgens-Kosten/Elsner in Vorb.; Jakisch 2015; Lohe 2016: 60ff.; Mayr 2015).
Bevor diese Ideen jedoch im Unterricht übernommen werden, sollte man sich mit den Effekten des Einsatzes mehrsprachiger Texte aus empirischer Sicht auseinandersetzen, was im Folgenden getan wird.
4. Mehrsprachige Texte: Wirkungen und Nebenwirkungen
Empirische Untersuchungen hinsichtlich der Wirksamkeit des Einsatzes mehrsprachiger Texte zur Förderung der oben genannten Kompetenzen im Rahmen des Fremd- und Zweitsprachenunterrichts gibt es mittlerweile zahlreiche, lediglich einige davon können an dieser Stelle exemplarisch aufgezeigt werden, um folgende Aussagen treffen zu können:
Der Einsatz mehrsprachiger Texte im Fremdsprachenunterricht fördert das Interesse an fremden Sprachen und erhöht die Sprachbewusstheit auf kognitiver und affektiver Ebene.
Im Rahmen ihrer Dissertationsstudie hat Viviane Lohe mittels eines quasi-experimentellen Forschungsdesigns und ergänzenden Interviews den Zuwachss der kognitiven und affektiven Dimension der Sprachbewusstheit bei 49 Kindern untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Arbeit mit mehrsprachigen Texten des Typs I a die Entwicklung der Sprachbewussheit auf kognitiver und affektiver Ebene der ein- und mehrsprachigen Grundschulkinder mit verschiedenen Erstsprachen fördert (Lohe 2016).
Der Einsatz mehrsprachiger Texte motiviert die Schüler/innen zum Lesen und Hören in verschiedenen Sprachen.
Im Rahmen des Forschungsprojekts MuViT wurden dieselben Texte wie in der Studie von Lohe (My First Stories, Oldenbourg Verlag) in mehreren Grundschulklassen eingesetzt und die Nutzung der Lernenden in verschiedenen explorativen Untersuchungen beobachtet (zusammenfassend Elsner 2014). Dabei stellt sich heraus, dass die Grundschulkinder das Lesen in mehreren Sprachen nicht nur interessant finden, sondern die verschiedenen Sprachen auch zur Erschließung von Texten in der Zielfremdsprache Englisch nutzen. Ähnliche Ergebnisse liefert die größer angelegte Studie LIKE (Elsner/Buendgens-Kosten/Hardy 2015), in welcher eine dreisprachige Version der mehrsprachig digitalen Texte Grundschulkindern mit Deutsch als Erst- bzw. Zweitsprache zur Verfügung gestellt wurde.
Der Einsatz mehrsprachiger Texte kann sich förderlich auf das Leseverstehen in einer Fremdsprache auswirken.
Im Projekt LIKE untersuchten Buendgens-Kosten, Elsner und Hardy die Bedeutung der Erst- und Zweitsprache für die Entwicklung kommunikativer Kompetenz in einer Fremdsprache (Englisch) bei bilingualen (deutsch-türkischen) Grundschulkindern während der Bearbeitung einer textbezogenen Aufgabe in kooperativen Lernsettings. Erste Ergebnisse der Studie zeigen, dass sowohl die ein- als auch die mehrsprachigen Lernenden ihre Erstsprache als Ressource für die Erschließung von Texten in der englischen Sprache nutzen, wenn die Lernumgebung ihnen das ermöglicht (vgl. Elsner et al. 2015: 35) und die Nutzung der mehrsprachigen Texte zu einem verbesserten Textverständnis in der Fremdsprache Englisch führt (Buendgens-Kosten et al. erscheint).
Mehrsprachige Texte erhöhen die Qualität und Quantität mündlicher Kommunikation
In einer experimentellen Studie mit Lernenden des Englischen als Zweitsprache, setzte Alvarez (Alvarez John erscheint) mehrsprachige Texte des Typs IA ein. Die sich hieran anschließenden Diskussionen verglich er hinsichtlich Qualität und Quantität mit der Diskussion im Anschluss an die Lektüre einsprachiger Texte. Alvarez stellte fest, dass die Beteiligung der Lernenden in der Textdiskussion nicht nur reger, sondern auch inhaltlich ausgiebiger wurde. Auf der Grundlage seiner Ergebnisse folgert Alvarez, dass Aufgaben, die mehrsprachige Lernende dazu auffordern ihre Vielsprachigkeit produktiv einzusetzen, einen positiven Effekt auf die Identitätsentwicklung und das Sprachenselbstkonzept mehrsprachiger Lerner/innen haben.
Mehrsprachige Texte beeinflussen das Sprachenselbstbild positiv und regen zur Reflexion über die Bedeutung der eigenen Mehrsprachigkeit an
In einer kanadischen Studie ließ Jim Cummins (o.J.) ESL-Lerner/innen sogenannte Identity Texts verfassen. Die Lernenden durften dabei auch in ihrer Muttersprache schreiben, die sie noch besser beherrschten. Die Studie ergab, dass sich die Lernenden nicht nur wertgeschätzt fühlten, sondern sich auch dem Mehrwert ihrer plurilingualen Kompetenz bewusst wurden. In einer anderen Studie ließ Magdalena Mayr (2016) ein- und mehrsprachige Lernende mehrsprachige Gedichte verfassen. Hier zeigte sich, dass die Aufgabe