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Fremdsprachenunterricht in Geschichte und Gegenwart - Группа авторов


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von dem Ohre und dessen Schulung bei den Phonetikern kaum die Rede. (Seitz 1889, 222 f.)

      Marcus Reinfried unterscheidet hierbei „deux approches: une approche atomiste et une approche globaliste“ (Reinfried 1997, 190 f.), die „dans la pratique, pouvaient se succéder à l’intérieur d’une seule unité d’enseignement“ (ebd., 190). Reinfried definiert beide Ansätze wie folgt: „L’approche atomiste se basait sur la communication de sons isolés ou de mots qui servaient de modèles articulatoires. [...]. L’approche globaliste par contre partait d’un texte entier“ (ebd., 190 f.).

      Typisch für den Beginn der neusprachlichen Reformbewegung war vor allem im Anfangsunterricht des Französischen die approche atomiste mit der Ausspracheschulung und Übung isolierter Laute. Im Rahmen des Phonetischen Vorkurses wurden in vielen Lehrwerken der neusprachlichen Reformbewegung die Sprechwerkzeuge in einem Schaubild abgedruckt (vgl. Engelke/Meyer 1929, 1).1 Karl Quiehl und Max Walter2 entwickeln dabei das Lautschema im Lehrer-Schüler-Gespräch an der Wandtafel und weisen „an der Lauttafel auf das Zeichen des Lautes“ (Quiehl 1887, 36) hin. Nach dem Vor- und Nachsprechen der Laute nutzen Engelke/Meyer zur Festigung und zum Einschleifen der vier Nasalvokale [œ̃], [ɔ̃], [ɛ̃], [ã] (Engelke/Meyer 1929, 2 f.)3 den C-Dur-Akkord ‚c-e-g-c‘ und kommentieren „On apprend mieux les voyelles nasales en chantant“ (ebd., 2 f.).4 Hierbei werden die vier Nasalvokale als isolierte Laute einzeln gesungen und schließlich im Refrain des bekannten Kanons Frère Jacques den Noten zugeordnet. Anhand von Karl Quiehls Veröffentlichungen lässt sich die Entwicklung der approche atomiste anhand des prototypischen Uhlandschen Volkslieds „Ich hatt’ einen Kameraden“ exemplarisch nachvollziehen. Fünf Jahre nach Viëtors „Trompetenstoß“ skizziert Quiehl auf dem Zweiten Allgemeinen Deutschen Neuphilologentag 1887 in Frankfurt am Main (vgl. Quiehl 1887, 33 ff.) erstmals nach einer Zusammenfassung der Vorzüge des Liedeinsatzes im französischen Anfangsunterricht den Einsatz der französischen Kontrafakturversion „J’avais un camarade“ zur Lautschulung und Festigung:

      Als erstes zusammenhängendes Stück wähle ich ein Gedicht; ein solches prägt sich vermöge der gebundenen Form und des Reims besonders gut ein. Da die genaue Wiedergabe der Einzellaute zunächst die Hauptsache ist,5 so wird ein Lied singend geübt. Beim Gesange werden die Laute länger gehalten, was besonders den Nasalvokalen zu gute kommt. (Quiehl 1887, 37)

      3.3 Max Walthers integrative Formen des Liedeinsatzes

      Max Walter betont im Vorwort zu seinem Grundbuch für Sexta, „daß das Französische eine lebende Sprache ist, die sich an die Schüler persönlich wendet“ (Walter 1927a, V). So integriert Walter bereits ab der ersten Unterrichtsstunde Musikelemente in seinen Französischunterricht. Unter der Rubrik Texte in Lautschrift (ebd., 8 ff.) bzw. Ausspracheübungen setzt Walter (1933, 45 ff.) das von ihm komponierte bə a - ba - Lied ein (Abb. 2 auf S. 52). Anhand von für die approche atomiste prototypischen chansons didactiques entwickelt und illustriert Walter seine sprachpädagogischen Betrachtungen:

      Abb. 2:

      Max Walter (Hrsg.) (1933): Manuel de français. Französisches Unterrichtswerk für höhere Schulen. Knaben-Ausgabe Teil I. Grundbuch für Sexta. 3. Aufl. Frankfurt a. M.: Diesterweg, 44.

      Das Liedchen wirkt zunächst als solches auf die Kinder sehr drollig und wird von ihnen gerne und rasch aufgenommen. Sechs der einfachen Vokale können hier zu scharfer Erfassung gebracht werden. Wenn der Lehrer mit kurzen Schlägen des Taktstocks in geeigneter Weise taktiert, wird er einmal erreichen, daß die Vokale nicht nach deutscher Gewohnheit zerdehnt, sondern kurz und scharf geschnitten gesungen werden, ferner aber auch die Bindung zwischen Vokalen unter Vermeidung des Knackgeräusches üben können. Seine Hauptrolle spielt dies vielseitig verwendbare Liedchen bei der Einübung des Stimmlauts bei b, d, g. (Walter 1927b, 6)

      Walter vergleicht die Lautübungen der approche atomiste mit den (täglichen) Fingerübungen in der Musik beim Lernen eines neuen Instruments:

      Man wird natürlich alle einzelnen Lautübungen, die meist in Verbindung mit Vokalen so zu gestalten sind, daß der betreffende Laut als Anlaut, Auslaut und Inlaut auftritt (z.B. ba, ab, aba; za, az, aza usw.), nicht allein wochenlang fortsetzen, was ja schließlich langweilig und ermüdend wäre; indessen wird man gerade wie bei der Musik bei den Fingerübungen auch diese so wichtigen Artikulationsübungen in der vielfachsten Abwechslung mit den anderen weiter zu besprechenden Hör- und Sprechübungen während des ganzen Anfangsunterrichts anstellen müssen. (Walter 1931, 9)

      Zuweilen wurden sowohl die approche atomiste als auch die approche globaliste innerhalb eines Lehrwerks angewandt. Dieser Kunstgriff gelingt Walter mithilfe seiner selbst komponierten chanson didactiqueÀ Paris’ (Abb. 3, S. 54).

      À Paris ist rein zu sprachpädagogischen Zwecken geschaffen und längst in alle Welt gewandert.1 Seine Melodie soll der Erfassung des französischen Tonfalls eine Hilfe sein. Auch hier ist scharf darauf zu achten und beim Taktieren zu unterstreichen, daß die Vokale knapp und kurz abgehackt herauskommen und jedes Legato vermieden wird. (Walter 1927b, 7)

      Abb. 3:

      Max Walter (Hrsg.) (1933): Manuel de français. Französisches Unterrichtswerk für höhere Schulen. Knaben-Ausgabe Teil I. Grundbuch für Sexta. 3. Aufl. Frankfurt a. M.: Diesterweg, 49.

      Max Walter stellt in seiner didaktischen Begleitschrift eine Methodik des Liedeinsatzes2 vor:

      Der Lehrer erklärt – deutsch – so anschaulich und in so kindlicher Form wie nur möglich3, was vorgeht, unter Benutzung der beigegebenen Bildchen (vgl. Walter 1933, 49).4 Sieht das Kind mit seiner lebhaften Einbildungskraft die Umwelt und den Vorgang des betreffenden Stoffes klar vor sich, so geht es sofort an das Singen des Liedchens. Alles, was daran durch Anschauung5 verdeutlicht werden kann, wird herangezogen. Die Melodie und der Rhythmus sind mächtige Stützen. Bald wird das Liedchen von der Klasse frei gesungen werden können, falls erforderlich nach der phonetischen Niederschrift an der Wandtafel. Der Lehrer sorgt durch entsprechendes Taktieren für straffe Artikulation und richtiges Tempo. Alles ist auf das anschauliche Erleben und Erfassen einzustellen. Auf keinen Fall wird der Lehrer vom Schüler verlangen, daß er diese Lieder übersetze;6 er wird ihn auch nicht mit sprachlichen Erläuterungen beschweren. Das Lied ist Selbstzweck.7 Die Lieder müssen so sehr zum festen Besitz des Schülers werden, daß ihm das Fremdartige daran kaum noch zu Bewußtsein kommt.

      Dazu ist es erforderlich, daß der Lehrer sich gerne und freudig auf das kindliche Gemüt einstellt und die Kinder nicht zu Antwortautomaten, sondern zu frei und fröhlich mitschaffenden Gefährten erzieht und so vom Spielerischen der Unterstufe eines Tages ganz unmerklich zum freien Arbeitsbetrieb8 überzuleiten vermag. Man fürchte nicht für die Schulzucht! Der Schüler, der sich so gründlich und vielseitig im Unterricht selbst betätigen kann, hat keine überschüssigen Kräfte oder unausgenutzten Trieb übrig, um Unfug zu treiben. (Walter 1927b, 7)

      So sollen die Schüler sich am Ende der ersten Strophe des Lieds Ainsi font, font, font dreimal um sich selbst drehen. Am Ende der zweiten Strophe „stemmen sie die Hände in die Seiten und springen“ (Walter 1933, 46 f.). Max Walter kann als précurseur der kinästhetischen Lieder im Fremdsprachenunterricht bezeichnet werden. Diese action songs waren in den 1980 und 1990er Jahren zuerst im Unterricht der Begegnungssprache Englisch (vgl. Böttcher 1992, 13 f.) für die Klassen 3 und 4 außerordentlich populär, da sie „dem Bedürfnis jüngerer Schüler nach Bewegung und Aktivität“ (Rauch 2001, 99 f.) entsprechen. Anhand des folgenden, allen Schülern bekannten französischen Volkslieds Sur le Pont d’Avignon antizipiert Walter bereits die méthode par le mouvement (vgl. Germain 1993, 261 ff.), die zuerst von Harold und Dorothée Palmer (1925)9 beschrieben und von James J. Asher (vgl. Asher 1986) in seiner Methode des TPR (Total Physical Response) weiterentwickelt wurde. Dabei wird ein Kommando in der Fremdsprache zuerst vom Lehrer gestisch bzw. mimisch umgesetzt, in späteren Phasen auch von


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