Übersetzungstheorien. Radegundis StolzeЧитать онлайн книгу.
normative Aussage kennt fünf Bezugsrahmen, unter denen dann auf der Ebene einzelner Übersetzungseinheiten (Wort, Satz, Text) bestimmte „potentielle Äquivalente“ objektivierbar werden sollen.
Insgesamt wird deutlich, dass „Äquivalenz“ in der LiteraturLiteratur meist eine eher abstrakte Forderung nach Gleichheit bestimmter Aspekte in der TextvorlageTextvorlages. Ausgangstext, AS, Original und der Übersetzung meint, wobei das ungeklärte Verhältnis zwischen Textganzem und einzelnen Übersetzungseinheiten ein inhärentes Problem darstellt. Dagegen werden als „Äquivalente“ diejenigen syntaktischen Elemente bezeichnet, mit denen jene GleichwertigkeitGleichwertigkeit realisiert wird. Diese Unterschiede sind im weiteren Verlauf der übersetzungswissenschaftlichen Diskussion nicht immer genau beachtet worden, etwa wenn manche Autoren pauschal forderten, eine „Übersetzung müsse zu ihrem OriginalOriginals. Ausgangstext äquivalent“ sein2Originals. AusgangstextWilss, oder aber betonten, die ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung sei „eine Illusion“ (SNELL-HORNBYSnell-Hornby 1986:14).
Weil all dies wiederum wenig aussagekräftig ist, wurde der Äquivalenzbegriff ständig verändert. Es traten andere BegriffswörterBegriffswörter auf wie Angemessenheit, AdäquatheitAdäquatheit, GleichwertigkeitGleichwertigkeit, Übereinstimmung, Korrespondenz, sinngemäße EntsprechungEntsprechung, Wirkungsgleichheit usw. Abschließend ist festzuhalten, dass „ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung“ eine Relation zwischen AS- und ZS-Text bezeichnet, die nur übersetzungskritisch, d.h. am konkreten Textbeispiel, festgestellt werden kann. Man kann nicht „äquivalent übersetzen“, sondern ein ZieltextZieltext kann (jeweils nur hinsichtlich bestimmter Textebenen!) als einem Ausgangstext äquivalent gelten. Die einzelnen Elemente auf den verschiedenen Ebenen können aufgrund der Verschiedenheiten der Sprachen und Kulturen in den meisten Fällen nicht invariant und nicht alle zugleich äquivalent gehalten werden.
Kommentar
NIDANida hat aufgrund der missionarischen Ausrichtung der Bibelübersetzung erstmals die Einstellung auf die anvisierten EmpfängerEmpfänger der Übersetzung als außersprachliches Element ins Spiel gebracht. Seine Darstellung legt allerdings den Schwerpunkt auf die Ausgangstextanalyse und hier besonders auf syntaktische Bedeutungen. So beschränkt sich das Problem der ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung auf die Wahrung von Inhalts- und Wirkungsgleichheit im Bereich syntaktischer Bedeutungen. KOLLERS Ansatz steht demgegenüber den Vorstellungen der sprachenpaarbezogenen ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft näher. Am ausführlichsten ist seine Darstellung bezüglich der denotativen ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung, und hier werden teilweise ähnliche „ÜbersetzungsverfahrenÜbersetzungsverfahren“ vorgeschlagen wie bei den „Übersetzungsprozeduren“ der Stylistique comparéeStylistique comparée, z.B. bei einer lexikalischen Lücke.
Mit dem Ansatz von fünf Äquivalenzforderungen wird die PerspektivePerspektive auf ein TextganzesTextganzes angedeutet, jedoch bezieht sich die Beispieldiskussion meist nur auf Wörter und Sätze. Ein größerer Teil der normativen Äquivalenzforderungen bleibt bloße Forderung. Es wird nicht gezeigt, wie eine „Hierarchie der in der Übersetzung zu erhaltenden Werte“ konkret aussieht. So bleibt bei vielem, was als „Aufgabe der ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft“ postuliert wird, die Möglichkeit konkreter Forschungsergebnisse zweifelhaft. Insgesamt ist festzuhalten, dass der BegriffBegriff „ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung“ in zahlreichen unterschiedlichen Bedeutungen verwendet wird. Angemessen lässt er sich allenfalls zur BezeichnungBezeichnung einer GleichwertigkeitGleichwertigkeit bestimmter Aspekte in Text und Übersetzung verwenden, die in der ÜbersetzungskritikÜbersetzungskritik festgestellt werden kann.
Lektürehinweise
Werner KOLLER (1992, 82011): Einführung in die Übersetzungswissenschaft. Heidelberg; besonders Kapitel 2.3.
Eugene A. NIDA (1964): Toward a Science of Translating. With Special Reference to Principles and Procedures Involved in Bible Translating. Leiden.
Eugene A. NIDA/Charles R. TABER (1969): Theorie und Praxis des Übersetzens, unter besonderer Berücksichtigung der Bibelübersetzung. Weltbund der Bibelgesellschaften.
Michael SCHREIBER (1993): Übersetzung und Bearbeitung. Zur Differenzierung und Abgrenzung des Übersetzungsbegriffs. Tübingen.
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