Textlinguistik. Группа авторовЧитать онлайн книгу.
1960er-Jahren) neu entwickelte Methode der semantischen KomponentenanalyseKomponentenanalyse, semantische: Wortbedeutungen sind, analog zu Phonemen, keine unanalysierbaren Atome, sondern lassen sich in Einzelkomponenten, so genannte SEME oder SEMANTISCHE MERKMALE aufspalten (Pottier 1964, vgl. auch den Überblick in Dupuy-Engelhard 2002). Wörter lassen sich gruppieren, zusammenfassen und bedeutungsmäßig differenzieren entsprechend den gemeinsamen oder unterschiedlichen semantischen Merkmalen, die ihre Bedeutungen ausmachen. Dazu kommt als theoretische Voraussetzung, dass Bedeutung nur dadurch entsteht, dass zwei Elemente in Opposition zueinander stehen. Der Gegensatz zwischen zwei Elementen erzeugt einen semantischen Unterschied, der durch einen positiven bzw. negativen Wert in Bezug auf ein Merkmal ausdrückbar ist. Durch den Gegensatz Ente – Erpel entsteht so beispielsweise ein Bedeutungsunterschied ‚weiblich‘ – ‚nicht-weiblich‘. Dadurch, dass zwei Wörter in eine Opposition gebracht werden, werden sie wiederum in eine gemeinsame Klasse zusammengefasst, sie haben ein gemeinsames Merkmal, vom französischen Semantiker Bernard Pottier KLASSEMKlassem genannt. Ente und Erpel gehören zusammen, weil sie das gemeinsame Merkmal ‚Gattung Ente‘ enthalten.
Greimas übernimmt diese Idee der Aufspaltbarkeit und Zusammenfassbarkeit von Wortbedeutungen in Einzelbestandteile. Er wendet jedoch die paradigmatische Blickrichtung der Semanalyse in die syntagmatische Blickrichtung: Betrachtet werden nicht die Bedeutungsbeziehungen in einer Liste von Wörtern im Lexikon, sondern innerhalb einer Folge von Wörtern im Text: Welche gemeinsamen semantischen Merkmale haben Wörter innerhalb eines Textausschnittes? Gemeinsame Merkmale in einem Text werden ISOTOPIEN genannt; ein Text hat Kohärenz, wenn er Isotopien aufweist. Greimas selbst gibt unterschiedliche Definitionen oder Umschreibungen dafür (siehe die Diskussion in Rastier 1987: 88ff.). Eine erste lautet:
„Eine Äußerung oder irgendeine Wortfolge in einem Text kann nur dann als isotop gelten, wenn sie [ihre Teile, A.L.] eines oder mehrere KlassemeKlassem gemeinsam haben.“1
Isotop sind also Texteinheiten, deren einzelne Ausdrücke durch eines oder mehrere gemeinsame übergreifende Merkmale – Klasseme – zu einer oder mehreren Klassen zusammengefasst werden. Das Klassem selbst wird in der Regel nicht explizit benannt, sondern existiert nur implizit.
Während dieser Hinweis auf eine semantische Gemeinsamkeit der Elemente eines Textes mit dem Konzept der KOHÄRENZ intuitiv sehr verträglich ist, kann möglicherweise in der folgenden Umschreibung der Ausdruck redundant irritieren: „Unter Isotopie versteht man allgemein ein Bündel von redundanten semantischen Kategorien, die dem entsprechenden Text zugrunde liegen.“2
Es handelt sich hier jedoch nur um eine andere Blickrichtung: Redundant ist ein Bedeutungselement, das zu einer bereits vorhandenen Information keine weitere zusätzliche hinzufügt. In diesem Sinne ist, informationstheoretisch gesprochen, ein immer wiederkehrendes Bedeutungsmerkmal tatsächlich redundant, denn es bringt an sich kein neues Bedeutungselement in die Textinformation. Isotopietheoretisch verbindet es umgekehrt die einzelnen Elemente eines Textes.
Welche Isotopien sich hinter einem Text verstecken, hängt von der Kombination von Wörtern im Text ab. Die Kombination von chien (‚Hund‘) und aboie (‚bellt‘) im Satz
(4–2a) Le chien aboie (‚Der Hund bellt‘)
schafft ein gemeinsames, isotopes Merkmal ‚Tier‘, während in
(4–2b) Le commissaire aboie (‚Der Kommissar bellt‘ = ‚brüllt‘)
die beiden Elemente durch das Merkmal ‚Mensch‘ verbunden werden. Die theoretischen Implikationen und Ansprüche von Greimas sind weiterreichend, als diese einfachen Beispiele erahnen lassen.
Je umfangreicher ein Text, desto mehr Schichten von Isotopien werden darin aufgebaut. Greimas geht mit anderen Strukturalisten davon aus, dass das Seminventar, das hinter den Isotopien steht, universaler Natur ist: Es gibt in einer Sprache eine universale Menge von Semen, aus denen die Isotopiestruktur eines Textes aufgebaut wird, und umgekehrt, die Bedeutung eines Text bewegt sich oder realisiert sich innerhalb eines Inventars von universellen Semen. Isotopiestrukturen werden in Texten auch schichtweise aufgebaut. Kleinere Texteinheiten haben ihre einfache Isotopiestruktur mit dominierenden KlassemenKlassem; wenn mehrere Texteinheiten zusammengefügt werden, ergeben sich in der Kombination der Klasseme dieser Texteinheiten Oppositionen und Isotopien zwischen diesen Klassemen; und aus diesen Oppositionen und Klassemen lassen sich auf der nächsthöheren Ebene weitere Isotopien und Klasseme ableiten. Ein Text ist sozusagen ein Raum von Isotopien, welcher einen Bedeutungsraum widerspiegelt, in dem sich ein Text bewegt.
Greimas erweitert die Konzeption, dass bedeutungshaltige Objekte auf Oppositionen aufbauen, auch für eine Erzähltheorie. Zum einen versucht er das AktantenmodellAktantenmodell, das der russische Märchenforscher und Erzähltheoretiker Vladimir Propp 1928 für russische Märchen entwickelt hatte, zu verallgemeinern. Propp (1975) formulierte allgemeine Strukturprinzipien, wonach in Märchen immer bestimmte Handlungsrollen und HandlungsmusterHandlungsmuster vorkommen. Greimas vereinfacht diese Muster zu einigen wenigen Oppositionspaaren: Held – Helfer, Held – Gegner, handelnde Person – Objekt. Erzähltexte werden nach Greimas letztlich durch solche Gegensatzpaare konstituiert. Ferner bewegen sich auch die einem Text zugrunde liegenden Isotopien in einem solchen Raum von Oppositionen.
Die Analyse von literarischen Texten besteht so im Aufzeigen der versteckten Isotopien und Isotopien-Oppositionen wie z.B. Licht – Dunkel, Reinheit – Unreinheit usw. Diese Schichtungen von Isotopien mit ihren Oppositionen machen in gewisser Weise die Tiefenstruktur eines Textes aus, deren Bedeutungsgehalte nicht unbedingt auf der Ausdrucksseite des Textes verbalisiert werden.
In der linguistischen Textlinguistik werden die erzähltheoretischen und sprachtheoretischen Ansätze von Greimas allerdings selten beachtet und sein Isotopie-Konzept auf das Phänomen der semantischen Verwandtschaft von benachbarten Textelementen aufgrund gemeinsamer Bedeutungsmerkmale reduziert.
Isotopieansätze, die auf der Semanalyse basieren, können nur so leistungsfähig sein wie die Semanalyse selbst. Diese aber ist umstritten. Bei der konkreten Anwendung der Semanalyse ist es oft schwierig, Wortbedeutungen restlos in klar definierbare Seme aufzugliedern. Es ist oft auch unzureichend, Bedeutungen als bloße Addition von Semen darzustellen, denn zwischen Bedeutungselementen bestehen vielfach kompliziertere Beziehungen.
‚Erfrieren‘ ist nicht einfach eine Addition von ‚sterben‘ und ‚frieren‘, sondern impliziert ein Kausalverhältnis zwischen Frieren (bzw. Unterkühltwerden) und Sterben. Methodisch gesehen ist sehr oft auch nicht klar, was in einem durch Semanalyse gewonnenen Bedeutungsmerkmal semantisch tatsächlich enthalten ist. Die bloße Identifikation von Merkmalen wie ‚weiblich‘ oder ‚männlich‘ besagt wenig über deren Inhalt. Zudem basiert die Identifikation von semantischen Merkmalen aus der Gegensatzbildung oft zu sehr auf der Intuition des Analysierenden, um stringente Gültigkeit beanspruchen zu können.
In Rastier (1987) ist das Isotopiekonzept allerdings weiter entwickelt worden und elastischer geworden. Als Bedeutung wird nicht eine fixe lexikalische Bedeutung angenommen, sondern eine Bedeutung, wie sie die Wörter in ihrem Textzusammenhang bekommen (Rastier 1987: 81). Seme können innerhalb des Textes unterschiedlicher Natur sein: Sie können einem Wort aufgrund seiner lexikalischen Bedeutung zukommen („inhérence“), sie können konventionell konnotiert sein („afférence“), im Text können solche Seme konkret aktualisiert sein („actualisation“), aber auch in ihrer Geltung aufgrund des Kontextes aufgehoben, rein virtuell vorhanden sein („virtualisation“). Rastier (1987: 81) zitiert dazu einen Satz von Emile Zola:
(4–3) Guillaume war die Frau im Haushalt, das schwache Wesen, das gehorcht, das den Einflüssen von Fleisch und Geist unterworfen ist.
‚Inhärent‘ ist dem Ausdruck Frau das Merkmal ‚weiblich‘, konventionell konnotiert („afféré“) das Merkmal ‚schwach‘. Im konkreten Text wird dieses konnotierte Merkmal aktualisiert, das inhärente Merkmal wird virtualisiert.
Isotoptische Bedeutungselemente werden also in dieser Auffassung nicht nur aus den Bedeutungselementen